Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelzuständigkeit des Grundsicherungsträgers und der Bundesagentur für Arbeit bei der Eingliederung in Arbeit
Orientierungssatz
1. Der Hilfebedürftige des SGB II (juris Abk SGB 2) hat keinen Anspruch darauf, dass dem Grundsicherungsträger die Vermittlung in Arbeit untersagt wird, solange er einen unmittelbaren Anspruch auf Vermittlung gegen die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 35 SGB III (juris Abk SGB 2) hat. Aus § 22 Abs. 4 S. 5 SGB III (juris Abk SGB 3) folgt kein Vorrang der Vermittlungstätigkeit durch die Bundesagentur für Arbeit oder gar ein Ausschluss des Grundsicherungsträgers. Vielmehr besteht eine Doppelzuständigkeit.
2. Dass die dem Arbeitslosen bzw. erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zumutbaren Beschäftigungen in § 121 SGB III (juris Abk SGB 3) und § 10 SGB II (juris SGB 2) unterschiedlich geregelt sind, steht einer Doppelzuständigkeit nicht entgegen und verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.11.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, S. 927).
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zu Recht hat das SG einen Anordnungsanspruch verneint. Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass dem Antragsgegner die Vermittlung des Antragstellers in Arbeit untersagt wird, solange er einen unmittelbaren Anspruch auf Vermittlung gegen die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 35 SGB III hat. Aus § 22 Abs. 4 Satz 5 SGB III folgt kein Vorrang der Vermittlungstätigkeit durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) oder gar ein Ausschluss des SGB II-Leistungsträgers; vielmehr besteht in Übereinstimmung mit dem SG eine Doppelzuständigkeit. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Beschluss vom 24.11.2011 verwiesen, die sich der Senat nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragstellers im Beschwerdeverfahren gerechtfertigt. Weder liegt nach summarischer Prüfung die vom Antragsteller geltend gemachte Verletzung von einfachem Recht noch von Verfassungsrecht vor. § 22 Abs. 4 Satz 5 SGB III begründet keinen rechtlichen Anspruch auf alleinige Betreuung durch die BA. Zwar stellt die Vorschrift eine Ausnahme vom grundsätzlichen Vorrang der Eingliederungsleistungen nach dem SGB II für die sog. Aufstocker dar, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben (vgl. Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 4. Auflage 2011, § 16 Rn. 9). Diesem Personenkreis steht als SGB III-Leistung u.a. die Vermittlung gemäß § 35 SGB III zu. Mit § 22 Abs. 4 Satz 5 SGB II wird verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen, die daraus resultieren, dass über § 22 Abs. 4 SGB III der Umfang der von Versicherten durch eigene Beiträge mitfinanzierten Leistungen von einem Hilfebedarf abhängig gemacht wird, der durch ein nicht beitragsfinanziertes System definiert wird. Dadurch kann das Grundrecht auf Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) beeinträchtigt sein; es schützt auch Sozialleistungen, die von Versicherten wesentlich durch eigene Beiträge mitfinanziert worden und zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sind (Münder, a.a.O., § 16 Rn. 9). Aus Art. 14 GG kann der Antragsteller jedoch nicht herleiten, dass dem Antragsgegner eine Vermittlungstätigkeit trotz Leistungsgewährung nach dem SGB II versagt bleibt.
Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Grundgesetz ist ebenfalls nicht gegeben. In Übereinstimmung mit dem SG ist der Senat der Auffassung, dass der Antragsteller unter dem Gesichtspunkt der Eingli...