Leitsatz (amtlich)
1. Es ist unschädlich, wenn die Rechtsbeschwerdeschrift nach § 94 ArbGG neben der Unterschrift eines bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalts auch die Unterschrift des Beschwerdeführers selbst trägt.
2. Bei Wahlbeeinflussung nach § 19 Abs. 2 ist die Wahl nur dann nichtig, wenn eine so grobe Wahlbeeinflussung vorliegt, dass auch von dem Anschein einer Wahl überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann.
3. Eine Betriebsratswahl ist jedenfalls dann wegen Verstosse gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren anfechtbar, wenn eine Wahlbeeinflussung nach § 19 Abs. 2 in das Wahlverfahren selbst auf genommen worden ist.
4. Auch eine unzulässige Beeinflussung der Abstimmungen über Einführung der Gemeinschaftswahl und die Erhöhung der Sitzzahl für eine Gruppe kann die Anfechtung der vollzogener Betriebsratswahl rechtfertigen.
5. Werden im Wahlverfahren selbst einer Gruppe nur für den Fall, dass Gemeinschaftswahl durchgeführt wird, zusätzliche Sitze im Betriebsrat versprochen, so liegt eine Wahlbeeinflussung vor, die zur Anfechtung der Wahl berechtigt.
6. Vorteilsgewährung und Nachteilszufügung sind selbständige Mittel der Wahlbeeinflussung. Eine Wahlbeeinflussung durch Vorteilsgewährung an eine Gruppe liegt auch dann vor, wenn der anderen Gruppe Nachteile daraus nicht erwachsen.
Normenkette
ArbGG § 94; BetrVG §§ 10, 12 Abs. 1, § 13 Abs. 2, §§ 18, 19 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Beschluss vom 01.07.1955; Aktenzeichen 4 BV Ta 45/55) |
ArbG Gelsenkirchen (Beschluss vom 22.04.1955; Aktenzeichen BV 8/55) |
Tenor
Der Beschluß der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts in Hamm (Westfalen) vom 1. Juli 1955 – 4 BV Ta 45/55 – wird aufgehoben.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 22. April 1955 – BV 8/55 – wird zurückgewiesen.
Gründe
Vor der im März 1955 durchzuführenden Wahl des Betriebsrats auf der Zeche Wilhelmine-Viktoria bereitete der für diese Wahl gebildete und nur aus Mitgliedern der Industriegewerkschaft Bergbau bestehende Wahlvorstand auf Antrag einiger Belegschaftsmitglieder Vorabstimmungen darüber vor, ob der neue Betriebsrat in Gemeinschaftswahl der Arbeiter und Angestellten gewählt werden sollte und auch darüber, ob für den fall der Gemeinschaftswahl die Zahl der Angestelltenvertreter über die nach § 10 BetrVG sonst geltende Zahl von 2 auf 4 erhöht werden sollte. Für diese Vorabstimmungen hatte der Wahlvorstand einen von ihm gestalteten Stimmzettel mit folgendem Wortlaut herstellen lassen:
Soll die Wahl des Betriebsrates als gemeinsame Wahl der Arbeiter und Angestellten durchgeführt werden?
Soll in der kommenden Wahlperiode für den Fall, dass gemeinsame Wahlen stattfinden, der Betriebsrat abweichend von § 10 BetrVG aus 13 Arbeitervertretern und aus 4 Angestelltenvertretern gebildet werden?
Bereits vor den nach diesem Stimmzettel geplanten Vorabstimmungen wies die Antragstellerin, eine auf der Zeche vertretene und der DAG angehörige Angestellten-Gewerkschaft, in einem Hund schreiben an die Angestellten darauf hin, dass sie in der Fassung der Frage b) eine unzulässige Wahlbeeinflussung erblicke. Der Wahlvorstand liess nunmehr den Stimmzettel zwischen den Fragen a) und b) durchschneiden; über beide Fragen wurde an den gleichen Tagen abgestimmt. Bei dieser Abstimmung ergab sich unter den an der Abstimmung teilnehmenden Angestellten eine knappe Mehrheit für die Beantwortung der Frage a) mit „ja”. Die Frage b) wurde ebenfalls von einer Mehrheit der Angestellten mit „ja” beantwortet. In der Gruppe der Arbeiter ergab sich eine Mehrheit für die Beantwortung beider Fragen mit „ja”. Der Betriebsrat wurde daraufhin am 24. und 25. März 1955 in Gemeinschaftswahl gewählt; er umfasste 17 Mitglieder, und zwar 13 Arbeiter und 4 Angestellte. Sämtliche Betriebsratsmitglieder gehören der Industriegewerkschaft Bergbau an; die Antragstellerin als der DAG angeschlossene Gewerkschaft hatte nach den Vorabstimmungen davon Abstand genommen, eigene Kandidaten für die Betriebsratswahl aufzustellen, da sie sich davon keinen Erfolg mehr versprach.
Die Antragstellerin hat nunmehr Feststellung dahin beantragt, dass die Wahl des Betriebsrats ungültig sei. Zur Rechtfertigung dieses Antrages hat sie vorgetragen, die Wahl sei unter unzulässiger Wahlbeeinflussung durchgeführt worden.
