Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei Eingruppierungsstreitigkeiten
Leitsatz (amtlich)
In Eingruppierungsstreitigkeiten nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag ist der Streitwert nach dem Differenzbetrag für drei Jahre ohne Berücksichtigung der Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 festzusetzen (im Anschluß an den Beschluß des erkennenden Senats vom 24. März 1981 – 4 AZN 395/78 – AP Nr. 3 zu § 12 ArbGG 1979).
Normenkette
ArbGG § 12; ZPO § 5; Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 12.12.1995; Aktenzeichen 3 Sa 1278/95) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 16.08.1995; Aktenzeichen 6 Ca 3806/95) |
Tenor
- Die Beschwerde des beklagten Landes gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 1995 – 3 Sa 1278/95 – wird zurückgewiesen.
- Das beklagte Land hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
- Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 21.209,76 DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ab 1. Januar 1993 Vergütung nach Vergütungsgruppe IIa BAT/BL zusteht. Für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis 30. April 1995 hat der Kläger die Differenzbeträge zwischen der von ihm bezogenen Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT/BL und der Vergütungsgruppe IIa BAT/BL geltend gemacht und für die Zeit ab 1. Mai 1995 eine Eingruppierungsfeststellungsklage erhoben.
Der am 17. Juli 1948 geborene Kläger ist seit dem 7. Juli 1986 bei dem beklagten Land als Angestellter beschäftigt. Seit dem 1. Januar 1987 ist er als technischer Sachverständiger eingesetzt. Mit Schreiben vom 23. Juli 1987 wurde dem Kläger die Erlaubnis erteilt, mit Wirkung ab 1. August 1987 als kriminaltechnischer Sachverständiger für das Fachgebiet “Untersuchungen nach Bränden mit elektrischer Ursache und elektrischen Unfällen” selbständig kriminaltechnische Untersuchungen durchzuführen und die von ihm im Auftrag des Landeskriminalamtes NRW erstellten Gutachten vor Gericht zu vertreten. Der Kläger ist ausgebildeter Elektroinstallateur und zudem Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Elektro-Energietechnik. Der Kläger wird nach Vergütungsgruppe III BAT/BL vergütet.
Mit Schreiben vom 3. Februar 1993 machte der Kläger gegen das beklagte Land erfolglos Vergütung nach Vergütungsgruppe IIa BAT/BL geltend. Diese Vergütungsgruppe lautet auszugsweise wie folgt:
- …
Technische Angestellte mit technischer Ausbildung nach Nr. 2 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
deren Tätigkeit sich durch das Maß der Verantwortung erheblich aus der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 2 heraushebt.
- …
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er erfülle die Qualifikationsmerkmale der Vergütungsgruppe IIa BAT/BL. Die hiernach erforderliche weitreichende hohe Verantwortung gehe über das übliche Einstehenmüssen für die Erledigung der Arbeitsaufgaben weit hinaus. Es handele sich um eine atypische Eigenverantwortung, die sich sowohl bei den allein von ihm zu treffenden technischen Feststellungen und Bewertungen bei der Untersuchung der Brandobjekte, ferner auch bei der Erstellung und besonders der alleinigen fachlichen und persönlichen Verantwortlichkeit für das Ergebnis des Gutachtens und seine Vertretung vor Gericht zeige.
Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage sowie der Feststellungsklage entsprochen und den Streitwert unter Hinweis auf § 12 Abs. 7, § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 3 ff. ZPO auf 22.977,24 DM festgesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit seiner auf Divergenz der anzufechtenden Entscheidung zu dem Urteil der Elften Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 3. Januar 1989 – 11 Sa 1043/88 – und auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf weicht mit ihrer Entscheidung nicht von der in der Beschwerdebegründung des beklagten Landes angezogenen Entscheidung der Elften Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 3. Januar 1989 ab. Vielmehr haben beide Kammern den jeweiligen Streitfall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entscheiden wollen.
