Auch die Nichtberücksichtigung eines Bewerbers bei den Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch kann i. S. d. Vermutungsregelung des § 22 AGG ein Umstand sein, der dazu führt, dass die Beweislast "umschlägt" und der Arbeitgeber bei der Nichteinstellung eines Bewerbers die Beweislast dafür trägt, dass diese Benachteiligung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt oder zumindest solchen Gründen erfolgt ist, die nichts mit den diskriminierungsgeschützten Merkmalen des § 1 AGG zu tun haben. Die Nichtberücksichtigung bei der Einladung führt auch unweigerlich zur Nichtberücksichtigung bei der späteren Einstellung. Allerdings setzt eine Diskriminierung immer voraus, dass im Zeitpunkt der Bewerbung die Stelle noch nicht besetzt war. Bei Bewerbungen nach bereits erfolgter Stellenbesetzung scheidet eine Benachteiligung von vornherein aus; jede Person in der Lage des Bewerbers würde hier, unabhängig vom Vorliegen etwaiger Diskriminierungsmerkmale, abgelehnt werden.[1]

Die Auswahl der Bewerber, die zum Bewerbungs-/Vorstellungsgespräch eingeladen werden, sollte sich zunächst anhand des in der Stellenausschreibung geschilderten Stellenprofils und den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Bewerber orientieren; denn soweit ein Bewerber für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet ist, scheidet eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Alters i. S. d. §§ 1, 7 AGG aus, auch wenn ihn der Arbeitgeber nicht zu einem Vorstellungsgespräch einlädt.[2] Maßgeblich für die Beurteilung der objektiven Eignung sind nach dem Urteil des BAG nicht nur das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung, sondern die Stellenanforderungen, die ein redlicher Arbeitgeber an einen Bewerber stellen würde und die sachlich nachvollziehbar sind.[3] Im Zusammenhang mit der Gewinnung von Führungsnachwuchs und der Besetzung von Führungsstellen ist insbesondere die Forderung einer Mindestnote oder besonderer Qualifikationen zulässig. Im vorliegenden Fall verfügte der Kläger bspw. über keinen überdurchschnittlich guten Studienabschluss, sondern allenfalls über ein durchschnittliches Examen, was nicht ausreichend war. Dass der Arbeitgeber hiervon wegen unvollständiger Bewerbungsunterlagen keine Kenntnis hatte, hielt das BAG für unschädlich, da es nicht auf eine etwaige unredliche Gesinnung des Arbeitgebers ankommt. Deshalb steht dem abgelehnten, objektiv ungeeigneten Bewerber auch dann kein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu, wenn er unvollständige Bewerbungsunterlagen einreicht, sodass dem Arbeitgeber die Prüfung der Eignung unmöglich ist.

Besondere Aufmerksamkeit sollte den Bewerbungen geschenkt werden, in denen in Eigeninitiative des Bewerbers auf ein nach § 1 AGG diskriminierungsgeschütztes Merkmal ausdrücklich hingewiesen wird, ohne dass dies nach der Stellenausschreibung erforderlich gewesen wäre (hierzu unter 3.3).

 

Beispiele

  • Ein Bewerber weist in dem mit der Bewerbung eingereichten Lebenslauf darauf hin, dass er in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebe.
  • Eine Bewerberin teilt im Anschreiben zur Bewerbung mit, dass sie im 4. Monat schwanger sei.
  • Ein Bewerber weist in der Bewerbung auf eine Stelle als Software-Entwickler/in darauf hin, dass er an einem Bein unterschenkelamputiert sei.
  • Eine Bewerberin gibt im Lebenslauf die Mitgliedschaft in einer politischen Partei an.
  • Ein Bewerber gibt an, aktives Mitglied einer bestimmten kirchlichen Gruppierung zu sein.
[3] BAG, Urteil v. 6.5.2014, 9 AZR 724/12. In diesem Urteil betonte das BAG, dass bei Festlegung des Anforderungsprofils an die gestellten Anforderungen keine sachfremden Erwägungen zugrunde liegen dürfen. Insbesondere sei gerade im öffentlichen Dienst die bloße Verweisung auf die in der Ausschreibung genannte Entgeltgruppe nicht ausreichend.

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