Entscheidungsstichwort (Thema)
BaTV-Klausel und Verbandsaustritt
Leitsatz (amtlich)
Die vertragliche Abrede, dass bestimmte Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden (BaTV-Klausel), haben die Parteien regelmäßig nicht mit der heimlichen Bedingung versehen, dass der Arbeitgeber Mitglied in dem Arbeitgeberverband ist/bleibt, der diese Tarifverträge schließt (Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 04.08.1999, 5 AZR 642/98, DB 99, 2474 = ZiP 99, 185). Daher lässt das Ausscheiden des Arbeitgebers aus dem Verband (Austritt, Tarif-/Branchenwechsel) die Geltung der BaTV-Klausel unberührt (Kammer-Urteil vom 04.02.1993, LAGE § 613 a BGB Nr. 29).
Normenkette
BGB § 133; TVG § 3
Verfahrensgang
ArbG Krefeld (Urteil vom 26.10.1999; Aktenzeichen 5 Ca 1929/99) |
Nachgehend
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Krefeld vom 26.10.1999 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger DM 1.130,96 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 12.10.1999 zu zahlen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger; die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte nach ihrem Verbandsaustritt aufgrund einer arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel die in einem späteren Tarifvertrag vereinbarten Pauschal- und Einmalbeträge schuldet.
Der Kläger, angelernter Maschineneinrichter, als Betriebsratsmitglied (Vorsitzender) seit 1976 freigestellt, ist seit 1964 bei der Beklagten, einem in V. ansässigen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, beschäftigt. Er ist Mitglied der IG Metall. Die Beklagte gehörte bis zu ihrem Verbandsaustritt am 23.02.1999 dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. an.
Am 01.01.1995 schlossen die Parteien einen von der Beklagten vorformulierten Anstellungsvertrag. Danach wurde der Kläger „als Mitarbeiter im Bereich Betriebsrat” ins Angestelltenverhältnis übernommen (§ 1) und nach Tarifgruppe M 3 eingestuft (§ 2). § 12 des Vertrages sieht den Schriftformzwang für Vertragsänderungen vor. § 9 bestimmt Folgendes:
Die jeweils geltenden Tarifverträge für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW's sind Inhalt dieses Arbeitsvertrages. Dies gilt auch für nachwirkende Tarifverträge.
Die Änderung von Einzelbestimmungen des Anstellungsvertrages durch Betriebsvereinbarung – auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers – bleibt vorbehalten.
Am 25.02.1999 schlossen die IG Metall und der Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. rückwirkend zum 01.01.1999 ein Gehaltsabkommen ab. Das Gehaltsabkommen sieht – neben einer Lohnerhöhung von 3,2 % – für die Monate Januar und Februar einen Pauschalbetrag von DM 350,00 (§ 4) und für das Jahr 1999 einen im April und September auszahlbaren Einmalbetrag (§ 5) vor, der für den – inzwischen nach Gruppe M 4 vergüteten – Kläger DM 780,96 betragen würde.
Mit der vor dem Arbeitsgericht Krefeld erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von DM 1.130,96 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag ab 12.10.1999 in Anspruch genommen. Durch Urteil vom 12.10.1999 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Kläger das Urteil an. Die Beklagte verteidigt das Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet. Die Beklagte schuldet nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Anstellungsvertrages die im Gehaltsabkommen vom 25.02.1999 festgelegten Pauschal- und Einmalbeträge und gemäß § 288, § 291 BGB die Verzinsung der Nettogeldschuld.
1. Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, fehlte es, nachdem die Beklagte am 23.02.1999 aus dem Arbeitgeberverband ausgeschieden war, an der beiderseitigen Tarifgebundenheit als Voraussetzung für die unmittelbare und zwingende Geltung des Gehaltsabkommens (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG). Die verlängerte Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 3 TVG) und die Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) erstrecken sich nicht auf neu abgeschlossene Tarifverträge.
2. Die Beklagte hat aufgrund arbeitsvertraglicher Verweisung die Leistungen nach dem Gehaltsabkommen zu gewähren.
a) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die im Arbeitsvertrag vereinbarte Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge (BaTV-Klausel) entfällt, wenn die bisherige Tarifgebundenheit des Arbeitgebers infolge Verbandsaustritts endet.
Nach verbreiteter Auffassung (BAG, Urteil vom 04.08.1999, 5 AZR 642/98, z.V.v., vgl. Löwisch/Rieble, FS-Schaub, S. 466 f.) will die BaTV-Klausel lediglich die fehlende Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der tarifschließenden Gewerkschaft ersetzen und seine Gleichstellung mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern bewirken. Sei der Arbeitgeber nicht (mehr) tarifgebunden, könne dieser Gleichstellungszweck nicht mehr erreicht werden; die Verweisungsklausel bleibe dann ohne materiel...