Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung - Anrechnung übertariflicher Zulage
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Tarifvorbehalt des § 77 Abs 3 BetrVG steht einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG bei der Festlegung von Kriterien für über-/außertarifliche Zulagen nicht entgegen. Dieses Mitbestimmungsrecht kann sowohl durch formlose Regelungsabrede als auch durch Abschluß einer Betriebsvereinbarung ausgeübt werden.
2. Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs 1 wird durch den Tarifvorrang des § 87 Abs 1 Eingangssatz BetrVG nur dann ausgeschlossen, wenn eine inhaltliche und abschließende tarifliche Regelung über den Mitbestimmungsgegenstand besteht. Das ist nicht der Fall, wenn das Mindestentgelt im Tarifvertrag geregelt ist, der Arbeitgeber aber darüber hinaus eine betriebliche über-/außertarifliche Zulage gewährt.
3. Die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen und der Widerruf von über-/außertariflichen Zulagen aus Anlaß und bis zur Höhe einer Tariflohnerhöhung unterliegen dann nach § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn sich dadurch die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anrechnung durch gestaltende Erklärung erfolgt oder sich automatisch vollzieht.
4. Anrechnung bzw Widerruf sind mitbestimmungsfrei, wenn dadurch das Zulagenvolumen völlig aufgezehrt wird oder die Tariflohnerhöhung vollständig und gleichmäßig auf die über-/ außertariflichen Zulagen angerechnet wird.
5a. Bei mitbestimmungspflichtigen Anrechnungen kann der Arbeitgeber bis zur Einigung mit dem Betriebsrat das Zulagenvolumen und - unter Beibehaltung der bisherigen Verteilungsgrundsätze - auch entsprechend die einzelnen Zulagen kürzen.
b. Verletzt der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht, sind Anrechnungen bzw Widerruf gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern rechtsunwirksam.
Verfahrensgang
Gründe
A.Arbeitgeber und Betriebsrat streiten im Ausgangsverfahren darüber, ob der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat, wenn der Arbeitgeber eine Tariflohnerhöhung aufgrund eines Vorbehalts vollständig und gleichmäßig auf alle übertariflichen Zulagen anrechnet.
Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um ein Unternehmen, das Präparate für die Haut- und Haarpflege herstellt und vertreibt. Er beschäftigt insgesamt 408 Mitarbeiter, davon 292 Angestellte und 116 gewerbliche Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes der chemischen Industrie für Ostwestfalen/Lippe. Er wendet die einschlägigen Tarifverträge für die chemische Industrie auf die Arbeitsverhältnisse an.
Der Arbeitgeber zahlt an die Mehrzahl seiner Arbeitnehmer freiwillige übertarifliche Zulagen, die sich zwischen 75,-- DM und 900,-- DM monatlich bewegen und bei denen er sich die Anrechnung von Tarifvergütungserhöhungen auf die Zulage vorbehalten hat. In den vom Arbeitgeber einheitlich formulierten Arbeitsverträgen für die gewerblichen Arbeitnehmer heißt es:
"... Der Bruttostundenlohn setzt sich wie folgt
zusammen:
.....
Bei einer evtl. gewährten freiwilligen Zulage
handelt es sich um eine jederzeit nach freiem Er-
messen widerrufliche Leistung, auf die auch bei
wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für
die Zukunft besteht. Die Leistung kann auch je-
derzeit ganz oder teilweise auf die tariflichen
Veränderungen und tariflichen Umgruppierungen an-
gerechnet werden.
..."
Bei Angestellten heißt es in den von dem Arbeitgeber vorformulierten Schreiben:
"....
Somit setzt sich Ihr Brutto-Gehalt nunmehr wie
folgt zusammen:
Tarifgehalt DM .....
+ freiwillige Zulage DM .....
Bitte haben Sie Verständnis dafür, daß wir uns
vorbehalten müssen, ggf. die freiwillige Zulage
bei Tarifänderungen zu verrechnen oder mit einer
Frist von einem Monat zum jeweiligen Monatsende
aufzukündigen.
...."
Aufgrund eines seit 1984 eingetretenen erheblichen Umsatzrückganges beschloß der Arbeitgeber, die mit Wirkung vom 1. August 1986 eintretende Erhöhung der Tariflöhne und Gehälter in der chemischen Industrie von 4,5 % vollständig und gleichmäßig auf die gewährten Zulagen anzurechnen. Von dieser Entscheidung unterrichtete er den Betriebsrat.
Mit Schreiben vom 8. Juli 1986 erklärte er gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern, daß er die angekündigte "Kürzung" vom 1. August 1986 an vornehmen werde.
Der Betriebsrat widersprach der Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die Zulagen und schlug vor, den durch die Anrechnung einzusparenden Betrag auf andere Weise zu erwirtschaften. Der Arbeitgeber blieb bei der Anrechnung. Deshalb hat der Betriebsrat das Ausgangsverfahren eingeleitet und beantragt
festzustellen, daß die Anrechnung der übertarif-
lichen Zulage ab 1. August 1986 auf die Tarif-
lohnerhöhung mitbestimmungspflichtig ist.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen, das Landesarbeitsgericht dessen Beschwerde zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter. Der Erste Senat möchte dem Antrag des Betriebsrats entsprechen, sieht sich daran aber durch die Rechtsprechung des Vierten und Fünften Senats gehindert. Er hat am 13. Februar 1990 (BAGE 64, 151 = AP Nr. 43 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) beschlossen:
Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts wird
gemäß § 45 Abs. 2 ArbGG zur Beantwortung der fol-
genden Fragen angerufen:
1. Unterliegt die Ausübung eines dem Arbeitgeber
vorbehaltenen Widerrufs von übertariflichen
Zulagen und/oder der Anrechnung einer Tarif-
lohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen der
Mitbestimmung des Betriebsrats?
2. Für den Fall der Bejahung dieser Frage:
a) Ist der Arbeitgeber verpflichtet, bis zu
einer Einigung mit dem Betriebsrat über die
Neuverteilung des gekürzten Zulagenvolumens
die Zulagen in der ursprünglichen Höhe
fortzuzahlen?
b) Kann der Arbeitgeber die Zulage in der bis-
herigen Höhe unter dem Vorbehalt einer Ver-
rechnung entsprechend der späteren Einigung
mit dem Betriebsrat zahlen?
c) Kann der Arbeitgeber die einzelnen Zulagen
vor der Einigung mit dem Betriebsrat im
gleichen Verhältnis kürzen wie das Zulagen-
volumen insgesamt unter dem Vorbehalt einer
Verrechnung entsprechend der Einigung mit
dem Betriebsrat?
B.Die Vorlage der Fragen 1) und 2) ist zulässig. I.1.Die Frage 1) ist nach der vom Ersten Senat hierzu gegebenen Begründung einschränkend auszulegen. Der Erste Senat will die Frage beantwortet haben, ob bei der Ausübung eines dem Arbeitgeber vorbehaltenen Widerrufs von über-/außertariflichen Zulagen aus Anlaß und bis zur Höhe einer Tariflohnerhöhung und/oder bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen die Neuverteilung des verringerten Zulagenvolumens der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.
Der Erste Senat hat die Frage 1) etwas verkürzt formuliert: Nach ständiger Rechtsprechung des Ersten Senats bezieht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht auf die Höhe des finanziellen Aufwandes für freiwillige übertarifliche Zulagen, auf den sogenannten Dotierungsrahmen oder das "Zulagenvolumen" (BAG Beschluß vom 10. Juli 1979 - 1 ABR 88/77 - AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAGE 32, 350 = AP Nr. 3; BAGE 37, 255 = AP Nr. 7; BAGE 54, 79 = AP Nr. 26; BAGE 56, 346 = AP Nr. 31 sowie BAGE 57, 309 = AP Nr. 33, alle zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Dementsprechend hat der Erste Senat auch entschieden, der Betriebsrat habe nicht bei der Kürzung der Mittel für übertarifliche Zulagen mitzubestimmen, sondern nur bei der Neuverteilung des gekürzten Zulagenvolumens (BAGE 54, 79 und BAGE 57, 309 = AP Nr. 26 und 33 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Daran hat er auch in dem Vorlagebeschluß für die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen festgehalten, in dem er ausdrücklich auf diese beiden Entscheidungen verwiesen hat.
2.Mit diesem Inhalt ist die Vorlage bezüglich der Frage 1) zulässig. Der Erste Senat hat die Vorlage hinsichtlich der Frage 1) auf § 45 Abs. 2 Satz 1 ArbGG gestützt, wonach ein Senat, der von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will, eine Entscheidung des Großen Senats über die streitige Rechtsfrage herbeizuführen hat. Die Vorlagepflicht setzt voraus, daß ein anderer Senat in einer zeitlich vorausgegangenen Entscheidung einen Rechtssatz aufgestellt hat, der für diese Entscheidung tragend gewesen ist und daß der vorlegende Senat von dieser Rechtsauffassung abweichen will, sowie daß die von ihm zu treffende Entscheidung auf der abweichenden Rechtsansicht beruht.
a)Die Frage 1) enthält zwei Fallgestaltungen: Unter der Ausübung eines dem Arbeitgeber vorbehaltenen Widerrufs ist die Ausübung eines unbedingten Gestaltungsrechts zu verstehen, unter der vorbehaltenen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine übertarifliche Zulage die eines durch die Tariflohnerhöhung bedingten Gestaltungsrechts (Wiese, NZA 1990, 793, 797). Nach dem dem Ausgangsfall zugrundeliegenden Sachverhalt hat der Arbeitgeber die Zahlung der übertariflichen Zulagen mit einer Klausel verbunden, durch die er sich den Widerruf und die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen vorbehalten hat. Solche Klauseln, die sowohl einen Widerrufs- als auch einen Anrechnungsvorbehalt vorsehen, kommen in der Praxis häufig vor (vgl. BAG Urteil vom 1. Juni 1988 - 4 AZR 13/88 - n.v.; BAG Urteile vom 28. Oktober 1987 - 4 AZR 523/87 und 524/87 - n.v.; BAG Urteil vom 28. Oktober 1987 - 4 AZR 242/87 - BB 1988, 702; BAG Urteile vom 16. September 1987 - 4 AZR 206/87, 329/87, 330/87 und 331/87 - n.v.; BAG Urteil vom 3. Juni 1987 - 4 AZR 44/87 - BAGE 55, 322 = AP Nr. 58 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; BAG Urteil vom 13. Mai 1987 - 5 AZR 125/86 - BAGE 55, 275 = AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle; BAG Urteile vom 16. April 1986 - 5 AZR 115/85, 116/85 und 117/85 - n.v.; BAG Urteil vom 22. August 1979 - 5 AZR 769/77 - AP Nr. 11 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn und Tariflohnerhöhung; LAG Düsseldorf Urteil vom 31. März 1989 - 2 Sa 1638/88 - LAGE § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 5; ArbG Berlin Urteil vom 18. Dezember 1989 - 9 Ca 324/89 - BB 1990, 283; ArbG Oberhausen Urteil vom 27. Juni 1986 - 4 Ca 497/86 - AiB 1986, 232). Bei allen diesen Fallgestaltungen ging es in der bisherigen Rechtsprechung um ihre Bedeutung bei einer Tariflohnerhöhung und neuerdings auch um die Frage der Mitbestimmung bei einer Tariflohnerhöhung, wenn die Zulagen vom Arbeitgeber angerechnet wurden. Nur zur Frage der Anrechnung von übertariflichen Zulagen auf eine Tariflohnerhöhung sind bisher auch Entscheidungen des Vierten und Fünften Senats ergangen, die der Erste Senat zum Gegenstand seiner Anfrage gemacht hat. Daher hat sich für den Vierten und Fünften Senat die Frage des Widerrufs von übertariflichen Zulagen aufgrund der angeführten kombinierten Klausel bisher nur bei Tariflohnerhöhungen gestellt. Nur von diesen Entscheidungen des Vierten und Fünften Senats will der Erste Senat abweichen. Demgemäß bezieht sich die Frage 1) bezüglich des Widerrufs von übertariflichen Zulagen nur auf die Ausübung des Widerrufs aus Anlaß und bis zur Höhe einer Tariflohnerhöhung.
b) Mit seiner Auffassung, auch bei einer vollständigen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf alle übertarifliche Zulagen unterliege die Neuverteilung, d.h. die Verteilung des infolge Anrechnung verringerten Volumens, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, weicht der Erste Senat zumindest von der Rechtsprechung des Fünften Senats ab.
aa)Der Fünfte Senat hat in den Entscheidungen vom 16. April 1986 (- 5 AZR 115/85, 116/85 und 117/85 - alle n.v.) ein Mitbestimmungsrecht bei der vollständigen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen verneint und dies damit begründet, das Mitbestimmungsrecht könne nur durch eine gestaltende Erklärung des Arbeitgebers ausgelöst werden; bei der vollständigen Anrechnung handele es sich aber nicht um die Ausübung eines dem Arbeitgeber vorbehaltenen Gestaltungsrechts, sondern um die Feststellung einer Tarifautomatik, soweit die Zulagen nicht ausnahmsweise als neben dem Tariflohn beständig vereinbart seien.