a) Die Divergenzbeschwerde ist begründet, wenn sich der angegriffenen und der angezogenen Entscheidung tatsächlich die behaupteten Rechtssätze entnehmen lassen, diese Rechtssätze voneinander abweichen und die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
b) Die Beschwerde entnimmt den Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgerichts den Rechtssatz, daß die eigenverantwortliche Tätigkeit bei der Vorbereitung, Anfertigung und Vertretung des Gutachtens für das Landeskriminalamt vor Gericht das in der Vergütungsgruppe IIa Fallgruppe 8 BAT/BL geforderte Maß der Verantwortung ausfülle. Demgegenüber bestehe die fallbezogene Formulierung eines abstrakten Rechtssatzes in der Entscheidung der Elften Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 3. Januar 1989 darin, daß gerade diese Tätigkeit “nicht die weitreichende hohe Verantwortung …, die einer weiteren Steigerung nicht mehr zugänglich erscheint”, darstelle.
c) Mit dieser Begründung ist eine Divergenz nicht belegt. Der Beschwerde ist zwar zuzugeben, daß ein divergenzfähiger abstrakter Rechtssatz sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Begründung seiner Entscheidung ergeben kann (BAG Beschluß vom 4. August 1981 – 3 AZN 107/81 – AP Nr. 9 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz). Daraus folgt jedoch nicht, jede vom Landesarbeitsgericht für sein Ergebnis gegebene Begründung setze notwendig voraus, daß das Landesarbeitsgericht den Obersatz, der aus seiner Begründung logisch folgt, als abstrakten Rechtssatz aufstellen wollte. Eine solche Annahme verbietet sich jedenfalls dann, wenn das Landesarbeitsgericht den Rechtssatz, von dem es bei seiner Begründung ausgeht, ausdrücklich nennt, wie dies hier der Fall ist. Entspricht das vom Landesarbeitsgericht gefundene Ergebnis nicht diesem Rechtssatz, so handelt es sich um eine fehlerhafte Subsumtion des zu entscheidenden Sachverhaltes unter diesen Rechtssatz und damit um eine fehlerhafte Rechtsanwendung, die allein die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen vermag. Wollte man in solchen Fällen jeweils annehmen, der Entscheidung müsse der Rechtssatz zugrunde liegen, der allein das gefundene Ergebnis zu tragen in der Lage sei, so läge bei jeder fehlerhaften Rechtsanwendung eine Divergenz vor, sofern ein divergenzfähiges Urteil vorhanden wäre. Die Revisionsinstanz wegen Divergenz soll aber nur eröffnet werden, wenn das Landesarbeitsgericht seiner Würdigung erkennbar einen unrichtigen Rechtssatz zugrunde legt, nicht aber, wenn der ausdrücklich zugrunde gelegte Rechtssatz fehlerhaft angewendet wird (BAG Beschlüsse vom 16. Dezember 1982 – 2 AZN 337/82 – BAGE 41, 188 = AP Nr. 11 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz; vom 22. Februar 1983 – 1 ABN 33/82 – BAGE 42, 26 = AP Nr. 13 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz).
An einem solchen vom Landesarbeitsgericht aufgestellten Rechtssatz fehlt es im vorliegenden Fall. Das Landesarbeitsgericht sagt nicht, daß die eigenverantwortliche Tätigkeit bei der Vorbereitung, Anfertigung und Vertretung des Gutachtens für das Landeskriminalamt vor Gericht das in der Vergütungsgruppe IIa Fallgruppe 8 BAT/BL geforderte Maß der Verantwortung ausfüllt. Vielmehr will es im Sinne der von ihm zitierten Rechtsprechung des Senats den konkreten Streitfall entscheiden. Das zeigt sich schon daran, daß es ab dem dritten Absatz Bl. 24 des Urteils fallbezogene Betrachtungen im Lichte der von ihm genannten Rechtsprechung des Senats anstellt und sich dabei sowohl mit dem erstinstanzlichen Urteil als auch mit dem jeweiligen Sachvortrag der Parteien in der Berufungsinstanz auseinandersetzt. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes hält es das Tätigkeitsmerkmal der erheblichen Heraushebung aus der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 2 BAT/BL durch das Maß der Verantwortung bei der Tätigkeit des Klägers für gegeben. Damit ist die Rechtseinheit nicht gefährdet, auch wenn die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in der von der Beschwerde angezogenen Entscheidung in dem von dieser Kammer des Landesarbeitsgerichts zu beurteilenden Fall zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, wobei die Elfte Kammer in erster Linie darauf abgestellt hat, die Darlegungen des Klägers in ihrem Fall beträfen im wesentlichen die Auswirkungen seiner Tätigkeit und nicht das Tätigkeitsmerkmal der erheblichen Heraushebung aus der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 2 durch das Maß der Verantwortung. Das erkennt die Beschwerde letztlich selbst, wenn sie ausführt, beide Kammern gingen von demselben Tarifmerkmal aus, stellten die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen zutreffend heraus, subsumierten aber abweichend voneinander. Ob die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts im Hinblick auf den ihr vorliegenden Vortrag der Parteien im Sinne der vom Senat aufgestellten Rechtssätze richtig entschieden hat, könnte der Senat erst prüfen, wenn eine zulässige Revision vorläge.
