Der EuGH hat am 20.1.2009 entschieden, dass Art. 7 der RL 2003/88/EG sowohl dem Erlöschen des Urlaubs- als auch des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers bis zum Ende des Urlaubsjahrs bzw. des Übertragungszeitraums entgegensteht. Dem ist das BAG im Urteil vom 24.3.2009 gefolgt und hat § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG richtlinienrechtskonform fortgebildet. Diese Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG bezieht sich jedenfalls auf gesetzliche Teil- oder Vollurlaubsansprüche. Die Auswirkungen, die sich durch diese Rechtsprechungsänderung für das Urlaubsrecht insgesamt ergeben, sind erheblich. Urlaubsansprüche können dadurch in größerem Umfang angesammelt werden, auch wenn durch das BAG jedenfalls für Krankheitsfälle klargestellt ist, dass Urlaubsansprüche 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres untergehen. Gleichzeitig hat sich durch die vollständige Aufgabe der Surrogatstheorie – also nicht nur für den Bereich andauernder Erkrankung eines Arbeitnehmers – der Anwendungsbereich der Ausschlussfristen auf alle Urlaubsabgeltungsansprüche ganz entscheidend erweitert.
Unter der Surrogatstheorie stellte sich wegen der damit einhergehenden Befristung des Urlaubsabgeltungsanspruchs auf das Kalenderjahr die Frage des Eingreifens von Ausschlussfristen nicht (s. Beispiel in Rz. 40). Mehrere Entscheidungen des BAG zeigen, dass gerade im Bereich der Urlaubsabgeltungsansprüche nunmehr andere Bedingungen als für den Urlaubsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis gelten. Auch die Frage, ob tarifliche Ausschlussfristen jedenfalls den nach gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen bei langwährender Erkrankung des Arbeitnehmers über die Grenzen des § 7 Abs. 3 BUrlG hinaus übertragenen Urlaubsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis betreffen, ist geklärt. Das Unionsrecht – d. h., die RL 2003/88/EG sowie Art. 31 Abs. 2 GRC – steht dem grundsätzlich nicht entgegen, denn es schützt nur den Arbeitnehmer, der (unverschuldet) verhindert ist, seine Ansprüche zu realisieren, nicht aber den, der einfach untätig bleibt. Allerdings müssen der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz gewahrt sein (näher hierzu im Beispiel in Rz. 40).
Zudem mahnen Stimmen in der Literatur, die Frage der Anwendbarkeit von Ausschlussfristen auf Urlaubsabgeltungsansprüche dem EuGH vorzulegen. Denn dieser bejahe die Einschränkbarkeit des Anspruchs auf Urlaub aus Art. 31 Abs. 2 GRC nur unter den in Art. 52 Abs. 1 GRC vorgesehenen "strengen Bedingungen" und nur unter Achtung seines Wesensgehalts. Vertreten wird insofern, dass ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer über abzugeltende Urlaubsansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses informieren müsse, erst dann begönnen Ausschlussfristen zu laufen. Es wird abzuwarten sein, ob die Frage dem EuGH vorgelegt wird. Die – gefestigt scheinende – Rechtsprechung des zuständigen 9. Senats des BAG zielt jedoch nicht in diese Richtung.
Im Folgenden wird v. a. aufgezeigt, welchen Anwendungsbereich Ausschlussfristen nach Aufgabe der Surrogatstheorie haben. Dabei ist stets zwischen Urlaubsansprüchen und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu unterscheiden. Das ist Folge der Aufgabe der Surrogatstheorie.