Die vorgenannten Entscheidungen des Fünften Senats sind zwar nicht zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, sondern zu § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG ergangen. Dennoch besteht eine durch den Großen Senat klärungsbedürftige Divergenz. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat in seinen Beschlüssen vom 6. Februar 1973 (- GmS-OGB 1/72 - AP Nr. 1 zu § 4 RsprEinhG) und 12. März 1987 (- GmS-OGB 6/86 - AP Nr. 35 zu § 5 BetrVG 1972) entschieden, eine Anrufung wegen Divergenz sei möglich und zulässig, wenn die divergierenden Rechtssätze zu verschiedenen Gesetzen aufgestellt sind, sofern diese nur in ihrem Wortlaut im wesentlichen und ihrem Regelungsgehalt gänzlich übereinstimmen. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG stimmen in ihrem Wortlaut, soweit es um die Mitbestimmung bei der Lohngestaltung geht, im wesentlichen überein. Nach dem Wortlaut besteht nur eine Abweichung: Statt für den Betrieb gilt die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG für die Dienststelle, die nach dem Aufbau des BPersVG dem Betrieb entspricht. Da schon der Wortlaut beider Vorschriften insoweit übereinstimmt, als er ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle bzw. bei der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung gewährt, stimmt auch der Regelungsgehalt überein. Es mag sein, daß dieses Mitbestimmungsrecht innerhalb des öffentlichen Dienstes geringere praktische Bedeutung als im Bereich des BetrVG hat, deshalb haben die Vorschriften aber keinen unterschiedlichen Regelungsinhalt. Auch der Vierte Senat hat sich für seine Auffassung, es bestehe bei der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, auf diese Rechtsprechung des Fünften Senats zu § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG berufen.
Die Entscheidungen des Fünften Senats sind auch noch divergenzfähig, da der Fünfte Senat am 26. Juli 1989 auf Anfrage des Ersten Senats beschlossen hat, ohne Einschränkung an seiner Ansicht festzuhalten, daß die Anrechnung "jederzeit widerruflich und anrechenbar" gewährter übertariflicher Zulagen auf eine Tariflohnerhöhung nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.
bb)Die Rechtsauffassung, daß die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf "jederzeit widerruflich und anrechenbar" gewährte übertarifliche Zulagen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, war für die Entscheidungen des Fünften Senats tragend. Der Fünfte Senat hatte jeweils über Lohnklagen zu entscheiden, denen nach Auffassung des Senats hätte stattgegeben werden müssen, wenn die vollständige Anrechnung mitbestimmungspflichtig gewesen wäre. Nur aus diesem Grunde hat der Fünfte Senat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Anrechnung "jederzeit widerruflich und anrechenbar" gewährter übertariflicher Zulagen auf eine Tariflohnerhöhung mitbestimmungspflichtig sei.
c)Auch für den Ersten Senat ist dessen abweichende Rechtsauffassung tragend, der Betriebsrat habe bei der Neuverteilung des infolge der Anrechnung verringerten Zulagenvolumens nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen, weil dem Antrag des Betriebsrats nur stattgegeben werden kann, wenn die Auffassung des Ersten Senats zugrunde gelegt wird.
d)Da die Rechtsauffassung des Ersten Senats jedenfalls von der Rechtsprechung des Fünften Senats abweicht, konnte der Große Senat dahingestellt sein lassen, ob auch eine Divergenz zur Rechtsprechung des Vierten Senats besteht. Hierfür spricht, daß der Vierte Senat in mehreren Entscheidungen (beispielsweise Urteile vom 16. September 1987 - 4 AZR 206/87, 329/87, 330/87 und 331/87 - und Urteile vom 28. Oktober 1987 - 4 AZR 242/87 - und - 4 AZR 372/87 - n.v.) auf die Urteile des Fünften Senats vom 16. April 1986 (- 5 AZR 115/85, 116/85 und 117/85 -) Bezug genommen und sich damit den Rechtssatz voll zu eigen gemacht hat, ein Mitbestimmungsrecht werde bei der Anrechnung nicht ausgelöst, weil diese nur die Feststellung einer Tarifautomatik sei.
II.Auch die Vorlage der Fragen 2 a bis c) ist zulässig, weil bei einer Bejahung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats sich unabweisbar die Frage stellt, ob der Arbeitgeber vor Abschluß des Mitbestimmungsverfahrens die mitbestimmungsfreie Kürzung des Zulagenvolumens wirksam durch Kürzung der einzelnen Zulagen umsetzen kann oder die Zulagen in bisheriger Höhe unverändert, gegebenenfalls unter Vorbehalt, fortzahlen muß.
1.Unterliegt die Neuverteilung des infolge der Anrechnung verringerten Zulagenvolumens der Mitbestimmung des Betriebsrats, so stellt sich im Anschluß daran die Frage, wie sich der Arbeitgeber verhalten muß, um dieses Mitbestimmungsrecht nicht zu verletzen. Es ist denkbar, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, bis zur Einigung mit dem Betriebsrat über die Neuverteilung des gekürzten Zulagenvolumens die Zulagen in der ursprünglichen Höhe fortzuzahlen. Das Mitbestimmungsrecht könnte aber auch schon gewahrt sein, wenn der Arbeitgeber die übertarifliche Zulage nach Anrechnung in bisheriger Höhe mit dem Vorbehalt einer anderen Einigung mit dem Betriebsrat weiterzahlt, so daß der betroffene Arbeitnehmer weiß, daß die endgültige Höhe seiner übertariflichen Zulage von der Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abhängt und infolgedessen einem Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers keine Berufung auf einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz entgegensteht. Eine weitere Möglichkeit ist, daß der Arbeitgeber dem Mitbestimmungsrecht schon dann genügt, wenn er bereits vor der Einigung mit dem Betriebsrat die Zulagen im gleichen Verhältnis kürzt wie das Zulagenvolumen insgesamt, allerdings unter dem Vorbehalt einer späteren Änderung entsprechend der erforderlichen Einigung mit dem Betriebsrat.
2.Der Erste Senat hat die Fragen zu 2 a bis c) nach § 45 Abs. 2 Satz 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung vorgelegt. Danach kann der erkennende Senat, wenn nach seiner Auffassung die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung es erfordern, in einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung die Entscheidung des Großen Senats herbeiführen.
Die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Großen Senats sind gegeben. Die vorgelegten Rechtsfragen haben grundsätzliche Bedeutung. Eine Rechtsfrage hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn das Bedürfnis besteht, sie über den Einzelfall hinaus für eine Vielzahl gleich oder ähnlich liegender Fälle richtungsweisend zu lösen oder wenn eine umstrittene Frage von wesentlichem Gewicht für die Rechtsordnung und das Rechtsleben ist (BAG GS 48, 122, 126 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu B 1 der Gründe, m.w.N.).
a)Der Erste Senat bejaht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Neuverteilung des infolge der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen bzw. der Ausübung eines vorbehaltenen Widerrufs anläßlich einer Tariflohnerhöhung verringerten Zulagenvolumens nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da es sich bei der Neuverteilung um eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit handele und für den Arbeitgeber auch ein Entscheidungsspielraum bestehe. Andererseits geht der Erste Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. besonders deutlich Beschluß vom 10. Februar 1988, BAGE 57, 309 = AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung und die weiteren Nachweise im Vorlagebeschluß) davon aus, daß der Betriebsrat nicht über die Lohnhöhe und daher auch nicht hinsichtlich der Kürzung des Zulagenvolumens - sei es infolge eines vorbehaltenen Widerrufs, sei es infolge einer Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen - mitzubestimmen hat. Daraus ergibt sich die Frage, ob dem Arbeitgeber erlaubt ist, zuerst die Tariflohnerhöhung gleichmäßig anzurechnen und erst anschließend mit dem Betriebsrat über die neue Verteilungsordnung zu verhandeln oder ob er erst anrechnen darf, wenn er sich mit dem Betriebsrat auf neue Verteilungsgrundsätze geeinigt hat.
b)Der Dritte Senat hat im Urteil vom 3. August 1982 (BAGE 39, 277 = AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) entschieden, der Betriebsrat habe mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber eine freiwillig gewährte "jederzeit widerrufliche" Leistung gegenüber sämtlichen Zulagenempfängern widerrufe, um sie künftig nach anderen Grundsätzen gewähren zu können. Hier sei der Widerruf nur der unselbständige Teil einer allgemeinen Regelung der Lohngestaltung. Der Betriebsrat könne nicht darauf beschränkt werden, nur beim zweiten Abschnitt der Neuregelung mitzubestimmen. Er müsse schon beim Widerruf der bisherigen Zulagen seine Vorstellungen über den Abbau des alten und die Einführung des neuen Systems im Interesse der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit zur Geltung bringen können. In einer weiteren Entscheidung vom 26. April 1988 (- 3 AZR 168/86 - BAGE 58, 156 = EzA § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung Nr. 2) hat der Dritte Senat für die im wesentlichen gleiche Problematik in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG entschieden, der Arbeitgeber könne mitbestimmungsfrei die Mittel für die Sozialeinrichtung einschränken. Nach der Kürzung der Mittel müsse das restliche Volumen nach einem neuen Leistungsplan verteilt werden. Bei der Aufstellung des neuen Leistungsplans habe der Betriebsrat mitzubestimmen. Dieses Mitbestimmungsrecht entfalle auch nicht deshalb, weil es sich um freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen handele. Der Widerruf sei individualrechtlich unwirksam, wenn der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung des Leistungsplans verletzt habe. Der Widerruf sämtlicher Zulagen in voller Höhe ist danach den Arbeitnehmern gegenüber nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber die Gewährung der Zulagen auf Dauer einstellen will, sonst nur und erst zu dem Zeitpunkt, zu dem sich Arbeitgeber und Betriebsrat über die Neuverteilung des restlichen Zulagenvolumens geeinigt haben, bzw. ein Spruch der Einigungsstelle diese Einigung ersetzt hat. Diese Rechtsprechung des Dritten Senats berücksichtigt die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur, wonach die Mitbestimmung Wirksamkeitsvoraussetzung für Rechtsgeschäfte zum Nachteil des Arbeitnehmers und deren Umsetzung in das einzelne Arbeitsverhältnis ist (BAGE 3, 207, 212 = AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG 1952 mit Anm. Dersch; BAGE 34, 331, 349 f. = AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu C II der Gründe; BAGE 38, 365, 370 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu 2 b der Gründe mit Anm. Moll; BAGE 39, 277 = AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung mit zust. Anm. Misera = SAE 1983, 317 mit zust. Anm. Hirschberg; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 16 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 87 Rz 23 ff. und Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 76 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur).
