2.5.1 Zulässige Bevorzugung diskriminierter Gruppen
Eine Ungleichbehandlung ist nach § 5 AGG zulässig, wenn dadurch tatsächliche Nachteile wegen eines im Gesetz genannten Diskriminierungsgrundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen. Dies erfordert gezielte Maßnahmen zur Förderung bisher benachteiligter Gruppen nicht nur durch den Gesetzgeber (wie etwa im BehindertengleichstellungsG und GleichstellungsdurchsetzungsG), sondern auch durch Arbeitgeber, Tarifvertrags- und Betriebspartner. Die Vorschrift lässt Maßnahmen zur Behebung bestehender Nachteile ebenso zu wie präventive Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Nachteile.
Die Grenzen von Positivmaßnahmen dürften mit der EuGH-Rechtsprechung zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst gezogen sein (siehe Stichwort Gleichstellung).
In Betracht kommen hier u. a. Maßnahmen zur Beseitigung tatsächlicher Chancenungleichheiten (z. B. Förderungen, um Familien und Beruf besser zu vereinbaren). Daneben sind auch öffentlich-rechtliche Quotenregelungen zulässig, die in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, Bewerberinnen mit gleicher Qualifikation wie Bewerber einen Vorrang einräumt, soweit dies zur Erfüllung der Vorgaben eines Frauenförderplans erforderlich ist und keine Gründe von größerem Gewicht entgegenstehen. Erlaubt sind jedoch nur "weiche Quotenregelungen", bei denen eine weibliche Bewerberin sich bei gleicher Eignung aufgrund objektiver Auswahlverfahren gegenüber dem männlichen Bewerber durchsetzen kann. Sog. harte Quoten, bei denen zwangsläufig der weiblichen Bewerberin bei gleicher Eignung der Vorzug gegeben wird, sind unzulässig.
§ 5 AGG erlaubt u. a. auch die Förderung behinderter Menschen. Insoweit können hier die sich für den Arbeitgeber bereits aus § 164 (§ 81 a. F.) SGB IX ergebenden Pflichten beispielhaft herangezogen werden. In Betracht kommen hier u. a. entsprechende Gestaltung bzw. Anpassung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsgeräte, Arbeitsrhythmus, Aufgabenverteilung, Weiterbildungsmaßnahmen etc.
2.5.2 Zulässige Ungleichbehandlung wegen beruflicher Anforderungen
Das AGG regelt in § 8, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen berufliche Anforderungen eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Der Hauptanwendungsbereich wird bei Fällen der unmittelbaren Benachteiligung liegen. Bei der mittelbaren Benachteiligung zählt die Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund bereits zu den tatbestandlichen Voraussetzungen; bei einer Belästigung oder sexuellen Belästigung kommt eine Rechtfertigung regelmäßig nicht in Betracht.
Eine unterschiedliche Behandlung wegen der im Gesetz genannten Gründe ist nur zulässig,
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wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
Eine Ungleichbehandlung kann also nicht durch Erwägungen der bloßen Zweckmäßigkeit zulässig werden. Vielmehr muss die an den Beschäftigten gestellte Anforderung erforderlich sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen beruflichem Zweck und Schutz vor Benachteiligung standhalten. Im Grunde ist eine Differenzierung dann nach § 8 Abs. 1 AGG nur zulässig, wenn ansonsten die Tätigkeit nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könnte ("wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung"). Aus dem Wortlaut ergibt sich somit eine Erheblichkeitsschwelle für eine gerechtfertigte Differenzierung.
Ein unternehmerisches Konzept kann hierbei nur in engen Grenzen eine Ungleichbehandlung wegen § 8 AGG rechtfertigen. Auch wenn die Marktausrichtung an sich ohne Bindungen an das AGG erfolgt, kann der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres nur Arbeitnehmer auswählen, mit denen er sein Konzept am leichtesten verwirklichen kann; es muss sich immer um eine wesentliche und entscheidende Anforderung an die Arbeitnehmer handeln, d. h. für den Erfolg des Unternehmens erweislich entscheidend sein. Z. B. kann eine nur an Frauen gerichtete Stellenanzeige gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber (hier ein Autohaus) das legitime Ziel verfolgt, seinen Kunden Verkaufsberater beiderlei Geschlechts zur Verfügung zu stellen. Im zugrunde liegenden Fall hatte das Autohaus einen nicht unerheblichen Anteil (25-30 %) weiblicher Kunden, die sich selbst bereits nach einer Verkäuferin erkundigt hatten; zudem führte es bestimmte Einstiegsmodelle, die bei Frauen besonders gefragt waren.
Gerechtfertigt sind Differenzierungen u. a. bei rechtlichem (aufgrund gesetzlicher Beschäftigungsverbote) oder tatsächlichem Unvermögen, die Arbeit zu erbringen ("Authentizität" bei der Besetzung von Theater-, Filmrollen; Einstellung eines Chinesen im Chinarestaurant, Profisportler [Frauen-, Männerfußball] etc.).
In diesem Zusammenhang war die Klage eines abgelehnten Bewerbers abgewiesen worden, der sich auf eine Anzeige eines Mä...