Arbeitgeber muss den Zugang einer E-Mail beweisen
Tausende von E-Mails werden täglich im beruflichen Kontext verschickt. Wenn es um Fristen und deren rechtlichen Folgen bei Versäumnis geht, sollten Arbeitgeber nicht leichtfertig darauf vertrauen, dass eine E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Kommt es zu einem Rechtsstreit, muss der Absender beweisen, dass die Nachricht im Postfach des Mitarbeitenden gelandet ist. Diese Erfahrung musste der Arbeitgeber im vorliegenden Fall machen: Der Arbeitnehmer bestritt, die E-Mail mit einem Jobangebot rechtzeitig bekommen zu haben - nun muss er seine Ausbildungskosten nicht zurückzahlen. Was war passiert?
Der Fall: Jobangebot oder Verzicht auf Rückzahlung des Ausbildungsdarlehens
Im konkreten Fall war der Zeitpunkt des Jobangebots durch den Arbeitgeber entscheidend. Der Hintergrund: Der Arbeitgeber, eine Fluggesellschaft, hatte einem angehenden Piloten die Ausbildung innerhalb des Konzerns finanziert. In dem zugrunde liegenden Darlehensvertrag war geregelt, dass der Arbeitgeber auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, falls er dem Absolvent aus betrieblichen Gründen nicht innerhalb von fünf Jahren nach dem Ende der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.
Zugang: Arbeitsplatz per E-Mail rechtzeitig angeboten?
Der Arbeitgeber machte dem Arbeitnehmer ein Jobangebot per E-Mail. Über die Frage, wann diese beim Mitarbeiter zugegangen ist, kam es später zum Rechtsstreit. Laut Arbeitgeber schickte er die Mail am letzten Tag der Frist mit einem Beschäftigungsangebot als Anlage. Er verwies im Prozess auf sein Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt wurde und es keine Meldung der Unzustellbarkeit gegeben habe. Nach Aussage des Mitarbeiters ging die entsprechende E-Mail erst drei Tage später bei ihm ein.
Arbeitgeber verlangt Rückzahlung der Schulungskosten
Zunächst vereinbarten die Parteien jedoch ein Arbeitsverhältnis. Dann begann der Arbeitgeber monatlich 500 Euro als Darlehensrückzahlung einzubehalten. Hiergegen klagte der Pilot und forderte den kompletten Lohn. Der Arbeitgeber verweigerte dies. Er war überzeugt, dem Flugzeugführer den Arbeitsplatz aufgrund der E-Mail rechtzeitig angeboten zu haben. Daher sei die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung nicht eingetreten. Hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail berief er sich auf den Beweis des ersten Anscheins.
LAG Köln: Ohne Jobangebot keine Rückzahlungsverpflichtung
Das Arbeitsgericht Köln hatte der Lohnzahlungsklage des Arbeitnehmers stattgegeben. Auch die Berufung des Arbeitgebers vor dem Landesarbeitsgericht Köln blieb ohne Erfolg. Das Gericht stellte klar, dass den Absender einer E-Mail gem. § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist.
Vorliegend sei es dem Arbeitgeber nicht gelungen, den Zugang seiner E-Mail darzulegen und zu beweisen. Das Absenden der E-Mail allein begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Denn ob die Nachricht nach dem Versenden auch auf dem Empfängerserver eingeht, sei nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post sei es bei E-Mails technisch möglich, dass eine Nachricht nicht ankommt.
Um Zugang beweisen zu können: Lesebestätigung anfordern
Dieses Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Der Versender wähle die Art der Übermittlung der Willenserklärung und trage damit auch das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Die Tatsache, dass der Absender nach dem Versenden keine Meldung erhalten habe, dass die E-Mail unzustellbar war, reiche nicht für eine Beweiserleichterung. Anders sieht es bei einer Zugangsbestätigung aus, so der Hinweis des Gerichts. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, gebe es für Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.
Hinweis: LAG Köln, Urteil vom 11. Januar 2022, Az: 4 Sa 315/21
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