Einzige Voraussetzung um den Beschäftigten im laufenden Arbeitsverhältnis nach § 3 Abs. 4 TVöD / § 3 Abs. 5 TV-L wirksam zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung und damit auch zur Teilnahme an einer ärztlichen Untersuchung zu verpflichten ist das Vorliegen einer begründeten Veranlassung seitens des Arbeitgebers.
Das bedeutet, der Arbeitgeber darf eine ärztliche Untersuchung nur anordnen, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass der Beschäftigte in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Dafür bedarf es objektiver Umstände, die bei vernünftiger und lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, dass der Beschäftigte aufgrund von körperlichen oder seelischen Leiden nicht in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen.
Entsprechende Anhaltspunkte können sich etwa aus einer arbeitsmedizinischen Untersuchung nach der ArbMedVV, hohen Krankheitszeiten oder Minderleistungen des Beschäftigten ergeben.
Ein Busfahrer, erscheint nach längerer Erkrankung wieder zur Arbeit. Aufgrund seines Verhaltens und mehreren Verkehrsverstößen hegt der Arbeitgeber Zweifel daran, dass der Beschäftigte in der Lage ist, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen.
Ein Musiker in einem Orchester legt seinem Arbeitgeber eine Bescheinigung seines Hals-Nasen-Ohren-Arztes vor, aus der hervorgeht, dass beim Beschäftigten eine Empfindlichkeit gegen künstlichen Bühnennebel besteht. Für den Arbeitgeber begründet dies Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten, daher möchte er eine amtsärztliche Untersuchung anordnen.
Ein Beschäftigter hat wegen der gesundheitlichen Folgen eines Verkehrsunfalls einen Verwaltungslehrgang abbrechen müssen. Er beantragt kurz darauf seine erneute Teilnahme. Es bestehen seitens des Arbeitgebers Zweifel, ob der Beschäftigte den gesundheitlichen Anforderungen gewachsen ist.
Bei einer arbeitsmedizinischen Untersuchung über die Geeignetheit des bisherigen Arbeitsplatzes äußert der Arzt gesundheitliche Bedenken gegen die Weiterbeschäftigung eines Buchbinders mit starker Sehbehinderung am bisherigen Arbeitsplatz. Daraufhin möchte der Arbeitgeber, dass sich der Beschäftigte einer ärztlichen Untersuchung unterzieht.
Der Tarifwortlaut verlangt das Vorliegen einer begründeten Veranlassung für die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Arbeitgeber von dieser Befugnis nicht willkürlich Gebrauch machen darf. Der Arbeitgeber darf daher auch keine routinemäßigen Untersuchungen oder anlasslosen Untersuchungen z. B. auf das Vorliegen einer Alkohol- oder Drogensucht anordnen. So ist der Arbeitgeber z. B. auch nicht befugt, Kraftfahrer regelmäßig und ohne besonderen Anlass psychologisch bei einer medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle auf ihre Fahrtauglichkeit untersuchen zu lassen. Wohl aber, wenn der Kraftfahrer zuvor durch verkehrswidriges Verhalten Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung gegeben hat.
Sahen die früheren Regelungen noch vor, dass der Arbeitgeber von bestimmten Beschäftigten (z. B. Beschäftigte mit gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten) ärztliche Untersuchungen in regelmäßigen Abständen verlangen konnte (vgl. § 7 Abs. 3 BAT), fehlt es an einer entsprechenden Regelung im TVöD / TV-L. Eine ärztliche Untersuchung kann daher vom Arbeitgeber auch bei diesen Beschäftigten nur noch bei begründeter Veranlassung verlangt werden. Jedoch können sich für diese Beschäftigten aus anderen Rechtsvorschriften Pflichten zur Teilnahme an ärztlichen Untersuchungen ergeben.
Der Arbeitgeber kann auch schwerbehinderte Beschäftigte beim Vorliegen einer begründeten Veranlassung zur Teilnahme an einer ärztlichen Untersuchung verpflichten. Eine Schwerbehinderung eines Beschäftigten steht der Befugnis des Arbeitgebers nicht entgegen.
Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Arbeitgebers, kann der Beschäftigte diese gerichtlich überprüfen lassen.