Auf der anderen Seite kann möglicherweise aufgrund dieser Rechtsprechung der Arbeitgeber gegen seinen Willen gezwungen sein, über den Zeitpunkt der Kürzung hinaus übertarifliche Zulagen in bisherigem Umfang zu zahlen, bis eine Einigung mit dem Betriebsrat über die Neuverteilung des Zulagenvolumens vorliegt, obwohl die Festlegung des Zulagenvolumens mitbestimmungsfrei ist.
c)Die Rechtsfrage, wie die Unwirksamkeitstheorie des BAG in Einklang gebracht werden kann mit dem begrenzten Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen bzw. bei der Ausübung des vorbehaltenen Widerrufs der Zulage für den Fall einer Tariflohnerhöhung ist von wesentlichem Gewicht für die Rechtsordnung und das Rechtsleben, da von der Lösung dieses Problems abhängt, ob der Betriebsrat möglicherweise trotz eines auf die Verteilungsentscheidung begrenzten Mitbestimmungsrechts erzwingen kann, daß der Arbeitgeber über den Widerruf bzw. die Anrechnung hinaus die Zulagen in bisheriger Höhe weiterzahlen muß (BAGE GS 48, 122, 126 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu B 1 der Gründe, m.w.N.).
d)Nicht zu prüfen hatte der Große Senat, ob die Entscheidung der vorgelegten Fragen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ist hierfür allein die Auffassung des vorlegenden Senats maßgebend (BAGE 48, 122, 129 = AP, aaO, zu B 2 der Gründe).
Ebensowenig unterliegt es der Prüfung des Großen Senats, ob die vorgelegten Fragen für die Entscheidung des vorlegenden Senats tragend sind. Der vorlegende Erste Senat als der zur Entscheidung des Rechtsstreits berufene gesetzliche Richter hat in dem Vorlagebeschluß dargelegt, daß er die vorgelegten Fragen für die Entscheidung der beiden bei ihm anhängigen Verfahren für erheblich hält. Daran ist der Große Senat gebunden (BAGE GS 48, 122, 129 = AP, aaO, zu B 3 der Gründe; BAGE GS 20, 175, 183 = AP Nr. 13 zu Art. 9 GG, zu II 4 a der Gründe; BAGE GS 8, 285, 290 = AP Nr. 21 zu § 616 BGB, zu A IV 1 der Gründe). Der Große Senat hat nur darauf zu achten, das seine Entscheidung nicht auf die Erstattung eines Gutachtens hinausläuft. Das ist vorliegend offensichtlich nicht der Fall.
C.Die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen aus Anlaß und bis zur Höhe einer Tariflohnerhöhung unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn sich dadurch die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt. Ein Regelungsspielraum entfällt, wenn durch Anrechnung bzw. Widerruf das Zulagenvolumen völlig aufgezehrt wird oder die Tariflohnerhöhung vollständig und gleichmäßig auf die über-/außertariflichen Zulagen angerechnet wird. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Arbeitgeber sich die Anrechnung bzw. den Widerruf vorbehalten hat oder die Anrechnung aufgrund der Feststellung einer Automatik erfolgt.
I.§ 77 Abs. 3 BetrVG, wonach Arbeitsentgelt und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können, steht dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen.
1.Im Beschluß vom 24. Februar 1987 (BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972 mit Anm. Richardi = EzA § 87 BetrVG 1972 Nr. 10 mit Anm. Gaul = AR-Blattei, Betriebsverfassung XIV B, Entscheidung 102 mit Anm. Löwisch/Rieble = SAE 1989, 1 mit Anm. Wiese) hat der Erste Senat entschieden, § 77 Abs. 3 BetrVG erfasse nicht Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht hat. Der Erste Senat hat dies mit dem jeweiligen Normzweck, der Systematik des Gesetzes und der Bedeutung der Betriebsvereinbarung für die Mitbestimmung begründet.
Normzweck von § 77 Abs. 3 BetrVG ist die Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie (vgl. Beschlüsse des Ersten Senats vom 22. Mai 1979 - 1 ABR 100/77 - AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972, vom 22. Januar 1980, BAGE 32, 350 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, vom 27. Januar 1987, BAGE 54, 147 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972 und vom 24. Februar 1987, aaO, m.w.N.). Das entspricht allgemeiner Ansicht (vgl. Nachweise bei Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 66). § 77 Abs. 3 BetrVG gilt aber nicht ausnahmslos. So ist § 77 Abs. 3 BetrVG in § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG für den Sozialplan ausgeschlossen. Auch § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG enthält nach Auffassung des Ersten Senats eine Ausnahme von der Regelung des § 77 Abs. 3 BetrVG. Nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG besteht ein Mitbestimmungsrecht in den nachfolgend genannten Angelegenheiten dann nicht, wenn bereits eine tarifliche oder gesetzliche Regelung besteht. Sinn des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG ist es nach Auffassung des Ersten Senats, Direktionsrechte des Arbeitgebers zu beschränken, einzelvertragliche Vereinbarungen wegen der dabei gestörten Vertragsparität zurückzudrängen und allgemeine Grundsätze über die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit aufzustellen. In späteren Entscheidungen hat der Erste Senat besonderes Gewicht auf den ersten Aspekt gelegt, wonach im Bereich von § 87 Abs. 1 BetrVG das einseitige Bestimmungsrecht des Arbeitgebers durch eine gleichberechtigte Teilhabe des Betriebsrats an der Entscheidung ersetzt werden soll (BAG Beschluß vom 18. April 1989, BAGE 61, 296 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang mit Anm. Rieble = EzA § 87 BetrVG 1972 Nr. 13 mit Anm. Wiese, und SAE 1990, 18 mit Anm. Hromadka; BAG Beschluß vom 4. Juli 1989, BAGE 62, 233 = AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang). Für einen derartigen Schutz durch Mitbestimmung besteht kein Bedürfnis mehr, wenn der Mitbestimmungsgegenstand inhaltlich und abschließend durch Gesetz oder Tarifvertrag geregelt worden ist. Dann ist den berechtigten Interessen der Arbeitnehmer bereits Rechnung getragen. Hieraus erklärt sich nach Auffassung des Ersten Senats die Regelung von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG. Dagegen entfaltet eine tarifliche Regelung, die nur üblich ist, für den Betrieb jedoch keine Bindungen erzeugt, gerade nicht den erforderlichen Schutz. Wären die Mitbestimmungsrechte schon ausgeschlossen, wenn die Arbeitsbedingungen üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt würden, würden die Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG weitgehend leerlaufen. Mitbestimmungsrecht und Regelungsmöglichkeit durch Betriebsvereinbarung sind aber nach Auffassung des Ersten Senats nicht zu trennen: Die Betriebsvereinbarung sei das vom Gesetzgeber bereitgestellte geeignete Instrument, eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit zu regeln, da sie im Gegensatz zur formlosen Regelungsabrede unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse einwirke.
2.Die Vertreter dieser Vorrangtheorie (Säcker, ZfA Sonderheft 1972, 41, 64 ff.; ders., BB 1979, 1201; Birk, Anm. zu BAG EzA § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht Nr. 2; ders., ZfA 1986, 73, 104; Fabricius, RdA 1973, 125, 126; Farthmann, RdA 1974, 65, 71 f.; von Friesen, DB 1980, Beilage Nr. 1, S. 14 f.; dies., DB 1983, 1871, 1872 f.; Gast, Tarifautonomie und die Normsetzung durch Betriebsvereinbarung, 1981, S. 39 ff.; ders., BB 1987, 1249; Gaul, Anm. zu BAG EzA § 87 BetrVG 1972 Nr. 10; Gnade/Kehrmann/ Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 77 Rz 32; Hagemeier/Kempen/ Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., Einleitung Rz 214; Reuter, SAE 1976, 15, 17 f.; Reuter/Streckel, Grundfragen der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung, 1973, S. 33 ff.; Simitis/Weiss, DB 1973, 1240, 1247; Weiss, BetrVG, 2. Aufl., § 77 Rz 10) sind der Auffassung, daß Systematik und Gesetzgebungsgeschichte nicht zwingend dafür sprechen, die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG auf § 87 auszudehnen. Gast meint, die dem entgegenstehende "Zweischrankentheorie" würde dem Mitbestimmungsrecht in materiellen Angelegenheiten den Boden entziehen, es bliebe nur ein "Law in the books". Von Hoyningen-Huene und Meier-Krenz (NZA 1987, 793, 797) teilen die Auffassung der Vertreter der Zweischrankentheorie, daß § 77 Abs. 3 und § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG zum Teil unterschiedliche Regelungsgegenstände haben. Gerade daraus ziehen sie aber den Schluß, daß § 77 Abs. 3 auf § 87 BetrVG nicht anzuwenden sei, weil sonst der Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG kaum noch eine eigenständige Bedeutung hätte. Zweck des Tarifvorrangs sei es, das Mitbestimmungsrecht dann entfallen zu lassen, wenn die Arbeitnehmerinteressen durch im Betrieb anwendbare tarifliche Regelungen ausreichend berücksichtigt seien. Dieser Zweck sei aber gerade vereitelt, wenn bei bloßer Tarifüblichkeit oder fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers Betriebsvereinbarungen nicht abgeschlossen werden könnten. Nur Betriebsvereinbarungen mit ihrer unabdingbaren Wirkung seien geeignet, den mit § 87 Abs. 1 BetrVG beabsichtigten Schutz der Arbeitnehmer herzustellen.
3.a)Der Rechtsprechung des Ersten Senats und den Vertretern der Vorrangtheorie wird zum Teil entgegengehalten, aus Normzweck und systematischem Zusammenhang von § 77 Abs. 3 BetrVG ergebe sich, daß auch im Bereich von § 87 Abs. 1 BetrVG das Mitbestimmungsrecht bereits entfalle, wenn üblicherweise materielle Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag geregelt werden (Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 35; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 91; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 182, 224; jetzt wohl auch Wank, RdA 1991, 129 ff.).
Löwisch (aaO) und Richardi (aaO) gehen davon aus, daß die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nur materielle Arbeitsbedingungen erfaßt, so daß die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats insoweit unberührt bleiben, als sie Arbeitsbedingungen betreffen, die diese Autoren als formelle einstufen. Welche Rechtsunsicherheit die Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Arbeitsbedingungen mit sich bringt, zeigen die weiteren Ausführungen gerade dieser beiden Autoren: Löwisch (AR-Blattei, Betriebsverfassung XIV B, Anmerkung zu Entsch. 91) hält die Auffassung des Ersten Senats im Beschluß vom 17. Dezember 1985 (- 1 ABR 6/84 - BAGE 50, 313 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang), wonach der Betriebsrat mitzubestimmen hat, wenn der Arbeitgeber zum tariflich geregelten Entgelt allgemein eine Zulage gewährt, deren Höhe von ihm aufgrund einer individuellen Entscheidung festgelegt wird, im Ergebnis für zutreffend, weil es sich bei dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nur um eine formelle Arbeitsbedingung handele. Dagegen hielt Richardi (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 182) ursprünglich auch die Mitbestimmung durch formlose Regelungsabrede bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung gerade für ausgeschlossen, weil es hierbei um materielle Arbeitsbedingungen gehe.
