Ob nun die handels- oder die steuerrechtliche Betrachtung der zugrunde liegenden Sache gerechter wird, hängt z.B. davon ab, ob der Arbeitnehmer (oder seine Erben) bereits am Beginn der Altersteilzeit einen Anspruch auf Auszahlung aller Aufstockungsbeträge erwirbt, auch wenn er im Laufe der 5 Jahre beispielsweise stirbt oder schon in der Arbeitsphase vom Vertrag zurücktreten sollte.
Klar ist jedenfalls, dass eine handelsrechtlich gebildete Rückstellung steuerrechtlich wohl nur dann im Rahmen der Maßgeblichkeit anerkannt wird, wenn im Zeitpunkt der Bildung mit der Inanspruchnahme der Verpflichtung in der angenommenen Höhe ernsthaft zu rechnen ist. Soweit in der Folgezeit nach Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung Störungen auftreten können, die zum Ausschluss des Anspruchs führen können, steht die steuerrechtliche Anerkennung grundsätzlich in Frage, weil nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG und Abschn. 38 Abs. 2 EStR Rückstellungen durch jährliche Zuführungen zu bilden sind, wenn der laufende Betrieb des Unternehmens im wirtschaftlichen Sinne ursächlich für die Entstehung der Verpflichtung ist. Die handelsrechtlich in einem Betrag gebildete Rückstellung für die Aufstockungszahlungen könnte steuerrechtlich nur in Höhe einer kontinuierlich angesammelten Rückstellung über die Arbeitsphase hinweg anerkannt werden, wenn Zweifel an der einmaligen wirtschaftlichen Verursachung in voller Höhe zu Beginn der Altersteilzeit bestehen.
Die Frage lautet also, ob die Finanzverwaltung eine volle Rückstellung für die Aufstockungsbeträge anerkennen würde, weil ihnen ein besonderer Charakter im Sinne einer Abfindung zukommt. Nach dem Wortlaut des Altersteilzeitgesetzes (ATZG) ist dies zumindest fraglich. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATZG hat der Arbeitgeber Anspruch auf Erstattungsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit nach § 4 ATZG, wenn er "das Arbeitsentgelt" für die Altersteilzeit um mindestens 20 v. H. dieses Arbeitsentgelts aufgestockt hat. Danach wären die Aufstockungsleistungen eindeutig Bestandteil des zu zahlenden Arbeitsentgeltes und keine gesondert zu beurteilende Abfindung.
Eine Abfindung ist nach allgemeiner Anschauung eine einmalige Geldentschädigung zur Abgeltung von Rechtsansprüchen. Abschnitt 9 Abs. 1 Satz 1 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) definiert Abfindungen als Leistungen, die der Arbeitnehmer als Ausgleich für die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenen Nachteile, insbesondere für den Verlust des Arbeitsplatzes, erhält. Diese Leistungen sind für den Arbeitnehmer nach § 3 Nr. 9 EStG nur steuerfrei, wenn der Arbeitgeber die Auflösung veranlasst hat. Nach Abs. 2 Satz 1 ist die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst, wenn dieser die entscheidenden Ursachen für die Auflösung gesetzt hat. Da Altersteilzeitvereinbarungen - durch die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit erleichtert - im gegenseitigen Einvernehmen – erfolgen, kann grundsätzlich nicht von einer einseitigen Veranlassung durch den Arbeitgeber ausgegangen werden. Die Ausnahme von dieser grundsätzlichen Betrachtung enthält Abschn. 9 Abs. 2 Satz 4, wonach bei Altersteilzeitmodellen die Auflösung des Dienstverhältnisses nicht vom Arbeitgeber veranlasst ist, wenn die Altersteilzeit bis zum 65. Lebensjahr andauert. Ein weiterer Hinweis darauf, dass im Steuerrecht die Aufstockungsbeträge nach dem ATZG keinen Abfindungscharakter haben, ergibt sich aus der Tatsache, dass sie im Einkommensteuergesetz nicht unter § 3 Nr. 9, sondern unter Nr. 28 fallen. Entsprechend beschäftigt sich nicht Abschn. 9 LStR, sondern Abschn. 18 LStR mit den Aufstockungszahlungen.
Für eine steuerrechtliche Beurteilung bilden sich 2 Fallgruppen heraus:
- Die Altersteilzeit dauert nicht bis zum 65. Lebensjahr. Der Arbeitgeber hat die Auflösung des Dienstverhältnisses in diesem Fall aus steuerlicher Sicht veranlasst. Hier können die Aufstockungsleistungen Abfindungscharakter haben, obwohl sie nicht einmalig, sondern kontinuierlich bezahlt werden. Allerdings spricht hier die grundsätzliche Überlegung gegen einen Abfindungscharakter, weil die Aufstockungsbeträge nach dem ATZG nicht den (teilweisen) "Verlust" des Arbeitsplatzes entschädigen sollen. Der Arbeitnehmer verliert den Arbeitsplatz nicht gegen seinen Willen, sondern gibt ihn – auch im Hinblick auf die Förderung durch die Bundesanstalt für Arbeit – freiwillig auf.
- Die Altersteilzeit dauert bis zum 65. Lebensjahr. In diesem Fall gehen die Lohnsteuerrichtlinien nicht von einer Verursachung durch den Arbeitgeber aus, weshalb die Aufstockungszahlungen keinen Abfindungscharakter haben. Sie dienen vielmehr dem Zweck, älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1 ATZG). In diesem Fall kann von einer steuerlichen Anerkennung der vollen Rückstellung zu Beginn der Altersteilzeit nicht ausgegangen werden.