Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte - Zuschlagspflicht schon bei Überschreiten der persönlichen Arbeitszeit - Nichtigkeit tariflicher Regelung, die erst ab Überschreiten der betrieblichen Arbeitszeit Zuschlagsanspruch entstehen läßt
Leitsatz (redaktionell)
1. Teilzeitkräfte des öffentlichen Dienstes haben Anspruch auf Zahlung der tariflichen Überstundenzuschläge, sofern sie aus betrieblichen Gründen über ihre persönliche Arbeitszeit hinausgehende Zusatzarbeit leisten. Der Anspruch beruht auf dem Gleichheitsgebot des § 2 Abs 1 BeschFG, dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot iVm § 612 Abs 2 BGB sowie dem Diskriminierungsverbot des Art 119 EWG-Vertrag.
2. Die Regelung der §§ 17, 35 BAT ist wegen Verstoßes gegen § 2 Abs 1 BeschFG, Art 119 EWG-Vertrag und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gem § 134 BGB insoweit nichtig, als danach Überstundenzuschläge nur bei Überschreiten der betriebsüblichen Arbeitszeit zu zahlen ist.
Orientierungssatz
Berufung eingelegt beim LArbG Frankfurt - 9 Sa 1203/94.
Normenkette
BAT §§ 17, 35; EWGVtr Art. 119; BGB § 612 Abs. 2; BeschFArbRG § 2 Abs. 1; BeschFG Art. 1 § 2 Abs. 1; BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 674,14 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 04. März 1994 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 674,14 festgesetzt.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als Teilzeitkraft tarifliche Überstundenzuschläge für Zusatzarbeit, die sie über ihre vertragliche Arbeitszeit hinaus geleistet hat.
Die Klägerin ist als Büfettkraft bei der Beklagten seit dem 18. September 1985 beschäftigt. Zwischen den Parteien ist die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrages vereinbart.
Seit dem 1. April 1980 wird die Klägerin mit 30,25 Stunden pro Woche, das heißt also als Teilzeitkraft beschäftigt. Ihr Gehalt belief sich zuletzt auf 2.300,– DM brutto monatlich.
Die Beklagte beschäftigt insgesamt 267 Mitarbeiter, davon 86 männliche und 181 weibliche Beschäftigte, 141 Arbeitnehmer sind vollzeitbeschäftigt, 120 Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt.
Von den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern sind 81 männlichen und 60 weiblichen Geschlechts. Unter den Teilzeitbeschäftigten befinden sich 121 Frauen und 5 Männer.
Die Klägerin arbeitet im Büfettbereich der Cafeteria in der großen Hause. Dort sind 24 Mitarbeiter tätig, nämlich 2 männliche und 22 weibliche Mitarbeiter. Von diesen Mitarbeitern sind 18 teilzeitbeschäftigt, nämlich 1 Mann und 18 Frauen. Unter den 5 Vollzeitbeschäftigten des Büfettbereiches befinden sich 1 Mann und 4 Frauen.
Das Studentenwerk Marburg betreibt unter anderem Verpflegungsbetriebe, nämlich Mensen und Cafeterien. Bei den Verpflegungsbetrieben handelt es sich um reine Produktions- und Dienstleistungsbereiche für die Studierenden der Philipps-Universität Marburg. Aufgrund der Arbeitsverdichtung zu bestimmten Stoßzeiten ist es erforderlich, die Dienstleistungen schwerpunktmäßig denn zu erbringen, wenn der größte Konsumentenansturm stattfindet.
Aus diesen tatsächlichen und aus betriebswirtschaftlichen Gründen ist es deshalb erforderlich, daß gerade im Bereich der Verpflegungsbetriebe der Beklagten verstärkt Teilzeitkräfte beschäftigt werden. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil die Cafeterien – im Gegensatz zu den Mensen – grundsätzlich kostendeckend zu führen sind.
Bei durch zusätzlichen oder unvorhergesehenem Arbeitsanfall, aber auch durch Ausfälle der Mitarbeiter wegen Krankheit/Urlaub und aus sonstigen Gründen immer wieder Engpässe entstehen, setzt die Beklagte ihre Teilzeitmitarbeiter immer wieder über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus ein. Auch die Klägerin leistete in der Vergangenheit immer wieder Zusatzarbeit. Im März 1993 arbeitete sie zusätzlich 0,5 Stunden, im Mai 1993 11,75 Stunden, im Juli 1993 10,25 Stunden, im Dezember 1993 12 Stunden, im Januar 1994 11,5 Stunden und im Februar 1994 zusätzlich 6 Stunden.
Mit Schreiben vom 9. März 1992 und vom 24. August 1992 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr Zeitzuschläge oder Freizeitausgleich für die von ihr geleisteten Überstunden rückwirkend zu zahlen. Einen dritten Antrag auf die Zahlung von Zeitzuschlägen stellte die Klägerin unter den 12. Dezember 1992. Die Beklagte lehnte die klägerischen Anträge jeweils mit den Schreiben vom 24. September 1992 und vom 6. Januar 1993 ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß ihr Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen nach den Vorschriften des BAT zustehen. Die tarifliche Regelung, wonach Zeitzuschläge nur bei Überschreiten der betriebsüblichen Arbeitszeit zu zahlen sind, sei rechtswidrig.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß diese tarifliche Regelung eine mittelbare Diskriminierung der Frauen darstelle. Es seien Teilzeitkräfte ohne sachlichen Grund benachteiligt. Aus diesem Grunde verstoße die tarifliche Vorschrift gegen Artikel 1...