nicht anfechtbar

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten über Werkswohnungen

 

Leitsatz (amtlich)

Rechtsstreitigkeiten über Werkswohnungen sind gem. § 29 a ZPO ausschließlich von den Amtsgerichten zu entscheiden.

Dies gilt sowohl für Werkmietwohnungen (§ 565 b BGB) als auch für Werkdienstwohnungen (§ 565 e BGB).

Die Arbeitsgerichte sind auch nicht über § 2 I 4a ArbGG zuständig; denn § 29a ZPO schließt die Anwendung dieser Vorschrift aus.

 

Normenkette

ZPO § 29a; ArbGG 2 I 4a; BGB §§ 565b, 565e

 

Tenor

Das Arbeitsgericht in Wetzlar erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers an das sachlich zuständige Amtsgericht in Wetzlar.

 

Gründe

Der Kläger, ein hessischer Landkreis, ist der Arbeitgeber des Beklagten, der seit 1982 als Hausmeister der Grundschule in W. – K. tätig ist. Am 20.5.1987 hat der Kläger dem Beklagten die zu dessen Schule gehörende Hausmeisterwohnung zugewiesen. Mit Wirkung vom 1.06.1987 hat er die Dienstwohnungsvergütung auf 262,60 DM monatlich festgesetzt. Wegen angeblicher Mängel der Wohnung macht der Beklagte eine Mietminderung geltend und zahlt deswegen nur 182,41 DM monatlich. Für die Zeit von Juni 1987 bis einschließlich März 1988 sind Rückstände der Dienstwohnungsvergütung in Höhe von 801,90 DM aufgelaufen. Diesen Betrag fordert der Kläger mit der vorliegenden, am 26.03.1988 zugestellten Klage.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 801,90 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts; außerdem hält er die vorgenommenen Abzüge für gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt hilfsweise,

den Rechtsstreit an das Amtsgericht in Wetzlar zu verweisen.

Auf den vom Kläger gestellten Hilfsantrag war der Rechtsstreit an das Amtsgericht in Wetzlar zu verweisen (§§ 48 a IV, 48 I ArbGG, 281 ZPO).

Das Arbeitsgericht ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht zuständig. Die Zuständigkeit folgt nicht aus § 2 I 4 a) ArbGG. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Arbeitsgerichte bürgerliche Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

Dem § 2 I 4 a) ArbGG geht jedoch § 29 a ZPO vor, der bestimmt, daß für Klagen auf Erfüllung von Mietverträgen das Amtsgericht ausschließlich zuständig ist. Daß diese Bestimmung nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit regelt, ist heute allgemein anerkannt (vgl. die Übersicht bei Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Auflage. S. 553). Umstritten ist dagegen, ob für Wohnraum eine Ausnahme zu machen ist, der – wie hier – im Rahmen eines Dienstverhältnisses überlassen ist (§ 565 e BGB = Werkdienstwohnung). Da § 29 a ZPO erst am 1.01.1968 in Kraft getreten ist (Zöller, ZPO, 15. Auflage, § 29 a Anm. 1) können die davor erlassenen Entscheidungen für seine Auslegung nicht mehr herangezogen werden. Höchstrichterliche Rechtsprechung ist bisher nicht vorhanden; vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht die Rechtsfrage ausdrücklich offen gelassen (AP 20 zu § 36 ZPO). Das LAG Tübingen hat in seinem Beschluß vom 22.07.1970 (NJW 1970, 2046) beiläufig die Ansicht vertreten, Streitigkeiten über Werkdienstwohnungen hätten die Arbeitsgerichte zu entscheiden. Gleicher Auffassung sind offensichtlich auch Stein-Jonas (ZPO, 20. Auflage, § 1 Anm. 171) und Kissel (GVG, § 23 Anm. 21). Dagegen halten Grunsky (ArbGG, 5. Auflage, § 2 Anm. 40 + 89), Baumbach-Lauterbach (ZPO 45. Auflage, § 29 a Anm. 1) und Thomas-Putzo (ZPO, 12. Auflage, § 29 a, Anm. 2 a) die Amtsgerichte auch für Rechtsstreitigkeiten über Werkdienstwohnungen für zuständig.

Der letzten Ansicht ist zu folgen. Der Gesetzgeber hat § 29 a in Kenntnis der früheren Zuständigkeitsstreitigkeiten in die ZPO aufgenommen. Er hat damit beabsichtigt, derartige Auseinandersetzungen künftig zu vermeiden. Hätte er dabei eine Ausnahme für Werkdienstwohnungen machen wollen, hätte er dies deutlich zum Ausdruck gebracht. Es ist auch aus sachlichen Gründen nicht gerechtfertigt, zwischen Werkmiet- (§ 565 b BGB) und Werkdienstwohnungen (§ 565 e BGB) zu unterscheiden; denn auch bei den Werkdienstwohnungen gelten die Vorschriften über die Miete entsprechend, sofern nur der Arbeitnehmer den Wohnraum ganz oder überwiegend mit Einrichtungsgegenständen ausgestattet hat oder in dem Wohnraum mit seiner Familie einen eigenen Hausstand führt. Für die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Fällen der vorliegenden Art. sprechen auch weitere Gründe. § 29 a ZPO wurde auch aus sozialen Gründen ins Gesetz aufgenommen; denn über Mietstreitigkeiten sollen die räumlich nächsten Gerichte entscheiden. Dies sind stets die Amtsgerichte und nicht die Arbeitsgerichte, deren Bezirke mehrere Amtsgerichtsbezirke umfassen. Außerdem sind die Amtsgerichte sachnäher; denn ihre Mietabteilungen haben tagtäglich über Streitfragen wie Mieterschutz, Miethöhe, Mietminderungen zu entscheiden, währe...

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