Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anerkennung eines Sonderurlaubs als Beschäftigungszeit. Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 50 Abs. 2 BAT gewährter Sonderurlaub stellt keine Beschäftigungszeit im Sinne des § 19 BAT dar.
2. Der Ausnahmetatbestand des § 50 Abs. 3 S. 2 BAT setzt voraus, dass der Arbeitgeber ein dienstliches oder betriebliche Interesse vor Antritt des Sonderurlaubs tatsächlich schriftlich anerkannt hat. Eine nachträgliche (inzidente) gerichtliche Überprüfung des Vorliegens eines dienstlichen oder betrieblichen Interesses an der Beurlaubung kann nicht dazu führen, dass die Zeit der Sonderurlaubs – abweichend von dem allgemeinen Grundsatz nach § 50 Abs. 3 S. 1 BAT – als Beschäftigungszeit im Sinne des § 19 BAT anzusehen ist.
Normenkette
BAT §§ 19, 48 Abs. 3 S. 1, § 50 Abs. 1, 3
Tenor
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten nach Erledigung der Hauptsache noch über die Kosten in einem Verfahren betreffend die Anrechnung eines unbezahlten Sonderurlaubs auf die Beschäftigungszeit.
Die Klägerin ist bei der Beklagten auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 26. April 1990 seit 1. Mai 1990 beschäftigt, zunächst als Krankenschwester und seit 1. Februar 1999 als Stationssekretärin. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet gemäß § 2 des Arbeitsvertrags der BAT Anwendung.
Die Klägerin stellte bei der Beklagten einen Antrag auf Sonderurlaub zum Zwecke der Durchführung einer Ausbildung zur medizinischen Dokumentarin, den die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 16. November 1999 abgelehnt hatte. Nach erneuter Geltendmachung mit anwaltlichem Schreiben vom 23. November 1999 wurde der Klägerin der beantragte unbezahlte Sonderurlaub von Seiten der Beklagten mit Schreiben vom 29. November 1999 für die Zeit vom 6. Dezember 1999 bis zum 30. November 2002 gewährt. Das Bewilligungsschreiben der Beklagten vom 29. November 1999 enthielt den Hinweis, dass die Zeit des unbezahlten Urlaubs nicht als Beschäftigungszeit iSd. § 19 BAT gelte, da die Weiterbildung als nicht im dienstlichen Interesse liegend angesehen werde, und dass der Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Beurlaubung um 1/12 gekürzt werde.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Zeit des ihr gewährten Sonderurlaubs gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 BAT auf die Beschäftigungszeit nach § 19 BAT anzurechnen sei, da es sich bei ihrer Ausbildung zur medizinischen Dokumentarin um eine berufliche Fortbildung handele, an der ein betriebliches Interesse bestehe. Demzufolge dürfe auch eine Verminderung ihres Erholungsurlaubs gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 BAT nicht erfolgen.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, dass der ihr gewährte Sonderurlaub vom 6. Dezember 1999 bis 30. November 2002 zur Ausbildung als medizinische Dokumentarin Beschäftigungszeit iSd. § 19 BAT darstellt,
- festzustellen, dass eine Verminderung ihres Erholungsurlaubs während des Sonderurlaubs zur Ausbildung als medizinische Dokumentarin vom 6. Dezember 1999 bis 30. November 2002 nicht stattfindet.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Zeit des Sonderurlaubs nach § 50 Abs. 3 Satz 1 BAT nicht als Beschäftigungszeit gelte, da sie kein betriebliches oder dienstliches Interesse an der Ausbildung der Klägerin vor Antritt des Sonderurlaubs schriftlich gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 BAT anerkannt habe.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision hat die Klägerin ihr Klageziel weiterverfolgt. Mit Schreiben der Klägerin vom 27. Februar 2003 und Schreiben der Beklagten vom 3. März 2003 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
1. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung entscheidet das Gericht von Amts wegen über die Kosten gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Dafür ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits maßgebend.
2. Auf Grund des bisherigen Sach- und Streitstandes wäre bei streitiger Entscheidung die Revision der Klägerin zurückzuweisen gewesen.
Die Vorinstanzen haben zu Recht die Klage abgewiesen.
a) Die Zeit des der Klägerin gemäß § 50 Abs. 2 BAT gewährten Sonderurlaubs stellt keine Beschäftigungszeit iSd. § 19 BAT dar.