Inzwischen hat der Erste Senat (Urteil vom 9. April 1991 - 1 AZR 406/90 - AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) entschieden, daß § 77 Abs. 3 BetrVG eine Tarifsperre nicht nur für sogenannte materielle, sondern für alle Arbeitsbedingungen enthält. Nach Überzeugung des Ersten Senats kann der Verbindung der Worte "Arbeitsentgelt" und "sonstige Arbeitsbedingungen" nicht entnommen werden, daß nur für solche Arbeitsbedingungen eine Tarifsperre bestehen soll, die wie die "Arbeitsentgelte" Entgeltcharakter haben. Wäre dies vom Gesetzgeber gewollt gewesen, hätte es nahegelegen, wie in § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG den Begriff "vergleichbare" Arbeitsbedingungen zu verwenden. Ohne eine solche Einschränkung sind unter Arbeitsbedingungen wie in § 1 Abs. 1 TVG Regelungen zu verstehen, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen. Für dieses Verständnis spricht insbesondere der Zweck der Regelung in § 77 Abs. 3 BetrVG, die ausgeübte und aktualisierte Tarifautonomie zu schützen.
In der Zwischenzeit hat Richardi (Anm. zum Beschluß vom 24. Februar 1987 in AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972) sich im Ergebnis dem Ersten Senat weitgehend angenähert. Er vertritt nunmehr die Auffassung, das Mitbestimmungsrecht in § 87 BetrVG werde durch die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht ausgeschlossen; er stimmt dem Bundesarbeitsgericht auch ausdrücklich darin zu, daß in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf die formlose Regelungsabrede verwiesen werden können, sondern gerade Betriebsvereinbarungen wegen ihrer zwingenden und unabdingbaren Wirkung das geeignete Instrument zur Ausübung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in den in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten sind. Richardi macht nur einen dogmatischen Vorbehalt: Die zutreffende Erkenntnis des Bundesarbeitsgerichts spreche nicht für die sogenannte Vorrangtheorie, sondern lediglich dafür, daß der Zweck der Mitbestimmung es gebiete, insofern eine Ausnahme von § 77 Abs. 3 BetrVG zu machen. § 77 Abs. 3 BetrVG stehe zwar nicht einer Wahrnehmung der Mitbestimmung durch Betriebsvereinbarung entgegen, es müsse aber anerkannt werden, daß er Anwendung finde, wenn wegen des Gesetzes- und Tarifvorrangs in § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG kein Mitbestimmungsrecht bestehe, so daß in diesen Fällen freiwillige Betriebsvereinbarungen ausgeschlossen seien.
b)Die übrigen Vertreter der Zweischrankentheorie wollen zwar § 77 Abs. 3 BetrVG auch auf den Bereich des § 87 BetrVG ausdehnen, sehen aber dadurch die Mitbestimmungsrechte in § 87 BetrVG nicht tangiert, sondern halten es nur für unzulässig, daß die Mitbestimmung, soweit § 77 Abs. 3 BetrVG eingreift, durch Betriebsvereinbarung ausgeübt wird (vgl. Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 76; ders., Grenzen der Betriebsautonomie, 1979, S. 220 ff.; Moll, Der Tarifvorrang im BetrVG, 1980, S. 53 ff.; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, 1984, S. 150; Fitting/ Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 77 Rz 68; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 38; ders., 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, 1979, S. 661, 664 f.; Zöllner, Arbeitsrecht, 3. Aufl., § 47 IV 5 d; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 77 Rz 74; Misera, Anm. zu AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 295). Die Auffassung dieser Vertreter der Zweischrankentheorie steht also einem Mitbestimmungsrecht beim Widerruf von übertariflichen Zulagen bzw. der Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen nicht entgegen.
4.Der Große Senat schließt sich der Auffassung an, daß § 77 Abs. 3 BetrVG einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG nicht entgegensteht und dieses Mitbestimmungsrecht auch durch Abschluß einer Betriebsvereinbarung wahrgenommen werden kann.
a)Nach seinem Wortlaut ergreift die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht die Mitbestimmung, sondern untersagt lediglich den Abschluß von Betriebsvereinbarungen, wenn Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf für das BetrVG 1972 (BR-Drucks. 715/70) sollte hierdurch insbesondere verhindert werden, "daß der persönliche Geltungsbereich von Tarifverträgen auf einem anderen als dem hierfür vorgesehenen Weg der Allgemeinverbindlicherklärung nach dem TVG ausgedehnt wird". Insbesondere mit dem Ausschluß der Möglichkeit, den Inhalt eines Tarifvertrags durch Betriebsvereinbarung zu übernehmen, sollte also die Tarifautonomie geschützt werden. Das Verhältnis von § 77 Abs. 3 zu § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG war Gegenstand der Beratungen im Gesetzgebungsverfahren. Der Bundesrat verlangte, hinter § 87 Abs. 1 einen Absatz 1 a mit dem Wortlaut einzufügen: "§ 77 Abs. 3 ist anzuwenden", um damit auch die Mitbestimmungsrechte nach § 87 unter den Vorrang der Tarifüblichkeit zu stellen. Dieser Antrag des Bundesrats ist nicht Gesetz geworden. Die Bundesregierung ging auf den Vorschlag des Bundesrats nicht konkret ein, sondern äußerte zu den Änderungsvorschlägen insgesamt, "Änderungen des Entwurfs i.S. dieser Vorschläge" beeinträchtigten "die Ausgewogenheit der Gesamtkonzeption des Entwurfs" (Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines BetrVG, zu BT-Drucks. VI/1786, S. 2). Bei den Beratungen des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung traten Vertreter der Arbeitgeberverbände und Abgeordnete der CDU für eine Streichung der Mitbestimmungsrechte in materiellen Angelegenheiten ein bzw. forderten zur Klarstellung bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 die Aufnahme der Worte "unbeschadet des § 77 Abs. 3 BetrVG". Die Abgeordneten der SPD plädierten wiederum für eine Beibehaltung der Mitbestimmung in materiellen Angelegenheiten und wiesen darauf hin, daß entweder § 77 Abs. 3 oder § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG die Tarifautonomie schütze. Im Plenum ist die Frage nicht mehr erörtert worden, so daß insoweit ein bestimmter Wille des Gesetzgebers nicht mehr erkennbar geworden ist. Deshalb ist die Entstehungsgeschichte für das Verhältnis von § 77 Abs. 3 zu § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG unergiebig (von Hoyningen-Huene/Meier-Krenz, NZA 1987, 793, 798; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, 1984, S. 167 ff.; Wank, RdA 1991, 129, 136).
b)Auch der systematische Zusammenhang spricht nicht zwingend für die eine oder andere Lösung (ebenso Wank, RdA 1991, 129, 134, 135). Richtig ist, daß § 77 Abs. 3 im ersten Abschnitt über "Allgemeines" den einzelnen Beteiligungsrechten vorangestellt ist. Dies könnte dafür sprechen, daß § 77 Abs. 3 BetrVG für alle Beteiligungsrechte gelten solle. Hiergegen ist aber vom Ersten Senat und einer Vielzahl von Autoren eingewandt worden, daß § 77 Abs. 3 BetrVG ohnehin nicht ausnahmslos gilt. Die Vorschrift ist ausdrücklich in § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG für Sozialpläne ausgeschlossen. Ein anderer Ausnahmefall ist § 87 Abs. 1 Eingangssatz, der das Verhältnis von Mitbestimmungsrecht zu Tarifvertrag eigenständig regelt (von Hoyningen-Huene/Meier-Krenz, NZA 1987, 793, 797). Der Gegenschluß aus der Regelung in § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG ist nicht zulässig. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, da § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG die Anwendbarkeit des § 77 Abs. 3 BetrVG ausdrücklich ausschließe, könne dies bei § 87 Abs. 1 BetrVG nicht angenommen werden. Die Vertreter dieser Ansicht übersehen, daß die Mitbestimmungsregelung in § 87 Abs. 1 BetrVG eine von der allgemeinen Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG abweichende eigene Vorschrift über das Verhältnis zum Tarifvertrag enthält, während eine entsprechende Regelung beim Sozialplan fehlt. Deshalb mußte der Gesetzgeber, wenn er für Sozialpläne die Anwendbarkeit von § 77 Abs. 3 BetrVG ausschließen wollte, dies dort auch ausdrücklich erklären. Der Systematik des Gesetzes kann allerdings auch nicht entnommen werden, daß § 77 Abs. 3 BetrVG im Bereich des § 87 Abs. 1 BetrVG keine Anwendung finden solle.
c)Der Zweischrankentheorie ist zuzugeben, daß § 77 Abs. 3 und § 87 Abs. 1 BetrVG zum Teil einen unterschiedlichen Regelungsgegenstand haben, so daß die Unanwendbarkeit von § 77 Abs. 3 BetrVG im Bereich der echten Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht allein damit begründet werden kann, § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG sei die speziellere Norm gegenüber § 77 Abs. 3 BetrVG (so zutreffend Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 119). Entscheidend ist eine Gewichtung der Normzwecke: Während durch § 77 Abs. 3 BetrVG die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gewährleistet werden soll, ist Zweck des Tarifvorrangs nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG, das Mitbestimmungsrecht nur dann entfallen zu lassen, wenn bereits die Arbeitnehmerinteressen durch im Betrieb anwendbare tarifliche oder gesetzliche Regelungen ausreichend berücksichtigt sind. Dieser Zweck wäre vereitelt, wenn bei bloßer Tarifüblichkeit oder fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers die Mitbestimmung entfallen würde. Dies sieht ein großer Teil der Vertreter der Zweischrankentheorie ebenso. Dann ist es aber sinnwidrig, § 77 Abs. 3 BetrVG zu entnehmen, daß die Mitbestimmung bezüglich solcher Arbeitsbedingungen, die üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden, nur durch formlose Regelungsabrede wahrgenommen werden kann. § 77 Abs. 3 BetrVG würde die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie im Bereich des § 87 Abs. 1 BetrVG ohnehin nicht gewährleisten, sondern nur die Effizienz der Mitbestimmung erheblich mindern, ohne daß hierfür ein Sinn erkennbar wäre.
Das Betriebsverfassungsgesetz hat in § 77 BetrVG die Betriebsvereinbarung als das geeignete Regelungsinstrument den Betriebsparteien zur Verfügung gestellt. Die Parteien bedürfen ihrer auch bei der Regelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit, da sie im Gegensatz zur Regelungsabrede unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer einwirkt, so daß es keiner Umsetzung der vereinbarten Regelung in das Einzelarbeitsverhältnis mehr bedarf. Das ist ein so großer Vorteil für Arbeitgeber und Betriebsrat, daß die Aussage des Ersten Senats im Beschluß vom 24. Februar 1987 (aaO) berechtigt ist, die Frage, ob Mitbestimmungsrechte in einer bestimmten Angelegenheit bestehen (§ 87 BetrVG) und ob diese Angelegenheit durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, lasse sich nicht trennen.
Man denke an eine Regelung über die Einführung von Kurzarbeit. Hat der Betriebsrat zum Beispiel in Wahrnehmung seines Mitbestimmungsrechts der Einführung von Kurzarbeit zugestimmt (Regelungsabrede), ohne im Hinblick auf § 77 Abs. 3 BetrVG eine Betriebsvereinbarung abschließen zu können, müßte der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen, wenn trotz dieser Zustimmung die von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer verlangen würden, vollbeschäftigt zu werden. Umgekehrt könnten Arbeitnehmer trotz einer Regelungsabrede zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Gewährung einer Zulage hieraus nicht unmittelbar gegen den Arbeitgeber Ansprüche herleiten. Schließlich wirken nur Betriebsvereinbarungen, nicht aber formlose Regelungsabreden in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nach § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Aus diesen Gründen regeln die Betriebsparteien in der Praxis auch laufend mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten durch Betriebsvereinbarung, selbst wenn die Arbeitsbedingungen üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden.
