Verfahrensgang
ArbG Saarbrücken (Entscheidung vom 30.09.1999; Aktenzeichen 1 (3) Ca 779/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 30.9.1999, Az.: 1 (3) Ca 779/99, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass der Klägerin aufgrund des Bescheides des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung vom 15.4.1997 ein jährlicher Zusatzurlaub in Höhe von 2,5 Arbeitstagen erstmals für das Jahr 1997 zusteht.
2. Aufgrund der unter Ziffer 1. getroffenen Feststellung wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem Jahr 1997 jährlich 2,5 Arbeitstage als Zusatzurlaub zu dem bereits bestehenden jährlichen Urlaubsanspruch zu gewähren.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 5/6, die Klägerin zu 1/6.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gewährung von Zusatzurlaub für„Leichtbehinderte” nach dem Saarländischen„Gesetz Nr. 186 betreffend Regelung des Zusatzurlaubs für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft” (zukünftig: Zusatzurlaubsgesetz ZUrlG) vom 22.6.1950 (Amtsbl. 1950, S. 759 ff.) i. d. F. v. 30.6.1951 (Amtsbl. 1951, S. 979 ff.) und vom 23.6.1999 (Amtsbl. 1999, S. 1263).
Die Klägerin ist seit August 1978 bei der Beklagten beschäftigt. Gemäß Bescheid des zuständigen Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung des Saarlandes vom 15.7.1997 (Bl. 4 d. A.) wurde die Klägerin unter Bezugnahme auf das Zusatzurlaubsgesetz aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens Kriegs- und Unfallbeschädigten gleichgestellt (§ 3 der Durchführungsbestimmungen). Der Grad der MdE wurde auf 30 % festgesetzt. In dem Bescheid heißt es ferner:„Sie haben somit Anspruch auf einen Zusatzurlaub von 3 Arbeitstagen (§ 1 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes). In der namentlichen Liste des anspruchsberechtigten Personenkreises werden Sie unter der Nr. 11725 geführt.”
Die Klägerin hat mehrfach den Zusatzurlaub gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Beklagte stellte zunächst eine Urlaubsgewährung bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Rechtsgültigkeit des Zusatzurlaubsgesetzes in einem anderen Rechtsstreit zurück. Am 27.5.1997 entschied das BAG – wie zuvor schon das LAG Saarland, U. v. 28.5.1996, Az. 3 Sa 12/96 = 2 Ca 90/95/ArbG Saarlouis) – dass das Gesetz weder wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist noch durch das Schwerbehindertengesetz verdrängt werde (Az. 9 AZR 84/96 in AP Nr. 3 zu § 1 ZUrlG = NZA 1998, 649 ff.).
Gegen die Entscheidung des BAG wurde Verfassungsbeschwerde erhoben. Mit Beschluss vom 12.3.1999 nahm das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung an (Bl. 28 – 30 d. A.). Die Verfassungsbeschwerde werfe weder Fragen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf noch sei ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt. Die Anwendung und Auslegung von § 1 II ZUrlG durch die angegriffene Entscheidung verstoße weder gegen Art. 3 Abs. 1 noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die landesgesetzliche Regelung sei insbesondere nicht zu unbestimmt.
Weiter heißt es in dem Beschluss:„Nicht geprüft hat die Kammer, ob das nur für die Privatwirtschaft geltende Gesetz gleichheitswidrig geworden ist, nachdem, wie von der Beschwerdeführerin dargelegt, die dem Saarländischen Zusatzurlaubsgesetz entsprechenden tarifvertraglichen oder tarifvertraglich in Bezug genommenen Regelungen für die im öffentlichen Dienst Beschäftigten mit Wirkung vom 1. Januar 1997 geändert worden sind und Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes Zusatzurlaub allenfalls noch im Rahmen tariflicher Nachwirkung zu gewähren ist. Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens war Zusatzurlaub zweier Behinderter für das Jahr 1995, also einem Zeitraum, in dem eine etwaige Ungleichbehandlung privater und öffentlicher Arbeitgeber noch nicht bestand.”
Diesen Hinweis hat die Beklagte zum Anlass genommen, die Verfassungsmäßigkeit des Zusatzurlaubs ab 1997 in Zweifel zu ziehen.
Die Urlaubsordnung für Beamte, Angestellte und Lohnempfänger des öffentlichen Dienstes vom 10.12.1948 gewährte allen Erwerbsbeschränkten ab einer MdE von 25 % den Zusatzurlaub (vgl. zuletzt Fassung v. 4.4.1995, § 12 II Ziff. 1 Urlaubsordnung).
Da der Gesetzgeber die in der Privatwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer den Beschäftigten im öffentlichen Dienst gleichstellen wollte, erließ er am 22.6.1950 das Zusatzurlaubsgesetz, allerdings nur für Kriegs- und Unfallbeschädigte. 1951 holte der saarländische Gesetzgeber die völlige Gleichstellung, d. h. mit allen Leichtbehinderten, nach.
Nachdem Mitte der 90er-Jahre über die Angemessenheit und Sinnhaftigkeit des Saarländischen Gesetzes über die Gewährung von Zusatzurlaub für Leichtbehinderte öffentlich gestritten wurde und die Rechtmäßigkeit des Gesetzes von den Gerichten überp...