Nach § 50 Abs. 3 Satz 1 BAT gilt die Zeit des Sonderurlaubs nach den Absätzen 1 und 2 nicht als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT. Ausnahmsweise gilt nach Satz 2 des § 50 Abs. 3 BAT die Rechtsfolge des Satzes 1 nicht, wenn der Arbeitgeber vor Antritt des Sonderurlaubs (nach § 50 Abs. 2 BAT) ein dienstliches oder betriebliches Interesse schriftlich anerkannt hat.
Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.
Die Beklagte hat vor Antritt des Sonderurlaubs kein dienstliches oder betriebliches Interesse schriftlich anerkannt, sondern hat vielmehr im Gegenteil bereits mit dem Bewilligungsschreiben vom 29. November 1999 darauf hingewiesen, dass die Zeit des unbezahlten Urlaubs nicht als Beschäftigungszeit iSd. § 19 BAT gelte.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs. 3 Satz 2 BAT muss die schriftliche Anerkennung eines dienstlichen oder betrieblichen Interesses an der Beurlaubung durch den Arbeitgeber vor Antritt des Sonderurlaubs tatsächlich vorliegen. Eine mündliche oder nachträglich schriftliche Anerkennung des Arbeitgebers ist hiernach ohne entsprechende Wirkung (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand August 2003 § 50 Rn. 71; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau Stand Juni 2003 § 50 Rn. 4).
Die Tarifvertragsparteien haben in § 50 Abs. 3 BAT ein Regel-Ausnahmeverhältnis dergestalt festgelegt, dass grundsätzlich keine Anrechnung eines Sonderurlaubs auf die Beschäftigungszeit nach § 19 BAT erfolgt (Satz 1) und in den Fällen des § 50 Abs. 2 BAT nur ausnahmsweise unter bestimmten formalen Voraussetzungen etwas anderes gilt (Satz 2). Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit haben die Tarifvertragsparteien den Ausnahmetatbestand des § 50 Abs. 3 Satz 2 BAT dahingehend formalisiert, dass die vorherige schriftliche Anerkennung eines dienstlichen oder betrieblichen Interesses an der Beurlaubung durch den Arbeitgeber erforderlich ist. Im Interesse der Rechtssicherheit soll für beide Vertragsparteien vor Antritt des Sonderurlaubs Klarheit darüber bestehen, ob die Zeit des Sonderurlaubs ausnahmsweise – entgegen dem in Satz 1 aufgestellten allgemeinen Grundsatz – als Beschäftigungszeit iSd. § 19 BAT gilt. Der Ausnahmetatbestand des § 50 Abs. 3 Satz 2 BAT ist nach seinem eindeutigen Wortlaut und dem Zweck der geforderten vorherigen schriftlichen Anerkennung nicht bereits dann erfüllt, wenn an der Beurlaubung ein dienstliches oder betriebliches Interesse besteht und der Arbeitnehmer dessen schriftliche Anerkennung durch den Arbeitgeber vor Antritt des Sonderurlaubs verlangt hat. Vielmehr setzt § 50 Abs. 3 Satz 2 BAT voraus, dass der Arbeitgeber ein derartiges Interesse vor Antritt des Sonderurlaubs tatsächlich schriftlich anerkannt hat; ansonsten verbleibt es bei dem in Satz 1 aufgestellten allgemeinen Grundsatz. Nach dieser Bestimmung kann eine nachträgliche (inzidente) gerichtliche Überprüfung des Vorliegens eines dienstlichen oder betrieblichen Interesses an der Beurlaubung nicht dazu führen, dass die Zeit des Sonderurlaubs – abweichend von dem allgemeinen Grundsatz nach Satz 1 – als Beschäftigungszeit iSd. § 19 BAT anzusehen ist.
b) Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 BAT vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs für jeden vollen Kalendermonat eines Sonderurlaubs nach § 50 BAT um 1/12. Nach Satz 2 unterbleibt die Verminderung für drei Kalendermonate eines Sonderurlaubs zum Zwecke der beruflichen Fortbildung, wenn eine Anerkennung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 BAT vorliegt.
Gemäß den obigen Ausführungen liegt keine Anerkennung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 BAT vor, so dass es bei der in § 48 Abs. 3 Satz 1 BAT geregelten Verminderung des Erholungsurlaubs verbleibt.
Unterschriften
Dr. Armbrüster, Brühler, Pods
Fundstellen
Haufe-Index 1480153 |
ArbRB 2004, 75 |
PflR 2005, 21 |