Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei der Arbeitnehmerüberlassung durch dauerhafte Personalgestellung nach dem Tarifrecht des öffentlichen Dienstes. Unterlassungsanspruch des Betriebsrats der personalstellenden Arbeitgeberin bei wiederholten Verstößen gegen die Betriebsvereinbarung zur Dienstzeit für gestelltes Küchenpersonal
Leitsatz (amtlich)
1. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz findet auf eine Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD Anwendung (so auch LAG Baden-Württemberg 17. April 2013 - 4 TaBV 7/12; anderer Ansicht OVG Münster 19. September 2014 - 20 A 281/13. PVB).
2. § 4 Abs. 3 TVöD ist wegen Verstoßes gegen das in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG verankerte Verbot der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 134 BGB unwirksam.
3. Im Falle einer unzulässigen dauerhaften Personalgestellung verbleibt das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei dem für den Betrieb des gestellenden Arbeitgebers gebildeten Betriebsrat.
4. Auch eine nach dem 30. November 2011 erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verhindert bei nicht nur vorübergehend erfolgender Arbeitnehmerüberlassung das Unwirksamwerden des Arbeitsvertrags zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher und das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher. §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG sind auf diese Fallgestaltung weder direkt noch analog anwendbar.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; AÜG § 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Nr. 2, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1; TVöD § 4 Abs. 3; BGB § 134
Verfahrensgang
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 22.05.2014; Aktenzeichen 1 BV 1/14) |
Tenor
- Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 22. Mai 2014 - 1 BV 1/14 - wird als unzulässig verworfen.
- Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 22. Mai 2014 - 1 BV 1/14 - wird zurückgewiesen.
- Für die Beteiligte zu 2 wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Gründe
Der zu 1 beteiligte Betriebsrat verlangt die Beteiligung an der Dienstplanerstellung für Küchenmitarbeiter, die die zu 2 beteiligte Arbeitgeberin der zu 3 beteiligten I. GmbH im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD überlassen hat.
Der antragstellende Betriebsrat (künftig: Beteiligter zu 1) ist der bei der Arbeitgeberin (künftig: Beteiligte zu 2) gebildete Betriebsrat. Die Beteiligte zu 2, die seit 16. Dezember 2011 über eine zunächst befristet, ab dem 16. Dezember 2014 unbefristet erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt und den TVöD auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr Beschäftigten anwendet, betrieb am Standort R. eine Zentralküche, deren Aufgabenfeld sich von der reinen Essensversorgung der dort zu betreuenden Heimbewohner dahin verlagert hatte, dass zunehmend Kantinen in Behörden und Firmen, Kindertagesstätten und Schulen versorgt und beliefert wurden. Vor diesem Hintergrund gliederte die Beteiligte zu 2 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 den Bereich Küche und Catering aus und übertrug ihn auf die damals noch in Gründung befindliche gemeinnützige I. GmbH (künftig: Beteiligte zu 3), deren Alleingesellschafterin die Beteiligte zu 2 ist. In diesem Zusammenhang schlossen die Beteiligten die "Betriebsvereinbarung Ausgliederung Küche und Catering sowie Personalgestellung (zugleich Interessenausgleich und Sozialplan)" vom 23. November 2011 (künftig: BV Ausgliederung, Bl. 7-10 d. ArbG-Akte) folgenden Inhalts:
"§1
Rechte der Mitarbeiter
(1) Die Übertragung des Geschäftsbereichs Küche und Catering in den Außenstellen führt zu einem Teilbetriebsübergang nach § 613 a BGB. Sämtliche Arbeitsverhältnisse des Geschäftsbereichs gehen mit Wirksamwerden der Ausgliederung mit allen Rechten und Pflichten nach Maßgabe des § 613 a Abs. (1) BGB inhaltlich unverändert auf die zu gründende Integrationsfirma I. über.
(2) Die vom Betriebsübergang betroffenen Mitarbeiter werden rechtzeitig zuvor durch ein Unterrichtungsschreiben unter Beachtung der inhaltlichen Anforderungen gem. § 613 a Abs. (5) BGB hiervon in Textform informiert. Auf das Widerspruchsrecht gem. § 613 a Abs. (6) BGB wird hingewiesen.
(3) Mitarbeiter, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung gem. § 613 a Abs. (6) BGB widersprechen, bleiben Arbeitnehmer der L..
(4) Ungeachtet dessen, dass die Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter zu ihrer Personalgestellung an die zu gründende Integrationsfirma nicht erforderlich ist, werden die L. und der BR gemeinsam darauf hinwirken, dass die betroffenen Mitarbeiter der Personalgestellung im Fall des Widerspruchs zustimmen.
§2
Personalgestellung
(1) Mitarbeiter, die dem Teilbetriebsübergang widersprechen, werden der zu gründenden Integrationsfirma durch die L. auf der Grundlage von § 4 Abs. (3) TVöD zur Dienstleistung überlassen.
(2) Die Mitarbeiter bleiben unbeschadet ihrer Dienstleistung für die zu gründende Integrationsfirma Beschäftigte der L.. Die für das Arbeitsverhältnis mit der L. geltenden gesetzlichen und tariflichen Bes...