In Satz 2 der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 27 TVöD-B bzw. TVöD-K (Zusatzurlaub) ist klargestellt, dass Unterbrechungen durch Arbeitsbefreiung, Freizeitausgleich, bezahlten Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit in den Grenzen der Entgeltfortzahlung nach § 22 unschädlich sind, und damit auch bei solchen Unterbrechungen der tatsächlich geleisteten Schichtarbeit noch "ständige Wechselschichtarbeit" vorliegt. Zunächst war fraglich, ob diese Regelung nur hinsichtlich des Anspruchs auf Zusatzurlaub Wirkung entfaltet oder auch für den Anspruch auf die Wechselschichtzulage nach § 8 gilt. Zu der bis 30.9.2005 gültigen Tarifregelung in § 33a BAT hatte das BAG noch entschieden, dass es unschädlich sei, wenn die/der Beschäftigte die Früh- oder Spätschicht wegen Urlaub oder Krankheit nicht geleistet hat. Die Nachtschichtstunden mussten nach BAT jedoch tatsächlich geleistet sein.
Das BAG hatte in seinem Urteil vom 24.9.2008 im Rahmen eines sog. obiter dictum [lat. nebenbei Gesagten] diesbezüglich eine Rechtsprechungsänderung angedeutet. § 8 Abs. 5 TVöD enthalte einen von § 33a BAT abweichenden Wortlaut und verlange insgesamt die "Leistung" der Wechselschichtarbeit. Es spreche viel dafür, dass die Entscheidung, wonach der Ausfall einer Schicht wegen Urlaub oder Krankheit für den Anspruch auf Wechselschichtzulage unschädlich sei, "nicht mehr so ergehen" könne.
In der Folge hatten mehrere Landesarbeitsgerichte einen Anspruch auf Weiterzahlung der Schichtzulage während des Urlaubs abgelehnt. Voraussetzung für die Schichtzulage sei, dass der Mitarbeiter während der fraglichen Zeit tatsächlich im Schichtdienst arbeite. Die Schichtzulage sei eine Entschädigung für Störungen im Lebensrhythmus eines Beschäftigten. Während des Urlaubs bestehe diese besondere Belastung jedoch nicht, sodass für eine Weiterzahlung keine Veranlassung bestehe.
Mit Urteil vom 24.3.2010 hat das BAG – im Gegensatz zur Vorinstanz – entschieden, dass die Zulage für ständige Wechselschicht auch zu zahlen ist, wenn die für den Zulagenanspruch geforderten Schichten nur wegen Urlaub oder aus anderen in § 21 TVöD genannten Gründen nicht geleistet werden.
Damit besteht Anspruch auf die Wechselschichtzulage auch dann, wenn die geforderte Schichtart (Früh-, Spät- oder die beiden Nachtschichten) wegen
- Urlaub, Zusatzurlaub
- Arbeitsunfähigkeit während des Entgeltfortzahlungszeitraums bis zu 6 Wochen nach § 22 Abs. 1
- Arbeitsbefreiung aus persönlichen Gründen nach § 29
- Freistellung am 24. und 31. Dezember
nicht geleistet wurden.
Entscheidend ist, ob der Beschäftigte ohne die Arbeitsbefreiung die geforderten Schichten geleistet hätte. Es gilt das sog. Entgeltausfallprinzip. Der Beschäftigte erhält das Tabellenentgelt und die Zulagen, die ohne die Freistellung zu zahlen wären.
Den tariflichen Regelungen im TVöD lässt sich nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit ein Abweichen von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) oder des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) zulasten der Beschäftigten entnehmen. Die Rechtslage hat sich insoweit gegenüber der früheren tariflichen Regelung des BAT verändert. Ständige Wechselschicht-/Schichtarbeit wirkt erheblich auf den Lebensrhythmus des Beschäftigten ein. Diese Erschwernisse kommen – so die Auffassung des BAG – bei ständig Wechselschichtarbeit/ständig Schichtarbeit Leistenden auch dann "auf Dauer" in Betracht, wenn die Arbeit allein aufgrund von Urlaub, Krankheit etc. vorübergehend nicht erbracht wird. Diese Belastung wird durch die monatliche Zulage ausgeglichen.
Eine Pflegekraft ist in Wechselschicht tätig. Von Mitte August bis Mitte September befindet sich der Beschäftigte in Erholungsurlaub, sodass er erst nach mehr als einem Monat wieder Nachtschichten leistet. Die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD-B, wonach der Beschäftigte "längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu 2 Nachtschichten herangezogen" werden muss, ist nicht erfüllt.
Dennoch besteht Anspruch auf Wechselschichtzulage, wenn der Beschäftigte ohne die urlaubsbedingte Freistellung spätestens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens 2 Nachtschichten herangezogen worden wäre.
In der Praxis müssen aufgrund dieser Entscheidung die Beschäftigten auch bei einer bekannten, längeren Abwesenheitszeit wegen Urlaub oder Krankheit fiktiv in den Dienstplan eingeteilt werden. Nur so kann festgestellt werden, wie der Beschäftigte ohne den Urlaub oder die Krankheit gearbeitet hätte.
Es muss sich
- entweder aus einer generellen Schichtplanung ergeben, in welchem Rhythmus die Beschäftigten in den jeweiligen Schichten eingesetzt werden, sodass eine verlässliche Prognose für Urlaubs-/Krankheitsausfälle anhand der generellen Schichtplanung möglich ist,
- oder der Beschäftigte muss im konkreten Schichtplan "geplant" werden, auch wenn die Ausfallzeit aufgrund Urlaub oder Krankheit bekannt ist.
Entfällt die geplante Schicht aus anderen als den in § 21 TVöD genannten Gründen, z. B. wegen Arbeitsunfähigkeit ab der siebten Krankheitswoche oder Sonde...