BAG, Urteil v. 29.6.2017, 8 AZR 402/15
Leitsätze (amtlich)
Eine "Ablehnung durch den Arbeitgeber" i. S. v. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG setzt eine auf den Beschäftigten bezogene ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Arbeitgebers voraus, aus der sich für den Beschäftigten aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers eindeutig ergibt, dass seine Bewerbung keine Aussicht (mehr) auf Erfolg hat. Ein Schweigen oder sonstiges Untätigbleiben des Arbeitgebers reicht grundsätzlich nicht aus, um die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG in Lauf zu setzen.
Sachverhalt
Die Beklagte schrieb eine befristete Stelle als Bürohilfe aus, die vor allem ein Buchprojekt unterstützen sollte. Laut Stellenausschreibung war als Voraussetzung genannt "Deutsch als Muttersprache". Der Kläger, dessen Muttersprache Russisch ist, jedoch wegen seiner sehr guten Deutschkenntnisse objektiv für die ausgeschriebene Tätigkeit geeignet war, bewarb sich am 12.2.2013 bei der Beklagten – erfolglos; die Stelle wurde mit einem anderen Bewerber besetzt. Allerdings erhielt der Kläger keine ausdrückliche Ablehnungserklärung. Erst auf seine ausdrückliche Nachfrage am 9.9. erhielt er am 11.9. über den Abschluss des Bewerbungsverfahrens Kenntnis.
Der Kläger, der sich durch das Anforderungsprofil wegen seiner ethnischen Herkunft diskriminiert sah, machte mit Schreiben vom 6.11.2013 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend und erhob schließlich am 7.2.2014 Klage auf eine Entschädigung i. H. v. 3 geschätzten Monatsgehältern à 1.600 EUR, mithin i. H. v. 4.800 EUR.
Die Entscheidung
Die Klage hatte überwiegend – i. H. v. 3.200 EUR – Erfolg.
Zunächst führte das Gericht aus, dass der Kläger seinen Anspruch auf Entschädigung frist- und formgerecht gem. § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht und die Entschädigung nach § 61b ArbGG fristgerecht eingeklagt hatte. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden, wobei die Frist im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt beginnt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Im vorliegenden Falle hatte nach Auffassung des BAG die 2-monatige Frist zur Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 4 AGG frühestens am 11.9.2013 zu laufen begonnen, da erst an diesem Tag eine Ablehnung der Beklagten zugegangen ist. "Eine „Ablehnung durch den Arbeitgeber" i. S. v. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG setze, so das Gericht, eine auf den Beschäftigten bezogene ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Arbeitgebers voraus, aus der sich für den Beschäftigten aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers eindeutig ergebe, dass seine Bewerbung keine Aussicht (mehr) auf Erfolg habe. Danach sei es zwar nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber den Bewerber formal "bescheidet". Allerdings reiche ein Schweigen oder Untätigbleiben des Arbeitgebers grundsätzlich nicht aus, um die Frist des § 15 Abs. 4 AGG in Lauf zu setzen. Ebenso wenig reiche es aus, wenn der Bewerber nicht durch den Arbeitgeber, sondern auf andere Art und Weise erfährt, dass seine Bewerbung erfolglos war.
Des Weiteren führte das BAG hierzu aus, dass § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG für die Ablehnung keine bestimmte Form vorschreibe, somit weder schriftlich noch sonst verkörpert erfolgen müsse und auch mündlich erklärt werden könne; allerdings sei eine auf den Beschäftigten bezogene Ablehnung Voraussetzung; dies folge aus der in § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG getroffenen Regelung, wonach die Frist im Fall einer Bewerbung mit dem Zugang der Ablehnung beginne. Auch heißt es in der Begründung des Gesetzesentwurfs, "dass die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, an dem der oder die Benachteiligte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt und dass dies im Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs der Zeitpunkt des Zugangs der Ablehnung durch den Arbeitgeber ist (BT-Drs. 16/1780 S. 38). Dies findet seine Bestätigung in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzesentwurf. Dort heißt es, dass die Verkürzung der Frist auf 2 Monate für Arbeitnehmer hinnehmbar sei, weil die Frist ohnehin erst mit der Kenntnis von dem Verstoß beginne (vgl. BT-Drs. 16/2022 S. 12)." Damit wolle der Gesetzgeber erkennbar für alle Fälle einer Benachteiligung für den Fristbeginn auf die Kenntnis von der Benachteiligung abstellen.
Weiter urteilte das Gericht, dass zwar in Ausnahmefällen die Ablehnung entbehrlich sein könne. Dies könne z. B. anzunehmen sein, wenn sich das Erfordernis der Ablehnung als reine Förmelei darstellen sollte, weil der Bewerber auch ohne die Ablehnung sichere Kenntnis hat, dass seine Bewerbung erfolglos war; z. B. dann, wenn der Bewerber selbst in der Bewerbung unmissverständlich erklärt habe, ausschließlich innerhalb eines bestimmten Zeitraums zur Verfügung zu stehen und dieser Zeitraum ab...