2. Soweit die Beschwerde auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt ist, ist sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nach § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG begründet worden.
a) Eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG in Verb. mit § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG, die auf die fehlerhafte Auslegung eines Tarifvertrages gestützt wird, muß einen entscheidungserheblichen Rechtsbegriff aus einem Tarifvertrag bezeichnen. Hierzu muß der Beschwerdeführer darlegen, welche Interpretation tariflicher Rechtsbegriffe das Landesarbeitsgericht vorgenommen hat und daß diese fehlerhaft oder bei der Subsumtion wieder aufgegeben worden sei. Interpretation eines Tarifvertrages bedeutet in diesem Zusammenhang die fallübergreifende, abstrakte Auslegung der zur Tarifanwendung notwendigen Rechtsbegriffe (BAGE 32, 203, 208; 32, 228, 232 = AP Nr. 1 und 2 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des beklagten Landes nicht gerecht. Das beklagte Land legt nicht dar, daß das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf einer fehlerhaften, fallübergreifenden Auslegung tariflicher Bestimmungen beruhe.
Zwar geht das beklagte Land von dem tariflichen Tätigkeitsmerkmal der erheblichen Heraushebung aus der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 2 durch das Maß der Verantwortung aus. Es legt aber nicht dar, daß das Landesarbeitsgericht diesen Tarifbegriff fehlerhaft ausgelegt habe, dem Landesarbeitsgericht also ein abstraktes Fehlverständnis eines Tarifbegriffs vorzuwerfen sei. Das beklagte Land beanstandet vielmehr lediglich die unrichtige Anwendung eines Eingruppierungsmerkmals im Einzelfall.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Der festgesetzte Streitwert für das Beschwerdeverfahren entspricht der 36fachen monatlichen Vergütungsdifferenz zwischen der Vergütungsgruppe III und der Vergütungsgruppe IIa BAT/BL (36 × 589,16 DM). Entgegen dem Arbeitsgericht und entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht der 39fache monatliche Differenzbetrag zugrunde zu legen. § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG geht von einem “dreijährigen Unterschiedsbetrag zur begehrten Vergütung” aus, definiert den Begriff “Vergütung” also nicht. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 24. März 1981 – 4 AZN 395/78 – AP Nr. 3 zu § 12 ArbGG 1979 entschieden, daß der Streitwert ohne Berücksichtigung von Sonderleistungen wie Treueprämien, zusätzliche Urlaubsgelder und Gratifikationen festzusetzen ist. Der Senat hat ausgeführt, daß in Fällen, in denen eine Rückzahlungs- oder Kürzungsklausel existiert, der Gratifikationscharakter der Zuwendung offensichtlich ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn sie gleichzeitig zusätzliches Entgelt für geleistete Arbeit darstellt. Das ist bei der Zuwendung nach dem Zuwendungstarifvertrag ebenso der Fall. Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Jahres ausscheidet. Daher ist die Zuwendung bei der Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen. Außerdem ist aus den Gründen der Einheitlichkeit und Durchsichtigkeit der Wertfestsetzung sowie im Interesse der Kostenklarheit bei Zuwendungen im Zweifel Gratifikationscharakter anzunehmen. Das wird auch dem Grundsatz der Niedrighaltung der Verfahrenskosten gerecht.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Friedrich, Jansen, Kiefer
Fundstellen
Haufe-Index 875291 |
NZA 1997, 283 |