Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfordernis einer Abmahnung vor fristloser Eigenkündigung im Ausbildungsverhältnis wegen Vergütungsverzuges
Leitsatz (amtlich)
Auch ein Auszubildender muss vor dem Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Eigenkündigung wegen Vergütungsverzuges des Ausbilders diesen grundsätzlich vorher abmahnen. Der Warnfunktion einer solchen Abmahnung genügt es nicht, wenn der Auszubildende für den Wiederholungs-/Fortsetzungsfall der Pflichtverletzung lediglich mit der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts droht.
Normenkette
BBiG § 22
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende Beträge zu zahlen:
- 675,00 EUR brutto als Vergütung für Januar 2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2013
- 675,00 EUR brutto als Vergütung für Februar 2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2013
- 225,00 EUR brutto als Vergütung für die Zeit vom 01. – 10.03.2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2013.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ordnungsgemäße Lohnabrechnungen für die Monate November 2012 bis einschließlich März 2013 zu erteilen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 58 % und die Beklagte zu 42 %.
5. Der Streitwert wird auf 7.354,62 EUR festgesetzt.
6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Eigenkündigung sowie um Vergütungs-, Urlaubsabgeltungs-, Urlaubsgeld-, Abrechnungs-, Zeugnis- und Herausgabeansprüche.
Die Klägerin begann unter dem 03.07.2012 bei der Beklagten ein Ausbildungsverhältnis zur Restaurantfachfrau. Ihre monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 675,00 EUR. Mit Schreiben vom 29.12.2012 kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis außerordentlich fristlos mit der Begründung, die Klägerin habe am 28. und 29.12.2012 im Betrieb gefehlt, ohne sich vorab arbeitsunfähig krank gemeldet zu haben. Am 15.01.2013 bot die Klägerin über die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) ihre Arbeitskraft ausdrücklich an. Am 16.01.2013 erklärte ihr die Beklagte telefonisch, an der Kündigung nicht weiter festzuhalten, und bot ihr eine Fortführung der Ausbildung ab dem 17.01. an. Vom 16. bis 27.01.2013 litt die Klägerin an einer Viruserkrankung, vom 28.01. bis 17.03.2013 an einer neuen Erkrankung. Mit Schreiben vom 06.02.2013 machte sie über die NGG Verzugslohnansprüche für Januar 2013 geltend und kündigte an, für den Fall der Nichterfüllung Verzugszinsen geltend zu machen und „zum anderen weitere arbeitsrechtliche Schritte in die Wege (zu) leiten”. Nachdem die Beklagte keine Zahlungen geleistet hatte, machte sie über die NGG mit Schreiben vom 11.03.2013 zusätzlich die Vergütung für Februar nebst Verzugszinsen geltend. Im vorgenannten Schreiben heißt es:
„Sollten Sie bis zum 18.03.2013 unsere Forderungen nicht erfüllen, gehen wir davon aus, dass Sie das Arbeitsangebot von Frau A. nicht annehmen und ihren Ausbildungswillen ignorieren. In diesem Falle wird Frau A. von ihrem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB Gebrauch machen, bis unsere berechtigten Forderungen erfüllt wurden. In der Hoffnung, dass Sie diesen Schritt nicht notwendig werden lassen und eine einvernehmliche Weiterausbildung möglich ist, verbleiben wir mit freundlichen Grüßen …”
Nachdem die Beklagte weiterhin die Ansprüche der Klägerin nicht erfüllte, kündigte diese das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 18.03.2013 außerordentlich fristlos und führte zur Begründung an:
„Betreffend des von mir bevollmächtigten Schreibens der Gewerkschaft NGG vom 11.03.2013 gehe ich davon aus, dass Sie durch das ungenutzte Verstreichenlassen der dort gesetzten Frist nicht an einer Fortführung meines Ausbildungsverhältnisses interessiert sind. Daher kündige ich hiermit mein Ausbildungsverhältnis fristlos.”
Die Klägerin begehrt zunächst die Zahlung von Annahmeverzugslohn und Entgeltfortzahlung. Hierzu behauptet sie, bereits am Morgen des 28.12.2012 der Rezeption der Beklagten mitgeteilt zu haben, sie gehe wegen starker Rückenschmerzen zum ärztlichen Notdienst, und um Weiterleitung an die Restaurantleitung gebeten habe. Nach ihrem Besuch beim ärztlichen Notdienst, der sie für zwei Tage arbeitsunfähig krank geschrieben habe, habe sie nochmals die Rezeption der Beklagten kontaktiert und ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Beklagten noch am selben Tage durch Herrn V vorbeibringen lassen. Am 30.12. sei sie regulär wieder zur Arbeit erschienen und habe den Arbeitstag auch abgeleistet. Herr U habe ihr nach Rücksprache mit dem Inhaber der Beklagten, Herrn T, erklärt, am 31.12. brauche sie nicht zu erscheinen und Herr T wolle mit ihr am 02.01.2013 ein Gespräch führen. In diesem Gespräch sei ihr dann mitgeteilt worden, die Kündigung, die man ihr am 29.12.2012 in den Briefkasten geworfen habe, bleibe aufrechterhalten, da ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht auffindbar sei. Noch am selben T...