II.Einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausübung des Widerrufsvorbehalts anläßlich einer Tariflohnerhöhung und der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen steht auch nicht der Tarifvorrang von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG entgegen.
1.a)Die notwendige Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Entscheidungen (BAG Beschluß vom 24. Februar 1987, BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 26. Mai 1988, BAGE 58, 297 = AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; BAG Beschluß vom 18. April 1989 - 1 ABR 100/87 - AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; vgl. aus der Literatur: Wiese, 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, 1979, S. 661, 662; ders., GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 73; von Hoyningen-Huene, SAE 1985, 298 ff.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 87 Rz 7 und 44; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 42; Koller, ZfA 1980, 521, 553 ff.; Hromadka, DB 1986, 1921 ff.; ders., DB 1988, 2636, 2641; Goos, NZA 1986, 701, 702; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 4. Aufl., Rz 514).
b)Entsprechend dem Sinn des Ausschlusses des Mitbestimmungsrechts bei einer bestehenden gesetzlichen oder tariflichen Regelung greift der Vorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nur ein, wenn die gesetzliche oder tarifliche Regelung die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst abschließend und zwingend regelt und damit schon selbst dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts Genüge tut (BAGE 46, 182 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang m. Anm. Wiedemann; BAGE 50, 313 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang m. Anm. Kraft; BAGE 56, 346 = AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung und BAGE 57, 309 = AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Dem entspricht die ganz herrschende Meinung in der Literatur (vgl. nur Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 50; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 87 Rz 10 und 10 a; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 45, 46; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 87 Rz 51; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 28 b; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 4. Aufl., Rz 514).
2.a)Der Erste Senat hatte zunächst im Beschluß vom 31. Januar 1984 (BAGE 46, 182 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang m. Anm. Wiedemann) entschieden, der Betriebsrat habe kein Mitbestimmungsrecht, wenn das Arbeitsentgelt für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tariflich geregelt sei und der Arbeitgeber zum tariflich geregelten Entgelt einen übertariflichen Zuschlag zahle, der an keine weiteren Voraussetzungen gebunden sei, sondern lediglich zur - wenn auch unterschiedlichen - Erhöhung des tariflichen Entgelts führe. Zur Begründung hat der Erste Senat damals ausgeführt, sowohl das tarifliche Arbeitsentgelt wie auch die vom Arbeitgeber gewährte übertarifliche Zulage seien schlichtes Entgelt für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Dieses Arbeitsentgelt sei dem Gegenstand nach tariflich geregelt. Dadurch, daß in den Tarifverträgen dieses Entgelt als Zeitlohn nach bestimmten Lohn- und Gehaltsgruppen geregelt werde, hätten die Tarifvertragsparteien bestimmt, in welcher Weise Lohngerechtigkeit verwirklicht und das Lohngefüge durchschaubar gestaltet werden solle. Damit sei dem Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG Genüge getan.
b)Durch Beschluß vom 17. Dezember 1985 (BAGE 50, 313 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang m. Anm. Kraft) hat der Erste Senat diese Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, der Betriebsrat habe mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber zum tariflich geregelten Entgelt allgemein eine betriebliche Zulage gewähre, deren Höhe von ihm aufgrund einer individuellen Entscheidung festgelegt werde. Zur Begründung hat der Erste Senat ausgeführt, es entspreche dem Wesen tariflicher Entgeltregelungen, daß diese nur Mindestbedingungen setzen. Damit könne die tarifliche Entgeltregelung im übertariflichen Bereich gerade diejenige Schutzwirkung nicht entfalten, um derentwillen dem Betriebsrat bei der Lohngestaltung ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt worden sei. Die tarifliche Entgeltregelung könne die Durchsichtigkeit der tatsächlichen betrieblichen Lohngestaltung nicht bewirken und innerbetriebliche Lohngerechtigkeit im übertariflichen Bereich nicht gewährleisten. Diese Rechtsprechung hat der Erste Senat seitdem mehrmals bestätigt (Beschluß vom 13. Januar 1987, BAGE 54, 79 = AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Beschluß vom 24. November 1987, BAGE 56, 346 = AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Beschluß vom 10. Februar 1988, BAGE 37, 309 = AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung und Beschluß vom 6. Dezember 1988, BAGE 60, 244 = AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, m. Anm. Reuter).
c)Der Große Senat folgt dieser Rechtsprechung. aa)Die vereinzelt laut gewordene Kritik gegen diese Rechtsprechung ist nicht begründet. Wenn Kappes (DB 1986, 1520 f.) die Auffassung vertritt, der Erste Senat hätte in dem Beschluß vom 17. Dezember 1985 (aaO) zu einem anderen Ergebnis kommen müssen, weil ein kollektiver Tatbestand nicht vorgelegen habe, der ein Mitbestimmungsrecht habe auslösen können, richtet sich diese Kritik nicht gegen die Auffassung des Ersten Senats, der Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG sperre bei der Zusage übertariflicher Zulagen nicht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Aus diesem Grunde bedarf es einer Auseinandersetzung mit dieser Kritik an dieser Stelle nicht. Grundsätzlicher setzt sich Goos (NZA 1986, 701, 702) mit der Entscheidung vom 17. Dezember 1985 auseinander: Er macht darauf aufmerksam, daß von Hoyningen-Huene und ihm folgend das Bundesarbeitsgericht das Gesamtentgelt in das im Tarifvertrag geregelte Entgelt für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als den einen Regelungsgegenstand und die übertarifliche Bezahlung als den anderen Regelungsgegenstand aufgespalten haben. Er räumt ein, daß die "geradezu verblüffend logische Ableitung eines grundsätzlichen Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei betrieblichen Zulagen" nur infrage gestellt werden könne, wenn man Sinn und Zweck des § 77 Abs. 3 BetrVG zu Hilfe nehme. Dies ist aber - wie oben unter C I 4 ausgeführt worden ist - im Bereich des § 87 Abs. 1 BetrVG gerade nicht möglich. Kraft hat in der Anmerkung zum Beschluß vom 17. Dezember 1985 (AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang) die Wende der Rechtsprechung vom Gesetz für geboten gehalten, da der Tarifvorbehalt im Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG nur dann das Mitbestimmungsrecht ausschließe, wenn die tarifliche Regelung die fragliche Angelegenheit selbst abschließend und zwingend regele, die Frage übertariflicher Zulagen aber gerade nicht im Tarifvertrag geregelt sei. Da der Tarifvertrag ohnehin nur Mindestbedingungen regeln könne, greife eine betriebliche Regelung für den übertariflichen Bereich nicht in die Tarifautonomie ein. Bei seinen späteren Ausführungen in der Festschrift für K. Molitor (1988, S. 207, 212), nach denen die auf von Hoyningen-Huene zurückgehende Aufspaltung des Gesamtentgelts für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung in einen tariflichen und in einen übertariflichen Regelungsgegenstand wenig überzeugend sein soll, fehlt jede Auseinandersetzung mit seiner eigenen entgegengesetzten Ansicht in der Anmerkung zu AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang.
Die Kritik von Stege/Weinspach (BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 169 b), bei einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei übertariflichen Zulagen habe es der Betriebsrat in der Hand, über seine Mitbestimmung bei den übertariflichen Zulagen zu erreichen, daß das Entgelt für die geschuldete Arbeitsleistung insgesamt nach anderen Kriterien gemessen werde, als es die Tarifparteien beabsichtigt hätten, wird durch die Rechtsprechung widerlegt. Die tariflichen Mindestlöhne richten sich auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach den Kriterien, die im Tarifvertrag vereinbart sind. Die Kriterien für übertarifliche Zulagen werden ohnehin nicht nach den Vorgaben von Tarifverträgen verteilt. Hier geht es allein um die Alternative, ob der Arbeitgeber allein die Kriterien für die Verteilung bestimmt oder ob er sich mit dem Betriebsrat darüber einigen muß.
bb)Folgende Gründe geben den Ausschlag für die von der ganz überwiegenden Mehrheit in der Literatur geteilten Auffassung des Ersten Senats, daß der Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen für übertarifliche Zulagen nicht entgegensteht (Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 680; Löwisch, AR-Blattei, Betriebsverfassung XIV B, Anmerkung zu Entsch. 91; Hromadka, DB 1986, 1921 ff.; ders., DB 1988, 2636, 2639 ff.; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 4. Aufl., Rz 614 a; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 87 Rz 11 a; Herbst, DB 1987, 738; Matthes, NZA 1987, 289, 293; Rose, Betriebsrat 1986, 417; Gast, BB 1987, 1249, 1252):
Wenn nach ständiger Rechtsprechung des Ersten Senats (vgl. statt vieler Beschluß vom 18. April 1989, BAGE 61, 296 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang) im Einklang mit der absolut herrschenden Meinung im Schrifttum der Normzweck des § 87 BetrVG darin besteht, daß der Betriebsrat in den in § 87 BetrVG genannten Angelegenheiten gleichberechtigt mitbestimmt und eine Tarifnorm das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nur ausschließt, wenn sie die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst abschließend und zwingend regelt und das einseitige Bestimmungsrecht des Arbeitgebers beseitigt, dann muß jeweils gefragt werden, ob der im Betrieb geltende Tarifvertrag dem Arbeitgeber noch ein einseitiges Bestimmungsrecht beläßt oder nicht. Regelt der Tarifvertrag bezüglich des Entgelts lediglich Mindestleistungen, dann ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebs rats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nur insoweit ausgeschlossen, als der Tarifvertrag bestimmt, nach welchen Kriterien das Tarifentgelt vom Arbeitgeber zu gewähren ist. Zahlt der Arbeitgeber zu dem Tarifentgelt übertarifliche Zulagen, so ist er durch den Tarifvertrag nicht gebunden, nach welchen Kriterien er diese Zulagen verteilt. Der Tarifvertrag kann - wie der Erste Senat dies in der Entscheidung vom 17. Dezember 1985 (aaO) ausgeführt hat - gerade nicht die Schutzwirkung entfalten, um derentwillen dem Betriebsrat bei der Lohngestaltung ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt worden ist. Die tarifliche Entgeltregelung kann bezüglich der übertariflichen Zulagen die Durchsichtigkeit der betrieblichen Lohngestaltung gerade nicht bewirken und ebensowenig innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gewährleisten. Wäre das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG durch § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen, könnte der Arbeitgeber bei der Aufstellung der Kriterien für übertarifliche Zulagen allein bestimmen. Der Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG soll aber nur eingreifen, wenn der Arbeitgeber bereits durch den Tarifvertrag rechtlich gebunden ist, er also sein einseitiges Bestimmungsrecht verloren hat.
III.Ebenso wie die Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen für übertarifliche Zulagen unterliegt auch die Änderung dieser Verteilungsgrundsätze grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber sich die Anrechnung bzw. den Widerruf vorbehalten hat oder sich die Anrechnung zunächst automatisch vollzieht. Dieses Mitbestimmungsrecht entfällt allerdings, wenn tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen, d.h. für den Betriebsrat kein Regelungsspielraum verbleibt.
