Prof. Dr. Reinhard Vossen
Rz. 9
Vorauszuschicken ist, dass sich der gesetzliche Anspruch auf Teilzeitarbeit nach § 8 TzBfG nicht nur auf die Verringerung und gegebenenfalls Neuverteilung der Arbeitszeit auf dem bisherigen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers richtet, sondern sich auf den Betrieb als organisatorische Einheit bezieht. Vom Anspruch umfasst ist daher auch die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes im Betrieb, sofern der Arbeitgeber dadurch dem Teilzeitverlangen Rechnung tragen kann. Nicht gehört wird der Arbeitgeber daher mit dem Einwand, der bisherige Arbeitsplatz des Arbeitnehmers lasse sich nur mit einer vollen Stelle besetzen, sofern es freie Arbeitsplätze im Betrieb gibt, auf denen mit verringerter Arbeitszeit gearbeitet werden kann. Der Anspruch nach § 8 Abs. 1 TzBfG kann daher die Verpflichtung begründen, Personalstrukturen – in Ausübung des Direktionsrechts aus § 106 S. 1 GewO – im Betrieb umzuorganisieren. Die Maßgabe, § 8 Abs. 1 TzBfG gewähre einen Anspruch auf Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit, nicht jedoch auch auf Änderung anderer Vertragsinhalte, gilt damit nur eingeschränkt. Anderes kann auch nicht aus einem Umkehrschluss zu § 9 TzBfG abgeleitet werden, weil diese Norm das Vorliegen eines freien Arbeitsplatzes – anders als § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG – für den Tatbestand voraussetzt. Während § 9 TzBfG eine arbeitsplatzbezogene Prüfung erfordert, findet dies in § 8 TzBfG keinen Niederschlag. Zutreffenderweise widerspräche es Sinn und Zweck der Vorschrift, wenn der Arbeitgeber den Verringerungswunsch ablehnen könnte, obgleich er in Ausübung seines Direktionsrechts einen Arbeitsplatz zuteilen kann, der die Verringerung der Arbeitszeit ermöglicht. Dies stünde konträr zur intendierten Förderung von Teilzeitarbeit. Hat der Antrag nicht das in § 8 Abs. 1 TzBfG geforderte Änderungsziel, kann der Arbeitnehmer keine Ansprüche aus § 8 TzBfG herleiten. Dann kann der Arbeitgeber über den Antrag (§ 145 BGB) auf Änderung des Arbeitsvertrags frei entscheiden, ohne an die Ablehnungsgründe nach § 8 Abs. 4 TzBfG oder an das Verfahren nach § 8 Abs. 5 TzBfG gebunden zu sein.
Rz. 10
Der Antrag aus § 8 Abs. 1 TzBfG kann lediglich auf unbestimmte Zeit gestellt werden und nicht – wie im Rahmen der Elternzeit nach § 15 Abs. 7 Satz 2 BEEG – auf bestimmte Zeit. Mithin kann ein Antrag nach § 8 Abs. 1 TzBfG auch nicht etwa in der Weise gestellt werden, dass der Arbeitnehmer "vorerst bis zum ..." eine befristete Verringerung seiner Arbeitszeit verlangt. Zwar sind Anträge nach § 8 Abs. 1 TzBfG wie jede empfangsbedürftige Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Wird von einem Arbeitnehmer eine Reduzierung der Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum verlangt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass er – aus welchen Gründen auch immer – die Verdienstminderung nur in dem von ihm genannten Zeitraum sozusagen als "Gegenleistung" für die ihm gewährte Arbeitszeitverringerung in Kauf nehmen will. Von daher kann hier im Rahmen einer Auslegung nicht ohne weitere Anhaltspunkte unterstellt werden, dass ein Arbeitnehmer diese Einschränkungen für die restliche Dauer seines Arbeitsverhältnisses hinnehmen will. Genau dieses Ziel wird aber nach dem Willen des Gesetzgebers mit § 8 Abs. 1 TzBfG erreicht. Allerdings kann ein Antrag mit dem obigen Wortlaut seit dem 1.1.2019 als ein solcher nach § 9a TzBfG ausgelegt werden.
Rz. 11
Das Gesetz verzichtet darauf, Wochenarbeitszeitverkürzungen vorzugeben, die den Wünschen der Arbeitnehmer widersprechen und deshalb der beschäftigungspolitischen Wirkung von Teilzeit entgegenwirken könnten, z. B. durch allgemeine Begrenzung der Verringerung der Arbeitszeit auf eine hälftige Verkürzung der Wochenarbeitszeit.
Rz. 12
Allerdings muss sich der Arbeitgeber nur auf zumutbare Maßnahmen verweisen lassen, um den Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers zu ermöglichen. Unzumutbar sind dabei solche Maßnahmen, die schon nach der gesetzlichen Wertung von vornherein nicht in Betracht kommen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit betrifft nur "seine Arbeitszeit", § 8 Abs. 1 TzBfG. Daher sollen dem Arbeitgeber keine Maßnahmen auferlegt werden, die mehr von ihm fordern, als den durch das Teilzeitbegehren bedingten Arbeitszeitausfall auszugleichen. Ein Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber also nicht verlangen, dass neben der Einstellung einer Ersatzkraft für seinen Arbeitszeitausfall auch noch andere Arbeitnehmer mit dauernden Überstunden belastet werden.