Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsvertrag - Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR - "Warteschleife" - Eintritt des Ruhens- und Befristungsfalles
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Fortbestehen eines gemäß dem Einigungsvertrag übergegangenen Arbeitsvertragsverhältnisses im öffentlichen Dienst ist vom Fortbestand der Einrichtung bzw Teileinrichtung, in der der Arbeitnehmer am 2.10.1990 beschäftigt war, abhängig. Diese besteht nach dem 2.1.1991 nur fort, wenn sie durch eine spätestens am 2.1.1991 ausdrücklich oder inzident getroffene Organisationsentscheidung positiver Art (Überführung) vom neuen Hoheitsträger in seine Verwaltung überführt worden ist. Im Falle einer bis zum 2.1.1991 erfolgten negativen Entscheidung (Auflösung, Abwicklung), spätestens jedoch - bei Nichtüberführung - mit Ablauf des 2.1.1991, trat der Ruhens- und Befristungszeitraum von sechs bzw neun Monaten ein.
2. Das entscheidende Kriterium ist die Überführung der gesamten (Teil-) Einrichtung als solcher - nicht Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern und Fortbestand und Forterledigung von Aufgaben. Solche Umstände können nur im Zusammenhang mit weiteren Umständen im konkreten Einzelfall indiziell gegen die Ernstlichkeit oder Endgültigkeit einer Auflösung der (Teil-) Einrichtung sprechen.
3. Eine Entscheidung über eine Überführung iS des Art 13 EinigVtr bedeutet die ernstliche und endgültige rechtliche Anordnung der zuständigen obersten Verwaltungsbehörde, eine bestimmte (Teil-) Einrichtung unter Aufrechterhaltung ihrer Identität tatsächlich und für dauernd oder jedenfalls für eine unbestimmte, den Aufgaben nach nicht unerhebliche Zeit innerhalb der Verwaltungsorganisation des neuen Hoheitsträgers fortzuführen.
4. Unter "Teileinrichtung" iS des EinigVtr ist ein überführungsfähiger, organisatorisch abgegrenzter Teil eines Verwaltungsorgans im weitesten Sinne zu verstehen, der als solcher nach seinem arbeitstechnischen Teilzweck getrennt ausgliederbar ist und entweder als organisatorisch selbständiges Verwaltungsorgan oder unter Beibehaltung seiner organisatorischen und aufgabenmäßigen Identität als Teil eines anderen Verwaltungsorgans neben anderen fortbestehen kann.
5. Eine Entscheidung nach Art 13 EinigVtr über Überführung oder Auflösung stellte keinen Verwaltungsakt dar. Der Eintritt des Ruhens- und Befristungsfalles erfolgte bei einer Auflösungsentscheidung automatisch kraft Gesetzes, jedoch gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.4.1991 nicht vor einer Mitteilung der zuständigen Behörde über den Eintritt dieser Vertragsänderung an den betroffenen Arbeitnehmer. Der Ruhens- und Befristungsfall trat mit der Mitteilung ein, nicht erst mit Beendigung der tatsächlichen und verwaltungsmäßigen Auflösung.
6. Die organisatorische Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers, die (Teil-) Einrichtung aufzulösen, ist vom Arbeitsgericht nicht auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin zu prüfen, sondern allenfalls dahingehend, ob die Maßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich war. Nachprüfbar ist auch, ob die Entscheidung tatsächlich erfolgte und ob sie ernstlich und endgültig war.
7. Im Rechtsstreit ist es zunächst Sache des Hoheitsträgers, das Vorliegen einer Auflösungsentscheidung und die Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Eintritt des Ruhens- und Befristungsfalles darzulegen und zu beweisen. Sodann trifft den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die Auflösungsentscheidung nicht ernstlich oder nicht endgültig gewesen ist und daß stattdessen in der Zeit bis zum 2.1.1991 eine ausdrückliche oder inzidente Überführungsentscheidung getroffen worden ist. Hierbei kann die Beweislast durch Indiztatsachen oder nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises erleichtert sein.
Orientierungssatz
Berufung eingelegt beim LArbG Berlin unter dem Aktenzeichen 7 Sa 47/91.
Normenkette
BGB § 613a; EinigVtr Art. 13 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1; EinigVtr Anlage I Kap. XIX A III Nr. 1 A
Fundstellen
DB 1991, 1783 (L1-7) |
RzK, I 8m bb 5 (LT1-7) |
ZTR 1991, 387 (L1-7) |
ArbuR 1992, 122 (L1) |
Bibliothek, BAG (LT1-7) |
EzA, (LT1-7) |
LKV 1992, 100-104 (LT) |
ZAP-DDR, EN-Nr 228/91 (S) |