Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Abgrenzung zwischen Aufhebung nach § 48 SGB 10 und Rücknahme nach § 45 SGB 10. unsichere Tatsachengrundlage. spätere Einkünfte bei absehbar schwankenden Einkommensverhältnissen. Erfordernis einer klaren und bestimmten Anordnung der Vorläufigkeit. Verfügungssatz. Auslegung. endgültiger Bewilligungsbescheid. Umdeutung
Leitsatz (amtlich)
1. Bewilligt die Behörde endgültige Leistungen, obwohl das anzurechnende Einkommen noch nicht abschließend ermittelbar ist, kommt eine Leistungsaufhebung allein auf der Grundlage von § 45 SGB 10, nicht jedoch auf der Grundlage von § 48 SGB 10 in Betracht (Anschluss an BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R).
2. Der Umdeutung einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB 10 in eine Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB 10 steht im Rahmen des Kinderzuschlagsrechts die Regelung des § 43 Abs 3 SGB 10 entgegen, weil mangels anderweitiger Rechtsgrundlage bzw entsprechender Verweisungsnorm im BKGG die Rücknahme der Bewilligung nach § 45 SGB 10 die Ausübung von Ermessen voraussetzt.
Orientierungssatz
Steht in der Begründung des Bewilligungsbescheids, dass eine endgültige Entscheidung erfolge, sobald das erzielte Einkommen feststehe, folgt hieraus noch keine Anordnung der Vorläufigkeit. Eine solche muss hinreichend klar und bestimmt erfolgen und sich insbesondere aus dem Verfügungssatz ergeben.
Tenor
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12.04.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.07.2010, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2010 und in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.08.2011 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung eines Kinderzuschlages nebst Erstattungsforderung.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 06.10.2009 die Bewilligung eines Kinderzuschlages. Sie fügte eine Bescheinigung über das Einkommen ihres Ehemannes bei, wonach dieses für die zweite Hälfte des Juni 2009 brutto 898,58 Euro, für Juli 2009 brutto 1.692,00 Euro und für August 2009 brutto 1.552,50 Euro betragen habe. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 09.10.2009 einen Kinderzuschlag ab Oktober 2009 bis März “2009„ von monatlich 240,00 Euro. Der Bescheid beinhaltet unter anderem folgenden Absatz: “Sobald feststeht, welches Einkommen im oben genannten Bewilligungsabschnitt tatsächlich erzielt worden ist, wird über die Höhe des zustehenden Kinderzuschlages endgültig entschieden. Die endgültige Entscheidung kann zu einer vollständigen oder teilweisen Rückforderung des gezahlten Kinderzuschlages führen.„
Nach Mitteilung des ab Oktober 2009 erzielten Einkommens des Ehemannes der Klägerin hob die Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.04.2010 unter Verweis auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X die Leistungsbewilligung für die Zeit von Oktober 2009 bis Januar 2010 teilweise in Höhe von 540,00 Euro und für Februar 2010 und März 2010 jeweils vollständig in Höhe von monatlich 240,00 Euro auf und forderte die Erstattung von insgesamt 1.040,00 Euro. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.04.2010 Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 27.07.2010 teilte die Beklagte mit, dass eine Erstattung in Höhe von 560,00 Euro für die Zeit von Oktober 2009 bis Januar 2010 durch die Klägerin nicht zu leisten sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Übrigen als unbegründet zurück.
Mit ihrer am 13.08.2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, die Aufhebungsentscheidung und darauf fußend die Erstattungsforderung seien zu beanstanden.
Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 10.08.2011 erklärt, der für Februar 2010 gezahlte Kinderzuschlag von 240,00 Euro sei durch die Klägerin nicht zu erstatten.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12.04.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.07.2010, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2010 und in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.08.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die streitigen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Das Einkommen des Ehemannes der Klägerin sei darin zutreffend berücksichtigt worden. Auch habe die Leistungsaufhebung auf der Grundlage des § 48 SGB X und nicht unter Beachtung von § 45 SGB X zu erfolgen, weil das Einkommen nachträglich erzielt worden und es im Zeitpunkt des Bescheiderlasses der Beklagten noch nicht bekannt gewesen sei. Auf die Pflicht zur Erstattung für den Fall nachträglichen Einkommens sei im Leistungsbescheid hingewiesen worden. Jedenfalls für März 2010 habe wegen Nichterreichens der Mindesteinkommensgrenze die Leistungsaufhebung zu erfolgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt d...