1.a)Nach der Rechtsprechung des Ersten Senats ist die Frage, nach welchen Kriterien sich die Höhe der Zulagen und deren Verhältnis zueinander bestimmen soll, eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung unterliegt (vgl. z.B. BAGE 54, 79 und BAGE 57, 309 = AP Nr. 26 und 33 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, beide m.w.N.). Dieses Mitbestimmungsrecht soll nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmers orientierten oder willkürlichen Lohngestaltung schützen. Es soll die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sichern (BAGE 46, 182, 187 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, zu B III 1 der Gründe, m.w.N.). Die Entscheidung des Arbeitgebers, anläßlich einer Tariflohnerhöhung diese zum Teil auf die übertariflichen Zulagen in unterschiedlicher Höhe anzurechnen und einige Zulagen auch zu erhöhen, um so eine "gewisse Harmonisierung des gesamten Lohngefüges zu erreichen", betrifft unmittelbar die betriebliche Lohngestaltung in diesem Sinne und ist daher mitbestimmungspflichtig (BAGE 56, 346 = AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).
Der Erste Senat hat in dieser Entscheidung aber auch ausgeführt, die Rechtslage sei anders bei der vollen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf alle Zulagen, genauer, bei der Verringerung der Zulagen um die Tariflohnerhöhung, weil für sie nicht eine Entscheidung des Arbeitgebers ursächlich sei. Die Verringerung der Zulage habe hier vielmehr ihren Grund in der bestehenden Zulagenordnung. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die bestehende Zulagenordnung, nach der Tariflohnerhöhungen auf die Zulagen angerechnet werden können, unter Beteiligung des Betriebsrats oder einseitig vom Arbeitgeber geschaffen worden sei. Die Nichtbeteiligung des Betriebsrats bei der Schaffung der Zulagenordnung führe nicht zu einem Mitbestimmungsrecht bei deren Vollzug. Das entspricht der Rechtsprechung des Vierten und Fünften Senats, nach der die Verringerung der übertariflichen Zulage um die Tariflohnerhöhung eine Folge der "Tarifautomatik" ist, so daß ein Anknüpfungspunkt für ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht besteht.
b)Im Beschluß vom 13. Januar 1987 (BAGE 54, 79 = AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, mit Anm. Gaul) hat der Erste Senat entschieden, der Betriebsrat habe nicht mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber die finanzielle Belastung durch freie übertarifliche Zuschläge insgesamt kürzen wolle, dagegen unterliege bei der gleichmäßigen teilweisen Kürzung die Frage, wie das gekürzte Zulagenvolumen auf die von der Kürzung betroffenen Arbeitnehmer verteilt werden solle, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
c)In der Entscheidung vom 10. Februar 1988 (BAGE 57, 309 = AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) hat der Erste Senat seine Auffassung bestätigt, daß der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht bei der Kürzung des Volumens für übertarifliche Zulagen hat, wohl aber bei der gleichmäßigen Kürzung auch aller Zulagen die Verteilung des gekürzten Zulagenvolumens auf die einzelnen Arbeitnehmer der Mitbestimmung unterliegt, weil die gleichmäßige Verteilung des gekürzten Zulagenvolumens nur eine von mehreren möglichen Entscheidungen sei. Diese Entscheidung ist aber entgegen der Auffassung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten im Vorlageverfahren GS 1/90 für die Anrechnungsproblematik nicht einschlägig, weil die Kürzung des Urlaubsgeldes in jenem Falle nicht im Zusammenhang mit einer Tariflohnerhöhung oder Tarifveränderung stand.
d)Im Ausgangsverfahren geht es um eine volle Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf alle übertariflichen Zulagen. Nicht alle Arbeitnehmer, die eine übertarifliche Zulage erhalten, sind tarifgebunden. In den Arbeitsverträgen ist auch nicht auf die einschlägigen Tarifverträge Bezug genommen worden. Gleichwohl hat sich der Arbeitgeber für den Fall der Gewährung einer übertariflichen Zulage in jedem Falle den Widerruf bzw. die teilweise oder vollständige Anrechnung von Tariflohnerhöhungen vorbehalten.
Der Erste Senat will im Gegensatz zu seiner Entscheidung vom 24. November 1987 (aaO) und der Rechtsprechung des Vierten und Fünften Senats nunmehr auch ein Mitbestimmungsrecht bejahen, wenn der Arbeitgeber in den Grenzen des Möglichen die Tariflohnerhöhung auf alle Zulagen vollständig anrechnen will. Der Erste Senat begründet seine Auffassung damit, auch die vollständige Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen führe zu einer Änderung der betrieblichen Lohngestaltung, nämlich der Zulagenordnung, wenn infolge der Anrechnung nicht alle Zulagen vollständig wegfielen. Auch bei einer gleichmäßigen vollen Anrechnung ändere sich das Verhältnis der den einzelnen Arbeitnehmern bisher gewährten Zulagen zueinander jedenfalls dann, wenn die bisher gewährten Zulagen nicht in einem einheitlichen und gleichen Verhältnis zum jeweiligen Tariflohn des Arbeitnehmers standen. Damit stelle sich bei einer Anrechnung die Frage der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit neu. Es bleibe zu fragen, ob das verbleibende Zulagenvolumen wie bisher oder nach anderen Kriterien neu verteilt werden solle. Diese Änderung der Verteilungsordnung trete nicht "automatisch" ein, vielmehr liege ihr die Entscheidung des Arbeitgebers zugrunde, von dem Anrechnungsvorbehalt nunmehr Gebrauch zu machen und damit das Zulagengefüge zu verändern.
2.a)Nach der Rechtsprechung des Vierten und Fünften Senats unterliegt die volle und gleichmäßige Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine übertarifliche Zulage aufgrund eines Widerrufs-/ Anrechnungsvorbehalts nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, auch wenn es nicht um individuell ausgestaltete Zulagen geht. Gleichgültig, ob das Entgelt in einem Betrag ausgewiesen wird oder in Tarifentgelt und übertarifliche Zulage aufgegliedert werde, handele es sich um ein einheitliches übertarifliches Entgelt, dessen Vereinbarung nach § 4 Abs. 3 TVG zulässig sei. Eine Tariflohnerhöhung wirke sich nur in der Weise aus, daß der tariflich abgesicherte Teil des Entgelts sich erhöhe. Die Anrechnung sei nur die Feststellung einer Tarifautomatik und unterliege deshalb nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.
b)Sei vereinbart worden, daß die Zulage beständig stets neben dem Tariflohn gezahlt werden solle, könne der Arbeitgeber die Tariflohnerhöhung nicht voll anrechnen (BAG Urteil vom 19. Juli 1978 - 5 AZR 180/77 - und vom 22. August 1979 - 5 AZR 769/77 - AP Nr. 10 und 11 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Davon sei im Zweifel auszugehen, wenn mit der Zulage besondere Leistungen oder Belastungen (Erschwernis-, Schmutzzulage) abgegolten werden sollten (im Anschluß an Urteil des Zweiten Senats vom 1. November 1956, BAGE 3, 132 = AP Nr. 5 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; Urteile vom 28. Oktober 1964 - 4 AZR 266/63 -, 11. August 1965 - 4 AZR 186/64 - und 4. Juni 1980 - 4 AZR 530/78 - AP Nr. 8, 9 und 13 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Es gebe aber eine Auslegungsregel, nach der von einer anrechenbaren Zulage auszugehen sei, sofern nicht eine besondere Vereinbarung über die Tarifbeständigkeit, die sich auch aus dem Zweck der Zulage (z.B. Leistungszulage) konkludent ergeben könne, vorliege (BAG Urteile vom 19. Juli 1978 - 5 AZR 180/77 - und vom 22. August 1979 - 5 AZR 769/77 - AP Nr. 10 und 11 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung).
3.Ob ein Mitbestimmungsrecht bei der Neuverteilung des durch die Anrechnung bzw. den Widerruf gekürzten Zulagenvolumens besteht, hängt nicht davon ab, ob die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen bzw. der Widerruf konstitutive Entscheidungen des Arbeitgebers sind oder es sich hierbei nur um die Feststellung einer Automatik handelt. Entscheidend ist vielmehr allein, ob Anrechnung bzw. Widerruf zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze für die über-/außertariflichen Zulagen führt; diese Änderung ist grundsätzlich mitbestimmungspflichtig.
a)Die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gibt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Die Regelung soll ein umfassendes Mitbestimmungsrecht auf diesem Gebiet sicherstellen (vgl. amtliche Begründung, BR-Drucks. 715/70, S. 49). Sie hat daher in den durch § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG gezogenen Grenzen den Charakter einer Generalklausel (BAGE 27, 194 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; BAGE 36, 385 = AP Nr. 10 zu § 76 BetrVG 1972; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 600; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 87 Rz 130).
b)Dieses Mitbestimmungsrecht setzt nur ein, wenn es um die Festlegung allgemeiner (kollektiver, genereller) Regelungen geht. Das ergibt sich unmittelbar aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, der ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung gibt und als Beispiele die Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen sowie die Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden aufführt (BAGE 37, 255; 39, 277; 45, 91 und 56, 346 = AP Nr. 7, 12, 15 und 31 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG Beschluß vom 30. März 1982 - 1 ABR 55/80 - AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Dem entspricht der Wille des historischen Gesetzgebers: In der amtlichen Begründung (BR-Drucks. 715/70, S. 49) und im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (zu BT-Drucks. VI/2729, S. 4) heißt es, in Übereinstimmung mit dem Regierungsentwurf und der Oppositionsvorlage werde daran festgehalten, daß sich die Mitbestimmung des BetriebsGründeA.Arbeitgeber und Betriebsrat streiten im Ausgangsverfahren darüber, ob der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat, wenn der Arbeitgeber eine Tariflohnerhöhung aufgrund eines Vorbehalts vollständig und gleichmäßig auf alle übertariflichen Zulagen anrechnet.Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um ein Unternehmen, das Präparate für die Haut- und Haarpflege herstellt und vertreibt. Er beschäftigt insgesamt 408 Mitarbeiter, davon 292 Angestellte und 116 gewerbliche Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes der chemischen Industrie für Ostwestfalen/Lippe. Er wendet die einschlägigen Tarifverträge für die chemische Industrie auf die Arbeitsverhältnisse an.De
aa)Ob ein das Mitbestimmungsrecht auslösender kollektiver Tatbestand vorliegt, kann nicht allein quantitativ bestimmt werden, wie dies noch zu § 56 BetrVG 1952 angenommen wurde (BAG Beschluß vom 19. April 1963 - 1 ABR 6/62 - AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG Entlohnung, mit Anm. Küchenhoff und BAG Beschluß vom 31. Januar 1969 - 1 ABR 11/68 - AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG Entlohnung mit Anm. Dietz; ebenso Galperin/Siebert, BetrVG, 4. Aufl., vor § 56 Rz 9 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. III, 2. Aufl. 1966, S. 369).
bb)Das Bundesarbeitsgericht lehnt seit der Entscheidung vom 18. November 1980 (- 1 ABR 87/78 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) die Lehre vom "quantitativen Kollektiv" ab, weil dieses ohne dezisionistische Festlegung keinen Maßstab ergibt, es andererseits aber für die betriebliche Praxis unzumutbar ist, mit der nichtssagenden Formel einer "relativ nicht unerheblichen Anzahl von Arbeitnehmern" arbeiten zu müssen. Es sind auch durchaus generelle Regelungsfragen vorstellbar, die vorübergehend nur einen Arbeitnehmer betreffen, andererseits können individuelle Sonderregelungen auf Wunsch der betroffenen Arbeitnehmer gehäuft auftreten. Die Zahl der betroffenen oder interessierten Arbeitnehmer ist deshalb nur ein Indiz für das Vorliegen eines kollektiven Tatbestandes (kritisch zum quantitativen Kollektiv auch Dietz, Anm. zu BAG AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG Entlohnung; Rüthers/ Germelmann, DB 1969, 2084, 2085; Schlüter, DB 1972, 139, 140; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 22; Hess/Schlochauer/ Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 87 Rz 19; Hromadka, DB 1988, 2636, 2641 f.; Goos, NZA 1986, 701, 703 f.; Hönsch, BB 1988, 700, 701).
