Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung des Erholungsurlaubs bei Elternzeit
Leitsatz (amtlich)
1. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, der dem Arbeitgeber die Kürzung des Erholungsurlaubs für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit gestattet, ist europarechtlich nicht zu beanstanden.
2. Der Arbeitgeber kann die Kürzungserklärung während und nach der Elternzeit abgeben, auch wenn das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden soll.
Normenkette
BEEG § 17 Abs. 1; BUrlG § 3 Abs. 1; BEEG § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; BUrlG § 5 Abs. 1 Buchst. c
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 27.02.2013; Aktenzeichen 12 Ca 4358/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.02.2013, Az. 12 Ca 4358/12, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.01.2013 als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 745,95 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.10.2012 zu zahlen. Im Übrigen bleibt das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin 92 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 8 %, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Klägerin im Termin vom 23.01.2013. Diese trägt die Klägerin.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2012.
Die 1980 geborene Klägerin war vom 01.07.2000 bis zum 15.06.2012 in der Rechtsanwaltskanzlei der Beklagten als Rechtsanwaltsfachangestellte zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt € 1.385,00 in der Fünf-Tage-Woche beschäftigt. Im Arbeitsvertrag haben die Parteien einen Jahresurlaub von 24 Werktagen gemäß Bundesurlaubsgesetz vereinbart.
Die Klägerin ist Mutter von zwei Kindern, die im Jahre 2006 und 2009 geboren sind. Sie nahm für ihr erstes Kind vom 20.01.2006 bis zum 20.01.2009 und für ihr zweites Kind vom 17.06.2009 bis zum 15.06.2012 jeweils Elternzeit in Anspruch.
Vom 21.01.2009 bis zum 31.03.2009 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Ab 11.05.2009 befand sie sich in Mutterschutz. Im Vorprozess (LAG Rheinland-Pfalz 8 Sa 226/10, ArbG Koblenz 8 Ca 594/98) stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten vom 25.02. zum 31.03.2009 und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Nach vergeblicher Geltendmachung mit Schreiben vom 02.10.2012 verlangte die Klägerin mit Klageschrift vom 28.10.2012 von den Beklagten als Gesamtschuldner die Abgeltung von 144 Urlaubstagen aus den Jahren 2006 bis 2012 (24 Tage x 6 Jahre) iHv. insgesamt € 9.204,92 brutto (€ 1.385,00 x 3 Mon. ./. 65 Tage x 144) nebst Verzugszinsen.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage mit Versäumnisurteil vom 23.01.2013 abgewiesen und dieses nach Einspruch der Klägerin mit Urteil vom 27.02.2013 aufrechterhalten. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, zwar sei während der Elternzeiten Erholungsurlaub entstanden. Der Urlaub sei von den Beklagten jedoch vollständig gekürzt worden. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG könne der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zustehe, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Der Arbeitgeber müsse die Kürzung nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt aussprechen, er könne die Erklärung vielmehr auch nach der Elternzeit, bspw. in der Klageerwiderung abgeben. Die Kürzungserklärung könne sich im Übrigen auch aus schlüssigem Verhalten des Arbeitgebers ergeben. Vorliegend sei von den Beklagten spätestens in ihrer Klageerwiderung und mit ihrem Klageabweisungsantrag deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass nach ihrer Ansicht ein Urlaubsanspruch aufgrund der Elternzeiten nicht bestehe, was im Ergebnis die vollständige Kürzung des Urlaubsanspruchs bedeute.
Das Urteil vom 27.02.2013 ist der Klägerin am 22.03.2013 zugestellt worden. Sie hat mit am 22.04.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 24.06.2013 verlängerten Begründungsfrist am 10.06.2013 begründet.
Sie macht geltend, der Arbeitgeber könne entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts im Zahlungsprozess keine Kürzungserklärung mehr abgeben, die sich auch schlüssig aus der Klageerwiderung und dem Klageabweisungsantrag ergeben könne, weil der Urlaubsabgeltungsanspruch aus § 17 Abs. 3 BEEG ansonsten stets leerlaufen würde. Zwar könne der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. 28.07.1992 - 9 AZR 340/91- [...]) die Erklärung, den Urlaub zu kürzen, ausdrücklich oder stillschweigend abgeben. Es reiche aus, dass er dem Arbeitnehmer nur den gekürzten Urlaub gewähre oder ihm erkennbar sei, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen wolle. Es müsse aber zumindest eine "Erklärung" abgegeben werden. Es sei nicht sachgerecht und auch vom Gesetzgeber so nicht gewoll...