BVerfG, Beschluss vom 16.10.2018, 2 BvL 2/17
Leitsätze (amtlich)
Auch das besondere Treueverhältnis verpflichtet Beamte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen. Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen kann zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen nur in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme ausweislich einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung ist. Vor dem Hintergrund der Wertungen des Art. 3 Abs. 1 GG ist das notwendige Sparvolumen dabei gleichheitsgerecht zu erwirtschaften.
Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Diese treten als "2. Säule" des Alimentationsprinzips neben seine auf eine Evidenzkontrolle beschränkte materielle Dimension und dienen seiner Flankierung, Absicherung und Verstärkung.
Trifft der Gesetzgeber zur Reduzierung der Staatsausgaben mehrere Maßnahmen in engem zeitlichem Zusammenhang, hat er sich mit den hieraus folgenden Gesamtwirkungen für die Beamtinnen und Beamten auseinanderzusetzen. Insofern ergänzen die prozeduralen Anforderungen die Vorgaben hinsichtlich eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung.
Sachverhalt
Durch § 23 Abs. 1 LBesGBW (Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg) vom 9.11.2010 in der Fassung des Art. 5 Nr. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/14 vom 18.12.2012 wurden zwischen dem 1.1.2013 und dem 31.12.2017 unter anderem bei Richtern mit Anspruch auf Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe R 1 das Grundgehalt und etwaige Amtszulagen für die Dauer von 3 Jahren nach Entstehen des Anspruchs um 8 % abgesenkt.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens, der seit dem Jahr 2013 – zunächst als Staatsanwalt, später als Richter – im Dienst des Landes Baden-Württemberg tätig war, erhielt auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 LBesGBW für 3 Jahre eine um 8 % reduzierte Besoldung nach der Besoldungsgruppe R 1. Dagegen erhob er Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe. Er klagte auf die rückwirkende Zahlung der vollen, sich aus der Besoldungstabelle ergebenden Besoldung, hilfsweise auf Feststellung, dass die Absenkung seiner Besoldung mit Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 3 GG unvereinbar war.
Das Verwaltungsgericht setzte das Ausgangsverfahren aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob § 23 Abs. 1 LBesGBW in der entscheidungserheblichen Fassung mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist.
Die Entscheidung
Das BVerfG entschied, dass § 23 LBesGBW gegen Art. 33 Abs. 5 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
Das Gericht führte hierzu aus, dass die Regelung von der aus dem Alimentationsprinzip hergeleiteten Maßgabe abweiche, wonach die Besoldungshöhe nach innerdienstlichen, unmittelbar amtsbezogenen Kriterien zu bemessen sei. Maßgeblich für die Anwendbarkeit der Vorschrift sei allein der erstmalige Eintritt in den baden-württembergischen Landesdienst, wovon somit auch Beamte und Richter betroffen seien, die vom Bund oder einem anderen Land nach Baden-Württemberg wechselten. Dies habe zur Folge, dass der Landesgesetzgeber diesen Personen für die Dauer von bis zu 3 Jahren nicht die Besoldung zukommen lasse, die er selbst durch die Festschreibung in der Besoldungstabelle als für das jeweilige Amt angemessen erachtet hat. Die Vorschrift verstoße zudem gegen das Gebot der Besoldungsgleichheit gemäß Art. 33 Abs. 5 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gericht führte hierzu aus, dass die Ungleichbehandlung darin begründet liege, dass die Absenkungsmaßnahme nur einen Teil der Beamten- und Richterschaft treffe; denn von der Regelung ausgenommen seien z. B. die Besoldungsgruppen bis einschließlich A 8, die Beförderungsämter in den höheren Besoldungsgruppen sowie die Besoldungsgruppen ab R 2 bzw. W 2.
Diese Beeinträchtigungen können nach Auffassung des BVerfG auch nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden; denn zum einen trage das im Gesetzgebungsverfahren angeführte Ziel der Haushaltskonsolidierung die Vorschrift nicht, da ein schlüssiges und umfassendes Konzept der Haushaltskonsolidierung, welches notwendige Voraussetzung für die Belastung der Beamten- und Richterschaft mit Sparmaßnahmen sei, hier fehle. Auch die geringe Berufserfahrung der von der Norm Betroffenen rechtfertige die Regelung nicht, da die Berufserfahrung der Beamten und Richter der Landesgesetzgeber bereits durch die Einführung der Besoldungsbemessung nach Erfahrungsstufen berücksichtigt habe. Auch eine Rechtfertigung der Belastung nur eines Teils der Beamten- und Richterschaft aus sozialen Gesichtspunkten scheide aus, da mit den Besoldungsgruppen ab R 2 und W 2 gerade solche Besoldungsempfänger von der Regelung ausgeschlossen seien, denen ein höheres Gehalt als den Betroffenen zustehe. Soweit Besoldungsgruppen mit niedrigerem Einkommen aus dem Anwendungsbereich der Norm herausgenommen...