cc)Für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Erste Senat entschieden, daß unabhängig von der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer der Betriebsrat immer mitzubestimmen hat, wenn die Heranziehung zu Überstunden aus betrieblichen Gründen erforderlich ist. In diesen Fällen müsse stets geregelt werden, ob, wann und von wem die Überstunden geleistet werden sollen. Damit müsse eine Frage geregelt werden, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berühre (BAG Beschluß vom 8. Juni 1982 - 1 ABR 56/80 - AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Auch bei dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (Lage und Verteilung der vorgegebenen Dauer der Arbeitszeit) hat der Erste Senat stets ein Mitbestimmungsrecht bejaht, wenn sich eine Regelungsfrage stellte, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührte (BAG Beschluß vom 18. April 1989 - 1 ABR 3/88 - AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit und BAG Beschluß vom 27. Juni 1989, BAGE 62, 202 = AP Nr. 35 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit - Umsetzung eines Arbeitnehmers in andere Schicht).
dd)Beim Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG richtet sich die Abgrenzung von Einzelfallgestaltung zu kollektivem Tatbestand danach, ob es um die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen geht (BAG Beschluß vom 10. Juli 1979 - 1 ABR 88/77 -, 22. Januar 1980 - 1 ABR 48/77 - und 8. März 1983 - 1 ABR 38/81 - sowie Urteil vom 31. Januar 1984 - 1 AZR 174/81 - AP Nr. 2, 3, 14 und 15 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) oder nicht. Hierbei kann die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer ein Indiz dafür sein, ob ein kollektiver Tatbestand vorliegt oder nicht. Das ist deshalb von Bedeutung, weil es dem Zweck des Mitbestimmungsrechts widerspräche, wenn der Arbeitgeber es dadurch ausschließen könnte, daß er mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern jeweils "individuelle" Vereinbarungen über eine bestimmte Vergütung trifft und sich hierbei nicht selbst binden und keine allgemeine Regelung aufstellen will. Mit einer solchen Vorgabe, nur individuell entscheiden zu wollen, könnte sonst jedes Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen werden (BAGE 50, 313 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang und BAGE 56, 346 = AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Bei der Änderung der Verteilungsgrundsätze für über-/außertarifliche Zulagen geht es stets um die Strukturformen des Entgelts. Deshalb liegt hier stets ein kollektiver Tatbestand vor.
ee) Auch im Ausgangsverfahren geht es um einen kollektiven Tatbestand: Der Arbeitgeber zahlte an die Mehrzahl seiner Arbeitnehmer übertarifliche Zulagen. Daraus ergibt sich ein Indiz für einen kollektiven Tatbestand. Auch wenn die Zulagen eine unterschiedliche Höhe aufweisen, lassen sie nach außen hin insofern eine Regel erkennen, als in vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsverträgen für den Fall der Gewährung einer freiwilligen Zulage eine Klausel enthalten ist, nach der u.a. diese Leistung jederzeit ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen angerechnet werden kann. Die Veränderung der Verteilungsgrundsätze durch die Anrechnung, die allein als mitbestimmungspflichtiger Tatbestand infrage kommt, erfolgt nach einem allgemeinen Grundsatz, der alle individuellen Besonderheiten außer Betracht läßt, indem die Tariflohnerhöhung auf alle Zulagen - soweit wie möglich - vollständig angerechnet wird (so auch Wiese, NZA 1990, 793, 799).
c)Das Mitbestimmungsrecht ist nicht davon abhängig, ob eine "konstitutive" Entscheidung des Arbeitgebers vorliegt, sondern allein davon, ob ein Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gegeben ist.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt die Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen der Mitbestimmung des Betriebsrats. Mit dem Festlegen von Kriterien für die Vergabe und die Verteilung von über-/außertariflichen Zulagen werden - als Teil des Entlohnungsgrundsatzes - Verteilungsgrundsätze aufgestellt, für die der Arbeitgeber nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Werden diese Grundsätze aufgrund einer Anrechnung, gleichgültig ob sie auf einer Entscheidung des Arbeitgebers beruht oder Folge einer Automatik ist, geändert, ist auch diese Änderung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG grundsätzlich mitbestimmungspflichtig.
4.Die Mitbestimmung bei der Änderung der Verteilungsgrundsätze kann im voraus oder aus Anlaß einer aktuellen Änderung wahrgenommen werden.
a)Einigen sich bei der Aufstellung der Verteilungsgrundsätze Arbeitgeber und Betriebsrat darauf, daß und wie die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf die übertariflichen Zulagen möglich sein soll, ohne daß der Betriebsrat bei einer Änderung der Verteilungsgrundsätze infolge der Anrechnung noch einmal beteiligt wird, so ist diese Absprache, die zu einer Änderung des Verteilungsgrundsatzes bei der Anrechnung führt, Teil der mitbestimmten Regelung. Damit entfällt für die Dauer dieser Regelung ein neuer Mitbestimmungstatbestand.
b)Besteht eine solche Regelung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht, unterliegt die Änderung der Verteilungsgrundsätze infolge der mitbestimmungsfreien Kürzung des Zulagenvolumens grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber sich die Anrechnung bzw. den Widerruf vorbehalten hat oder die Änderung aufgrund einer Automatik erfolgt, weil nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Betriebsrat bei der Änderung des Entlohnungsgrundsatzes stets mitzubestimmen hat (so auch Wiese, NZA 1990, 793, 800).
5.Nicht immer führen die Anrechnung bzw. der Widerruf zu einer Änderung des Verteilungsgrundsatzes. Fehlt es an einer solchen Änderung, besteht auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Beachtet der Arbeitgeber bei der Anrechnungsentscheidung die bisherigen Verteilungsgrundsätze, scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Anrechnung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aus, da nicht die Kürzungsentscheidung, sondern allein die Änderung des Verteilungsgrundsatzes der Mitbestimmung unterliegt (Oetker, RdA 1991, 16, 27; Wiese, NZA 1990, 793, 800 im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Ersten Senats, wie sie auch im Vorlagebeschluß vertreten wird). Es muß also in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Anrechnung bzw. der Widerruf zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze führt.
a)Eine Änderung des Verteilungsgrundsatzes, die die Verteilungsgerechtigkeit betrifft, besteht bei einer unterschiedlichen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen (BAGE 56, 346 = AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; LAG Frankfurt am Main Beschluß vom 5. September 1989 - 5 TaBV 20/89 - LAGE § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 7; LAG Düsseldorf Urteil vom 31. März 1989 - 2 Sa 1638/88 -, LAG Düsseldorf Urteil vom 15. März 1989 - 15 Sa 1711/88 - und LAG Köln Urteil vom 17. Oktober 1989 - 4 Sa 633/89 - LAGE § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 5, 6 und 7; Wiese, NZA 1990, 793, 801; Hönsch, BB 1988, 2312, 2315; Hanau, Anm. zu BAG EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 17; Reuter, Anm. zu BAG EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 26; Lieb, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1989, S. 145 f.; Oetker, RdA 1991, 16, 28; Matthes, NZA 1987, 289, 291; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 4. Aufl., Rz 614 a. A.A. nur: Kraft, Festschrift K. Molitor, 1988, S. 207, 222 f.; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 174 b ff.).
b)Auch eine prozentual gleichmäßige Anrechnung sämtlicher Zulagen kann zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze führen. Hierbei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden. Eine prozentual gleichmäßige Anrechnung kann dadurch herbeigeführt werden, daß der Arbeitgeber einen bestimmten (gleichen) Prozentsatz der Tariflohnerhöhung auf jede Zulage anrechnet. Eine prozentual gleichmäßige Anrechnung liegt aber auch dann vor, wenn der Arbeitgeber jede übertarifliche Zulage um einen bestimmten (gleichen) Prozentsatz kürzt.
aa)Rechnet der Arbeitgeber einen bestimmten Prozentsatz der Tariflohnerhöhung auf jede Zulage an, ändern sich die Verteilungsgrundsätze nur dann nicht, wenn die Zulagen in einem einheitlichen und gleichen Verhältnis zum jeweiligen Tariflohn stehen und die Tariflöhne um den gleichen Prozentsatz erhöht werden. Zahlt der Arbeitgeber etwa allen Arbeitnehmern eine übertarifliche Zulage von 10 % (z. B. A: 2.000,-- DM + 200,-- DM = 2.200,-- DM, B: 3.000,-- DM + 300,-- DM = 3.300,-- DM, C: 5.000,-- DM + 500,-- DM = 5.500,-- DM) und rechnet er bei einer Tariflohnerhöhung um 6 % auf die übertariflichen Zulagen 4 % an, verringern sich diese von 10 % vom Tariflohn um den gleichen Prozentsatz auf 6 % vom bisherigen Tariflohn (im Beispielsfall: A: 120,-- DM, B: 180,-- DM, C: 300,-- DM). Der Verteilungsgrundsatz, d. h. das Verhältnis der Zulagen zueinander (im Beispielsfall 2 : 3 : 5), bleibt unverändert.
In allen anderen Fällen einer Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die Zulagen um einen bestimmten Prozentsatz ändern sich die Verteilungsgrundsätze. Das gilt insbesondere für den Fall, daß der Arbeitgeber unterschiedlich hohe Zulagen zum jeweiligen Tariflohn zahlt, sei es, daß diese in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen sollen, sei es, daß ein bestimmter Verteilungsgrundsatz überhaupt nicht erkennbar ist. Denn in beiden Fällen ändert sich bei einer gleichmäßigen prozentualen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung notwendigerweise das Verhältnis der Höhe der Zulagen zueinander; eine solche Änderung stellt eine Änderung des Verteilungsgrundsatzes dar. Betrug zum Beispiel das Tarifentgelt für die Arbeitnehmer A, B und C bisher 3.000,-- DM und erhielt A eine Zulage von 100,-- DM, B von 200,-- DM und C von 400,-- DM (Verhältnis 1 : 2 : 4), betragen die Effektiventgelte nach der vollständigen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung von 3 % zwar nach wie vor bei A 3.100,-- DM, bei B 3.200,-- DM und bei C 3.400,-- DM, die Zulagen haben sich jedoch bei A auf 10,-- DM, bei B auf 110,-- DM und bei C auf 310,-- DM verringert. Damit hat sich auch das nach den bisherigen Regelungen für die Verteilungsgerechtigkeit entscheidende Verhältnis der Zulagen zueinander vom Verhältnis 1 : 2 : 4 zum Verhältnis 1 : 11 : 31 geändert.
Eine Änderung des Verteilungsgrundsatzes tritt ferner ein, wenn die Tarifentgelte für verschiedene Entgeltgruppen (z. B. Anhebung von sogenannten Leichtlohngruppen) um einen unterschiedlichen Prozentsatz erhöht werden und für alle Arbeitnehmer die unterschiedliche Tariflohnerhöhung voll oder mit dem gleichen Prozentsatz angerechnet wird (Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 226 g).
Schließlich liegt eine Änderung des Verteilungsgrundsatzes auch dann vor, wenn nach den bisherigen Verteilungsgrundsätzen alle Arbeitnehmer einen bestimmten Sockelbetrag erhalten sollen, die prozentual gleichmäßige Anrechnung aber dazu führt, daß die Zulage einiger Arbeitnehmer diesen Sockelbetrag nicht mehr erreicht.
bb)Kürzt der Arbeitgeber anläßlich einer Tariflohnerhöhung alle übertariflichen Zulagen um den gleichen Prozentsatz, ändert sich der Verteilungsgrundsatz im allgemeinen nicht, so daß eine solche Kürzung grundsätzlich mitbestimmungsfrei ist. Betragen beispielsweise die Zulagen für A, B und C 100,-- DM, 200,-- DM und 400,-- DM, stehen diese in einem Verhältnis von 1 : 2 : 4. Nach einer Kürzung von 20 % betragen die Zulagen noch 80,-- DM, 160,-- DM und 320,-- DM. Das entspricht nach wie vor einem Verhältnis von 1 : 2 : 4.
