Entscheidungsstichwort (Thema)

Forderung. Erstattung von Reisekosten für ein Treffen des deutschen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden im Ausland mit dortiger Betriebsvertretung

 

Leitsatz (redaktionell)

Will der Arbeitgeber grenzüberschreitend ein mitbestimmungspflichtiges EDV-System einführen, hat der zuständige Gesamtbetriebsrat das Recht, mit betroffenen ausländischen Betriebsvertretungen Kontakt aufzunehmen, sich mit diesen zu treffen und im Vorgehen abzustimmen. Die dafür entstehenden Reisekosten sind für die Betriebsratstätigkeit erforderlich und daher vom Arbeitgeber zu erstatten.

 

Tenor

Der Arbeitgeber wird verurteilt, an den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden … DM 770,93 (in Worten: siebenhundertsiebzig 93/100 Deutsche Mark) zu zahlen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Reisekosten an den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden … (Beteiligter zu 2).

Der Arbeitgeber betreibt ein Unternehmen der Computerbranche; er ist die deutsche Tochter eines weltweit tätigen Konzerns. Antragsteller ist der für das Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat.

Der Arbeitgeber beabsichtigte im Rahmen des Aufbaus einer neuen Organisation („DACH-Organisation”) die Einführung eines EDV-Systems namens NICE. Dabei handelt es sich um ein computergestütztes Einsatzplanwerkzeug für den technischen Kundendienst. Erreicht werden sollte damit die Vernetzung der Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Österreich. Mitarbeiter, die Anrufe von Kunden entgegennehmen, sollten mit Hilfe von NICE in die Lage versetzt werden, den jeweiligen Kundenwunsch computerunterstützt dem dafür zuständigen und sachkundigen technischen Mitarbeiter zuzuordnen, unabhängig davon, ob es sich um einen Mitarbeiter der deutschen, österreichischen oder schweizerischen Gesellschaft handelt. Außerdem sollten die technischen Mitarbeiter innerhalb kurzer Zeit mit den entsprechenden Kundenaufträgen versehen und die Durchführung der Arbeiten innerhalb bestimmter vorgegebener Zeitspannen überprüfbar werden. Die Beteiligten sind sich einig, daß die Einführung des Systems der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt. Es wurde eine Einigungsstelle NICE eingerichtet, der als vom Gesamtbetriebsrat bestellter Beisitzer auch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende … angehört. Die Tätigkeit der Einigungsstelle ist derzeit noch nicht beendet.

Da die Einführung des Systems NICE im österreichischen Unternehmen der Mitbestimmung des dortigen Zentralbetriebsrats unterliegt, nahm der Gesamtbetriebsrat mit dem Zentralbetriebsrat Kontakt auf, um die Haltung des deutschen Gesamtbetriebsrats und des österreichischen Zentralbetriebsrats zu der beabsichtigten länderübergreifenden Einführung von NICE abzustimmen. Dies geschah zunächst durch Telefonate. Dabei stellte sich heraus, daß der österreichische Zentralbetriebsrat anders informiert war als der deutsche Gesamtbetriebsrat und die in den deutschen und österreichischen Betrieben bisher benutzten EDV-Systeme teilweise anders sind, teilweise trotz gleicher Funktionalität unter einer anderen Bezeichnung laufen. Der Gesamtbetriebsrat beschloß daraufhin, daß ihr Vorsitzender … zu einer Unterredung mit dem österreichischen Zentralbetriebsrat nach Wien reisen sollte. Für die am 17. Juli 1990 unternommene Reise rechnete der Gesamtbetriebsratsvorsitzende nach Maßgabe der Reisekostenregelung des Arbeitgebers insgesamt DM 770,93 ab. Der Arbeitgeber weigert sich, diese Kosten zu erstatten. Der Gesamtbetriebsrat hat daraufhin das vorliegende Beschlußverfahren anhängig gemacht.

Er ist der Ansicht, die geltend gemachten Reisekosten seien gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden vom Arbeitgeber zu erstatten, da es sich um erforderliche Kosten für Betriebsratstätigkeit handele. Da der Arbeitgeber bzw. der hinter ihm stehende Konzern eine einheitliche Regelung des Systems NICE in den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz wollte, könne es dem deutschen Gesamtbetriebsrat nicht verwehrt sein, sich wegen der in Deutschland und Österreich mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit mit dem österreichischen Zentralbetriebsrat abzusprechen.

Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,

den Arbeitgeber zu verurteilen, an den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden … DM 770,93 zu zahlen.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende hat sich dem Antrag angeschlossen.

Der Arbeitgeber beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er meint, bei den Kosten der Reise des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden … nach Wien handele es sich nicht um Kosten von dessen Betriebsratstätigkeit, sondern um Kosten der Einigungsstelle. Da zum Zeitpunkt der Reise nach Wien die Einigungsstelle NICE bereits errichtet und … ihr Beisitzer gewesen sei, habe er nicht in seiner Eigenschaft als Gesamtbetriebsratsvorsitzender, sondern nur als Einigungsstellenbeisitzer nach Wien reisen können.

Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats ist zulässig.

a) Das Beschlußverfahren ist die zutreffende Verfahrensart ...

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