Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelvertraglicher Verzicht auf einen Teil einer Versorgungsanwartschaft und Mitbestimmung des Betriebsrats bei Entgeltregelungen
Leitsatz (amtlich)
1) Ein Arbeitnehmer kann im laufenden Arbeitsverhältnis auf eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft ganz oder teilweise wirksam verzichten (im Anschluß an BAG, Urteil vom 14.08.1993 – 3 AZR 301/89 – EzA BetrAVG § 17 Nr. 5).
2) Veranlaßt der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zu Verzichtserklärungen im Rahmen einer vertraglichen Einheitsregelung, sind im Zweifel die Grundsätze des § 315 BGB zu beachten.
3) Bei der vertraglichen Reduzierung unverfallbarer Versorgungsanwartschaften kommt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG in Betracht.
4) Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG wird auch durch eine Regelungsabrede gewahrt.
Die Regelungsabrede kann formlos, auch durch konkludente Erklärungen, getroffen werden (im Anschluß an BAG, Urteil vom 14.08.1990 – 3 AZR 301/89, EzA BetrAVG § 17 Nr. 5).
Der Betriebsrat kann das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG schließlich auch dadurch ausüben, daß er den Arbeitgeber ermächtigt, sich um Verzichtserklärungen der Arbeitnehmer zu bemühen.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 26.10.1994; Aktenzeichen 3 Ca 3703/94) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 26.10.1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 3 Ca 3703/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des betrieblichen Ruhegeldes, das der Beklagte bei Eintritt des Versorgungsfalles an den Kläger zu zahlen hat.
Der im Jahre 1947 geborene Kläger war seit dem 2.4.1962 bei der Firma … GmbH & Co. KG in Sprockhövel beschäftigt. Dort erwarb er nach Maßgabe der Versorgungsbestimmungen der Firma … GmbH & Co. KG vom 11.11.1981 eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliches Ruhegeld. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich bei den Versorgungsbestimmungen um eine Betriebsvereinbarung oder um einseitig von der Arbeitgeberin in kraft gesetzte Versorgungsregelungen gehandelt hat.
1989 geriet die Firma … GmbH & Co. KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Ein Versuch des Unternehmens, den Beklagten nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 5 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung zur Übernahme der Versorgungslasten zu bewegen, scheiterte. Daraufhin entschloß sich das Unternehmen, die Versorgungslasten zu senken. Am 14.9.1989 schloß die Firma … GmbH & Co. KG mit dem Betriebsrat eine Betriebs Vereinbarung, nach der alle zum Stichtag 31.12.1988 noch verfallbaren Rentenanwartschaften auf die Hälfte des zugesagten Rentenanspruchs reduziert wurden. Der Kläger gehörte seinerzeit dem Betriebsrat an. Darüber hinaus bat die Firma … GmbH & Co. KG in Abteilungsversammlungen die ganz überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter mit unverfallbaren Versorgungsanwartschaften darum, auf 50 % der erworbenen Anwartschaft durch einzelvertragliche Vereinbarung zu verzichten. Unstreitig gingen nicht alle der angesprochenen Mitarbeiter auf den Wunsch der Arbeitgeberin ein. Nach Darstellung des Beklagten waren von 280 Arbeitnehmern 50 nicht bereit, auf ihre Anwartschaft zu verzichten, von den übrigen 230 Mitarbeiter verzichteten einige nicht auf 50 %, sondern nur auf 20 % der Anwartschaft.
Der Kläger unterzeichnete am 18.8.1989 eine Erklärung über sein Einverständnis damit, daß er seinen Beitrag zu den erforderlichen tiefgreifenden Sanierungsmaßnahmen auf dem Personal- und Sachkostensektor in der Weise leisten wolle, daß er unwiderruflich gegenüber der Firma … GmbH & Co. KG und gegenüber dem Pensionssicherungsverein auf seine Rentenleistungen in Höhe von 50 % verzichte. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 11 d.A. Bezug genommen. Die Arbeitgeberin teilte dem Kläger aufgrund des Verzichts später mit, daß er nach Erreichung des 65. Lebensjahres ein Ruhegeld in Höhe von DM 236,22 erhalten und daß dieses Ruhegeld keine weiteren Kürzungen mehr erfahren werde (Bl. 120 d.A.). Zwischen den Parteien besteht Uneinigkeit über die materiellrechtliche Wirksamkeit des Verzichts sowie darüber, ob im Zusammenhang mit der Verzichtsaktion Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzt wurden.
Am 25.11.1993 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Konkursverfahren eröffnet.
Mit seiner am 21.4.1994 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß der Beklagte bei Eintritt des Versorgungsfalles nicht nur ein um 50 % gekürztes, sondern ein ungeschmälertes betriebliches Ruhegeld im Gesamtbetrag von DM 472,44 je Monat an ihn zu zahlen habe. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, seine damalige Verzichtserklärung sei aus materiell-rechtlichen und kollektivrechtlichen Gesichtspunkten unwirksam.
Er hat beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger bei Eintritt eines Verso...