Bernhard Steuerer, Stefan Seitz
Ein Auflösungsvertrag ist nach Ansicht des BAG nicht allein schon dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- bzw. Widerrufsrecht eingeräumt hat und ihm auch das Thema des beabsichtigten Gesprächs vorher nicht mitgeteilt hat. Ob jedoch das BAG diese Auffassung auch in Zukunft so uneingeschränkt vertreten werde, war im Hinblick auf eine kurze Zeit später verkündete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.10.1993 zur "strukturell ungleichen Verhandlungsstärke", das die Zivilgerichte ausdrücklich dazu angehalten hat, bei der Auslegung von Generalklauseln Mindesterfordernisse an die Vertragsparität zu beachten, heftig diskutiert worden.
Das BAG blieb jedoch bei seiner Auffassung. Eine "strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers" liege bei Verhandlungen über einen Auflösungsvertrag nicht vor, weil der Arbeitnehmer "dem Ansinnen des Arbeitgebers ggf. nur ein schlichtes Nein entgegenzusetzen" brauche.
Generell sollte man aber vermeiden, den Arbeitnehmer (in dessen Augen) zu überrumpeln und ihm regelmäßig eine Bedenkzeit (auch für eine evtl. Beratung mit einem Rechtsanwalt) einräumen. Jeder Arbeitnehmer wird sich "über den Tisch gezogen" fühlen, wenn sich der Arbeitgeber weigert, ihm Bedenkzeit für die folgenschwere Beendigungsentscheidung einzuräumen. Keinem Arbeitnehmer wäre zu empfehlen, diesem Druck nachzugeben und zu unterschreiben. Räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Bedenkzeit ein, kann man solche Vorwürfe nicht gegen ihn erheben. Es wird auch kaum zu späteren Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Vertrags, Anfechtungen (§§ 119, 123 BGB) oder Schadensersatzforderungen wegen Verletzung von Aufklärungspflichten kommen.
Die Bedenkzeit sollte so bemessen sein, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, das Arbeitsamt und auch einen Rechtsanwalt aufzusuchen, um sich umfassend beraten zu lassen. Im Regelfall reichen 2 Wochen aus. Zudem sollte der Arbeitnehmer noch zusätzlich an die Agentur für Arbeit verwiesen werden.
Ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht nicht. Es kann aber tarifvertraglich geregelt sein. Das Widerrufsrecht hat das Ziel, den Arbeitnehmer vor Überrumpelung zu schützen. Tarifvertragliche Widerrufsfristen (z. B. im Einzelhandel) sind meist sehr kurz (1 bis 3 Tage) und beginnen regelmäßig mit Abschluss des Auflösungsvertrags zu laufen, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer davon weiß. Sonst ist die vertragliche Einräumung eines Widerrufsrechts möglich, aber nicht erforderlich. Sie ist auch grundsätzlich nicht empfehlenswert, wenn dem Arbeitnehmer eine ausreichende Bedenkzeit eingeräumt wird. Reicht die Bedenkzeit im Einzelfall nicht aus, kann man auch eine Einigung über ihre Verlängerung treffen. Muss der Arbeitnehmer allerdings befürchten, dass der Arbeitgeber aufgrund eines Insolvenzrisikos nicht in der Lage sein könnte, die vereinbarte Abfindung zu bezahlen, wird er allenfalls zum Abschluss eines Auflösungsvertrags bereit sein, wenn die Zahlung der Abfindung garantiert werden kann (z. B. durch Bankbürgschaft, was gerade bei drohender Insolvenz schwierig sein dürfte), oder durch die Einräumung eines Widerrufs- oder Rücktrittsrechts, wenn zu einem vereinbarten Zeitpunkt die Abfindungszahlung nicht auf dem Konto des Arbeitnehmers eingegangen ist. Erfolgt der Abschluss des Auflösungsvertrags durch widerruflichen, vor dem Arbeitsgericht abgeschlossenen Vergleich, endet der Rechtsstreit erst, wenn die Widerrufsfrist ohne Widerruf abgelaufen ist. Dann ist der Vergleich rechtskräftig.
Beispiel für die Formulierung eines Widerrufsrechts
Der Arbeitnehmer erhält das Recht, diesen Vertrag zu widerrufen, wenn die unter § … dieses Vertrags vereinbarte Abfindung nicht spätestens zum …. auf dem Konto des Arbeitnehmers eingegangen ist. Der Widerruf hat schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber zu erfolgen und muss diesem zugehen.
Ein gesetzliches Rücktrittsrecht kann sich aus § 323 BGB ergeben. Voraussetzung dafür ist, dass der Auflösungsvertrag als gegenseitig verpflichtender Vertrag i. S. d. §§ 320ff. BGB verstanden wird, was durchaus in Betracht kommt (Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung). Dann greift das gesetzliche Rücktrittsrecht, wenn der Arbeitgeber die vereinbarte Abfindung bei Fälligkeit nicht zahlt und ihm der Arbeitnehmer nach § 323 Abs. 1 BGB erfolglos eine Zahlungsfrist gesetzt hat. Hat allerdings das Insolvenzgericht dem Arbeitgeber nach Eröffnungsantrag die Zahlung nach § 21 InsO untersagt, ist ein Rücktritt ausgeschlossen. Im Übrigen kann ein Rücktrittsrecht vereinbart werden, auf obige Ausführungen wird verwiesen. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn zwischen dem Abschluss des Auflösungsvertrags und der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein beträchtlicher Zeitraum liegt. Auf diese Weise kann die Zahlung der Abfindung, die i. d. R. erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird, gesichert werden. Erfolgt der Abschluss des Auflösungsvertrags mit Rücktrittsrecht in einem vor dem Ar...