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn nach den bisherigen Verteilungsgrundsätzen den Arbeitnehmern ein bestimmter Mindestbetrag (Sockelbetrag) als übertarifliche Zulage zustehen soll. Dann darf der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei die übertarifliche Zulage nur bis zur Höhe des Sockelbetrags um den gleichen Prozentsatz kürzen. Wird mit der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kürzung der Zulagen um den gleichen Prozentsatz der Sockelbetrag unterschritten (z. B. Sockelbetrag: 200,-- DM; Kürzung der Zulagen um 20 %; bisherige Zulage von 240,-- DM müßte danach auf 192,-- DM gekürzt werden), bedeutet dies eine Änderung des bisherigen Verteilungsgrundsatzes, die mitbestimmungspflichtig ist.
6.Die Änderung der Verteilungsgrundsätze infolge Widerrufs oder Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen unterliegt nur grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats. Für ein Mitbestimmungsrecht ist dann kein Raum, wenn für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung der Zulagen kein Regelungsspielraum mehr besteht.
a)Das Mitbestimmungsrecht entfällt, wenn die Anrechnung bzw. der Widerruf zum vollständigen Wegfall aller Zulagen führt, weil dann kein Zulagenvolumen mehr vorhanden ist, das verteilt werden könnte (BAGE 64, 138 und BAGE 64, 151 = AP Nr. 43 und 44 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).
b)Das Mitbestimmungsrecht findet aber auch dort seine Grenzen, wo der Änderung der Verteilungsgrundsätze rechtliche Hindernisse entgegenstehen.
Das ist der Fall bei der vollen und gleichmäßigen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die Zulagen aller Arbeitnehmer.
aa)Die notwendige Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Entscheidungen, insbesondere dort, wo sonst der Arbeitgeber ein einseitiges Bestimmungsrecht hätte (vgl. BAGE 61, 296, 301 ff. = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, unter II 2 der Gründe, mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Literatur).
bb)Bei einer vollständigen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf alle Zulagen fehlt dem Arbeitgeber - soweit das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG reicht - jede weitere Gestaltungsmöglichkeit, denn mehr als die Tariflohnerhöhung kann er nicht anrechnen (so auch Hromadka, DB 1988, 2636, 2644). Dies aber wäre erforderlich, wenn zugunsten eines Teils der Zulagenempfänger zu Lasten der übrigen eine Umverteilung stattfinden sollte. Der Arbeitgeber müßte einen Teil der übertariflichen Zulagen über die volle Anrechnung hinaus kürzen, um die Verteilung zu ändern. Dazu ist er aber nicht berechtigt, gleichgültig ob die Kürzung des Zulagenvolumens aufgrund einer Automatik oder eines Anrechnungsvorbehalts erfolgt. Der einzelne Arbeitnehmer hat aufgrund der zugrunde liegenden Vereinbarung (Einzelarbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung) einen Anspruch darauf, daß ihm nach einer Tariflohnerhöhung zumindest die um die Tariflohnerhöhung gekürzte Zulage gezahlt wird. Diesen Anspruch kann der Arbeitgeber nur durch eine von den Gerichten für Arbeitssachen überprüfbare ordentliche Änderungskündigung beseitigen. Für deren Wirksamkeit reicht in der Regel der Wille zur Umverteilung der Zulagen nicht aus. Besteht damit bei der vollständigen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf alle Zulagen keine rechtliche Möglichkeit einer anderen Verteilung, unterliegt aus diesem Grunde bei vollständiger und gleichmäßiger Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen - auch wenn die Verteilungsgrundsätze sich ändern - die Neuverteilung des um die Tariflohnerhöhung gekürzten Zulagenvolumens nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.
cc)Das Gleiche gilt bei einem Widerruf aller Zulagen in Höhe der Tariflohnerhöhung aufgrund eines Widerrufsvorbehalts. In diesem Falle hat der Arbeitgeber zwar aufgrund des Widerrufsvorbehalts grundsätzlich einen Gestaltungsspielraum (so auch Hromadka, DB 1988, 2636, 2644). Widerruft der Arbeitgeber aber die Zulage aufgrund des Vorbehalts anläßlich einer Tariflohnerhöhung um deren Höhe, so bezweckt er das gleiche Ergebnis wie bei der vollständigen Anrechnung. Er macht auch in diesem Falle im Ergebnis kein unbedingtes, sondern ein durch die Tariflohnerhöhung bedingtes Gestaltungsrecht geltend. Der Arbeitgeber will - soweit die Tariflohnerhöhung die übertarifliche Zulage nicht übersteigt - den Arbeitnehmern keine höhere Vergütung zahlen als bisher, aber auch keine niedrigere. Insoweit garantiert er mit der beschränkten Ausübung des Widerrufsrechts den bisherigen Besitzstand hinsichtlich der über-/außertariflichen Zulagen. Weil der Widerruf in diesem Falle wie eine Anrechnung wirkt, wäre es nicht systemgerecht, dem Betriebsrat anläßlich einer Tariflohnerhöhung einen weitergehenden Eingriff in den Besitzstand der Arbeitnehmer durch eine Veränderung der Verteilungsgrundsätze zu geben.
Darauf ist der Betriebsrat auch nicht angewiesen. Da sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch ein Initiativrecht umfaßt, kann er unabhängig von einer Tariflohnerhöhung eine Änderung der Kriterien für die Verteilung der über-/ außertariflichen Zulagen herbeizuführen suchen. Bei einer nicht mitbestimmten Zulagenregelung kann er die Initiative dazu jederzeit ergreifen; richtet sich die Verteilung der Zulagen nach einer Betriebsvereinbarung, muß er diese zunächst kündigen.
c)Anders als bei der vollständigen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf alle Zulagen besteht bei der teilweisen Anrechnung jeweils ein Verteilungsspielraum, so daß der Betriebsrat hier nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat, wenn sich infolge der Anrechnung der Verteilungsgrundsatz ändert.
D.Die Vorlagefrage 2) betrifft nach den zu der Vorlagefrage 1) getroffenen Differenzierungen nur noch den Fall, daß die vom Arbeitgeber beabsichtigte Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Verteilungsgrundsätze mit sich bringt.
I.Nach § 87 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in den dort genannten Angelegenheiten gleichberechtigt mitzubestimmen. Dies bedeutet, daß der Arbeitgeber in den in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Fallgestaltungen nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats seinen Willen durchsetzen kann, er einem Einigungszwang unterliegt. Das Mitbestimmungsrecht bei der Zahlung freiwilliger übertariflicher Zulagen ist aber eingeschränkt: Die Entscheidung des Arbeitgebers, ob er Zulagen zahlt und welche Mittel er hierfür zur Verfügung stellt, ist mitbestimmungsfrei. Bei einer Änderung des Verteilungsgrundsatzes infolge Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf über-/außertarifliche Zulagen oder Widerrufs sind nur die Grundsätze (Kriterien) für die Verteilung des infolge der Anrechnung gekürzten Zulagenvolumens, zu denen auch das Verhältnis der Zulagen zueinander gehört, mitbestimmungspflichtig. Wird das Mitbestimmungsrecht aber erst durch eine Änderung der Verteilungsgrundsätze ausgelöst, kann der Arbeitgeber vorher mitbestimmungsfrei das Zulagenvolumen und - unter Beibehaltung des bisherigen Verteilungsgrundsatzes - auch die einzelnen Zulagen kürzen.
Dagegen kann der Arbeitgeber eine nicht vollständige Anrechnung, die zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze führt, erst durchführen, wenn er sich mit dem Betriebsrat über neue Verteilungsgrundsätze geeinigt hat bzw. diese Einigung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist. Damit ist keine überschießende Wirkung des Mitbestimmungsrechts verbunden, wie Hanau (RdA 1989, 207, 209) meint, weil der Arbeitgeber jederzeit in der Lage ist, die Tariflohnerhöhung ohne Änderung der Verteilungsgrundsätze auf die über-/außertariflichen Zulagen anzurechnen.
II.Beachtet der Arbeitgeber bei der Änderung der Verteilungsgrundsätze das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht, sind Anrechnung bzw. Widerruf gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern unwirksam.
Für vergleichbare Fälle hat der Dritte Senat durch Urteil vom 3. August 1982 (BAGE 39, 277 = AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung mit Anm. Misera) und 26. April 1988 (BAGE 58, 156 = AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung) entschieden, der Widerruf einer freiwillig gewährten "jederzeit widerruflichen Zulage" sei unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht beteiligt worden sei. Es besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Es entspricht der herrschenden Meinung im Schrifttum und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften führt, die den Arbeitnehmer belasten (Beschluß des Großen Senats vom 16. September 1986, BAGE 53, 42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 94, mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). Diese Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ist entwickelt worden, um zu verhindern, daß der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Die Rechtsunwirksamkeit von arbeitsvertraglichen Maßnahmen und Abreden soll zugleich eine Sanktion dafür sein, daß der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt hat. Derjenige, der sich betriebsverfassungswidrig verhält, soll sich Dritten (hier den Arbeitnehmern) gegenüber nicht auf diese Verletzung berufen können (Beschluß des Großen Senats vom 16. September 1986, aaO; BAG Urteil vom 20. August 1991 - 1 AZR 326/90 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, m.w.N.).
Dieser Sanktion bedarf es gerade auch bei der Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei der Änderung der Verteilungsgrundsätze infolge Anrechnung, weil der Arbeitgeber auf andere Weise nicht zur Beachtung des Mitbestimmungsrechts anzuhalten ist. Auch hiermit ist keine überschießende Wirkung des Mitbestimmungsrechts verbunden, denn der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, die Tariflohnerhöhung ohne Änderung der Verteilungsgrundsätze einseitig (mitbestimmungsfrei) anzurechnen.
Dr. Kissel Hillebrecht Dr. Thomas
Dr. Heither Dr. Weller Dr. Etzel
Muhr Dr. Stadler Kehrmann Dr. Giese
Fundstellen
BAGE 69, 134-171 (LT1-5) |
BAGE, 134 |
BB 1992, 1418 |
BB 1992, 1418-1430 (LT1-5) |
DB 1992, 1579-1588 (LT1-5) |
DStR 1992, 121 (T) |
EBE/BAG 1992, 114-124 (LT1-5) |
AiB 1992, 575-578 (ST1-2) |
BetrR 1992, 83-86 (ST1) |
BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 10 (10) (LT1-5) |
DWiR 1992, 515-517 (LT) |
EWiR 1993, 645 (L) |
JR 1993, 44 |
JR 1993, 44 (S) |
NZA 1992, 749 |
NZA 1992, 749-759 (LT1-5) |
RdA 1992, 282 |
SAE 1993, 97-111 (LT1-5) |
WiR 1992, 31 (S) |
ZIP 1992, 1095 |
ZIP 1992, 1095-1109 (LT1-5) |
AP § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (LT1-5), Nr 51 |
AP, 0 |
EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung, Nr 30 (LT1-5) |
JA 1993, 188-190 (ST) |
JuS 1993, 168 |
JuS 1993, 168 (L) |
VersR 1992, 1373-1378 (LT1-5) |
Belling / Luckey 2000, 381 |