BAG, Urteil vom 12.6.2024, 7 AZR 188/23
Der Wirksamkeit der Befristung steht es grds. nicht entgegen, dass der Kläger während der gesamten Dauer des befristeten Arbeitsvertrags arbeitsunfähig erkrankt war und daher tatsächlich keine (Vertretungs-)Tätigkeiten erbringen konnte. Nur wenn sich der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewiss sein musste, dass der Vertreter für die gesamte befristete Vertragsdauer eine Vertretertätigkeit nicht auszuführen vermag, kann der Sachgrund der Vertretung vorgeschoben sein.
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten auf Grundlage eines zunächst bis zum 14.11.2020 befristeten und sodann dreimal – zuletzt bis zum 30.4.2022 – verlängerten Arbeitsvertrags als Paketzusteller beschäftigt. Am 23.4.2022 informierte er seinen Niederlassungsleiter per WhatsApp und teilte ihm mit, dass er mit einem Paket gestürzt sei, sein Bauch immer dicker geworden sei, er ins Krankenhaus gebracht und ihm schwindlig gewesen sei. Zudem teilte er mit, dass es sich hierbei um einen Nabelbruch handele und er die Auskunft erhalten hatte, dass er vielleicht noch heute operiert werde. Ob und ggf. mit welchem Inhalt der Kläger den Niederlassungsleiter darüber hinaus telefonisch über seinen Gesundheitszustand, insbesondere die voraussichtliche Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit informierte, ist zwischen den Parteien streitig geblieben.
In der folgenden Zeit erhielt der Kläger mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die Erstbescheinigung vom 25.4.2022 wies den Arbeitsunfähigkeitszeitraum vom 23.4.2022 bis zum 8.5.2022 aus, unter dem üblichen Hinweis "voraussichtlich arbeitsunfähig".
Während seiner Arbeitsunfähigkeit, am 27.4.2022, schlossen die Parteien einen neuen befristeten Arbeitsvertrag. Dieser sah die Tätigkeit des Klägers als Paketzusteller vom 1.5.2022 bis 28.5.2022 (befristet) vor. Als Sachgrund wurde die "Vertretung wegen vorübergehender Abwesenheit der Mitarbeiter S., L., M. und H." angegeben. Der Kläger sollte diese Mitarbeiter während deren Urlaub vertreten. Der Kläger war jedoch während des gesamten Zeitraums des letzten befristeten Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt, was er durch weitere, jeweils nach Vertragsabschluss ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegte.
Mit seiner auf Entfristung seines Arbeitsverhältnisses gerichteten Klage hat der Kläger nun geltend gemacht, es habe aufgrund seiner Erkrankung von vornerein festgestanden, dass er die genannten Mitarbeiter nicht habe vertreten können.
Die Entscheidung
Vor dem BAG hatte die Klage schließlich keinen Erfolg und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des LAG (LAG Niedersachsen, Urteil v. 11.5.2023, 5 Sa 27/23) sowie zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat entgegen der Ansicht des LAG aufgrund der vereinbarten Befristung am 28.5.2022 geendet.
Nach Auffassung des BAG war die Befristung des Arbeitsvertrags zulässig, da sie durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt war.
Es führte hierzu aus, dass nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vorliege, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt werde. Der Grund für die Befristung liege in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis stehe und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit bestehe für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (so ständige Rspr., u. a. BAG, Urteil v. 15.12.2021, 7 AZR 422/20.). Der Sachgrund der Vertretung setze zudem einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus, d. h. es müsse sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden sei. Es sei deshalb aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen sei (so ständige Rspr., u. a. BAG, Urteil v. 21.2.2018, 7 AZR 765/16).
Diese Voraussetzungen lagen hier nach Auffassung des BAG vor, denn der Kläger wurde zur Vertretung der im Arbeitsvertrag namentlich benannten Arbeitnehmer für die Dauer ihres jeweiligen Urlaubs als Paketzusteller eingestellt. Es stehe nach Ansicht des BAG der Wirksamkeit der Befristung nicht entgegen, dass der Kläger während der gesamten Dauer des befristeten Arbeitsvertrags arbeitsunfähig erkrankt war und daher tatsächlich keine (Vertretungs-)Tätigkeiten erbringen konnte.
Zwar könne es der Kausalität zwischen dem Ausfall der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft entgegenstehen, wenn bereit...