Entscheidungsstichwort (Thema)
sonstiges Ausbildungsverhältnis. Umschulung. Rückzahlung von Ausbildungskosten. Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Ausbildungsverhältnis i. S. v. § 19 BBiG liegt nur vor, wenn bei typischer Betrachtung erstmals Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen vermittelt werden.
2. Ob ein das sonstige Ausbildungsverhältnis i. S. v. § 19 BBiG ausschließendes Arbeitsverhältnis vorliegt, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Aspekte des Einzelfalls nach dem Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses.
3. Ein sonstiges Ausbildungsverhältnis i. S. v. § 19 BBiG liegt nicht vor, wenn regelmäßig eine Vorausbildung oder berufliche Praxis der neuen Mitarbeiter gegeben ist und diese von Anfang neben der qualifizierten Ausbildung zum Versicherungsfachmann in ganz erheblichem Umfang leistungsorientiert Arbeitsleistungen erbringen und dafür eine ausgesprochen hohe Vergütung einschließlich Provisionszahlung beziehen. Eine Klausel zur Rückzahlung von Ausbildungskosten ist dann grundsätzlich zulässig.
Normenkette
BBiG §§ 19, 47
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 17.05.2000; Aktenzeichen 3 Ca 190 b/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 17.05.2000 wird wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 9.500,– (neuntausend-fünfhundert) nebst 7,6 % Zinsen p. a. hieraus seit dem 27.02.2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Berufungsklägerin trägt die Kosten der Berufung.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Ausbildungskosten, welche die Klägerin und Berufungsbeklagte (im folgenden „Klägerin”) für die Ausbildung der Beklagten und Berufungsklägerin (im folgenden „Beklagte”) zur Versicherungsfachfrau (BWV) aufgebracht hat. Ursprünglich waren Grund und Höhe des Rückzahlungsanspruches streitig, durch Tatsachenvergleich sind die Parteien im Termin der Berufungsverhandlung übereingekommen, dass 8/12 der seitens der Klägerin aufgebrachten Kosten der streitgegenständlichen Ausbildung DM 9.500,– betragen und dass Zinsen gegebenenfalls erst ab dem 27. Februar 2001 in Höhe von 7,6 % p. a. anfallen.
Die am 28. Juni 1966 geborene Beklagte hatte bereits vor Beginn eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien zwei Ausbildungen abgeschlossen und berufliche Praxis erworben.
Die Parteien schlossen einen Vertrag, welchem das Schreiben der Klägerin vom 14. März 1998 zugrunde lag. Auf die Anlage K 1 der Klagschrift vom 8. Februar 2000 (Bl. 12 ff. d. A.) sei verwiesen. Auszugsweise lautet das Schreiben wie folgt:
„Wir freuen uns, daß Sie für uns als Vertriebsassistent/in tätig werden wollen und sind bereit, mit Ihnen folgenden Vertrag zu schließen:
1. Beginn und Ende der Fachausbildung sowie Probezeit
Ihre Fachausbildung beginnt am 01.04.98 und dauert mindestens 12 Monate. Sie endet, ohne daß es einer vorherigen Kündigung bedarf, mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Möglichkeit besteht, die Prüfung zum Versicherungsfachmann/zur Versicherungsfachfrau (BWV) abzulegen, spätestens nach 15 Monaten, am 30.06.99.
Die ersten 6 Monate Ihrer Fachausbildung gelten als Probezeit. In dieser Zeit und bis zum Ablauf der Fachausbildung kann der Vertrag mit einer beiderseits verbindlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Schluß eines Kalendermonats gekündigt werden.
Sobald Sie Ihre Fachausbildung erfolgreich beendet und die Übernahmekriterien erfüllt haben, möchten wir Sie als hauptberuflichen Mitarbeiter im Außendienst übernehmen.
2. Inhalt der Fachausbildung
Ihre Fachausbildung wird im Bereich der Vertriebsdirektion Hamburg-Mitte durchgeführt.
Durch eine betriebsbezogene praktische Fachausbildung und Tätigkeit wollen wir Ihnen die Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die für eine erfolgreiche Außendiensttätigkeit erforderlich sind. Gleichzeitig werden Sie entsprechend den Ausbildungsrichtlinien auf die Prüfung zum Versicherungsfachmann/-frau (BWV) vorbereitet. Hierbei setzen wir voraus, daß Sie alle Ausbildungsmöglichkeiten wahrnehmen und an den Volksfürsorge-internen Qualifikationen teilnehmen. Wir erwarten, daß Sie durch Eigeninitiative zum Ausbildungserfolg beitragen.
Inhalt Ihrer Fachausbildung ist es auch, für alle von uns angebotenen und für unsere Kooperationspartner vertriebenen Produkte selbst und mit den Ihnen zugeordneten nebenberuflichen Mitarbeitern zu werben, bestandsfestes Geschäft zu vermitteln und Kunden zu betreuen, mit dem Ziel einer systematischen Bestandserhaltung bzw. -erweiterung. Sie haben Interessenten und Kunden bedarfsgerecht zu beraten.
Wir erwarten von Ihnen eine Produktion, die in den ersten 5 Monaten der Fachausbildung insgesamt 500 Nettowerteinheiten = NWE (Eigengeschäft und an nebenberufliche Mitarbeiter abgegebenes Geschäft) betragen soll. In den Folgemonaten ist eine kontinuierliche Produktionssteigerung erforderlich, so daß nach Ablauf von 12 Monaten Ihr...