Während das Arbeitsgericht in seinem Beschluss vom 22. April 1955 die Wahl für ungültig erklärt hat, wies das Landesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 1. Juli 1955 unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts den Antrag zurück.
Der zugelassenen Rechtsbeschwerde war der Erfolg nicht zu versagen.
Für die Entscheidung über die Anfechtung der Betriebsratswahl nach § 18 BetrVG sind nach § 82 Abs. 1 Buchst. r BetrVG und nach § 2 Ziff. 4 Buchst. r ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig, die im Beschlussverfahren nach §§ 80 ff. ArbGG entscheiden. Die zugelassene Beschwerde ist auch rechtzeitig eingelegt.
Die Form für die Einlegung der Beschwerde ist ebenfalls gewahrt. Zwar ist die Beschwerdeschrift auf einem Kopfbogen der antragstellenden Gewerkschaft geschrieben und auch von dieser unterzeichnet worden. Auf dem Kopf der Rechtsbeschwerdeschrift befindet sich aber gleichzeitig der Gummistempel des Rechtsanwalts, der die Beschwerdeführerin im Verfahren vertritt. Dieser Anwalt hat auch die Beschwerdeschrift mit unterzeichnet. Damit ist die Formvorschrift des § 94 Abs. 1 Satz 3 ArbGG beachtet. Dass auch die Beschwerdeführerin selbst die Schrift unterzeichnet hat, steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Wenn das Gesetz die Unterschrift eines Rechtsanwalts unter die Rechtsbeschwerdeschrift verlangt, so bringt es nur zum Ausdruck, dass ein nach der deutschen Rechtsordnung im Revisionsverfahren zur Vertretung von Parteien und Beteiligten allein berufener Rechtsvertreter die Ausführung der Rechtsbeschwerde und insbesondere deren Begründung decken muss. Ob sich noch eine zweite Unterschrift unter der Rechtsbeschwerde befindet und welcher Kopfbogen verwendet worden ist, hat daneben keine Bedeutung.
Die Antragsberechtigung der Antragstellerin ergibt sich nach § 18 BetrVG daraus, dass sie nach den Feststellungen der Vorinstanzen als Gewerkschaft auf der Zeche Wilhelmine-Viktoria vertreten ist. Die Anfechtung ist auch ordnungsgemäss gegen den Betriebsrat gerichtet worden. Denn dieser ist unmittelbar von der Anfechtung betroffen und deshalb Anfechtungsgegner für die Wahlanfechtung (vgl. Fitting-Kraegeloh, BetrVG, 3. Aufl., § 18 Anm. 11; Galperin, BetrVG, 2. Aufl., § 18 Anm. 10; Dietz, BetrVG, 2. Aufl., § 18 Anm. 16; Erdmann, BetrVG, 2. Aufl., § 18 Anm. 5; Sahmer, BetrVG, § 18 Anm. 9).
Der beschwerdeführenden Gewerkschaft kann auch nicht das Rechtsschutzinteresse an der Durchführung der Beschwerde – auch der Wegfall des Rechtsschutzinteresses, gleich zu welchem Zeitpunkt im Laufe des Verfahrens, würde die Rechtsbeschwerde unzulässig machen – deswegen versagt werden, weil die Amtszeit des nach ihrer Darstellung anfechtbar gewählten Betriebsrats sich ohnehin dem Ende nähert. Denn jedenfalls ist zur Zeit der vorliegenden Entscheidung der Betriebsrat noch im Amte. Er wird immer noch in seiner auf Grund der Wahl vom März 1955 bestehenden Zusammensetzung tätig und kann so das Betriebsgeschehen gestalten oder mitgestalten. Insbesondere liegt das Rechtsschutzinteresse auch deshalb vor, weil der Betriebsrat den Wahlvorstand gemäss § 15 BetrVG bildet.
In der Sache selbst beruht der Beschluss des Landesarbeitsgerichts auf unrichtiger Anwendung der in den §§ 18, 19 BetrVG enthaltenen Rechtsnormen.
Nach § 19 Abs. 2 BetrVG darf die Wahl des Betriebsrats nicht durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflußt werden. Der Geltungsbereich dieser Bestimmung umfaßt nicht nur die eigentliche Betriebsratswahl, sondern auch alle vorausgehenden Abstimmungen und auf die Betriebsratswahl Bezug habenden Beschlußfassungen der Wähler oder des Wahlvorstandes. Alle diese Vorgänge gestalten unmittelbar die Zusammensetzung des Betriebsrats mit. Zu diesen Vorabstimmungen gehören auch die Abstimmungen innerhalb der Gruppen der Arbeiter und Angestellten nach § 12 Abs. 1 und § 13 Abs. 2 BetrVG (vgl. Galperin, BetrVG, 2. Aufl., § 19 Anm. 8; Fitting-Kraegeloh, BetrVG, 3. Aufl., § 19 Anm. 4; Erdmann, BetrVG, 2. Aufl., § 19 Anm. 2). Denn durch diese Vorabstimmungen soll in Abweichung von der durch das Gesetz selbst als Regelfall gedachten Gruppenwahl und der gesetzlichen Sitzverteilung ein anderes Wahlverfahren und eine andere Sitzverteilung ermöglicht werden. Auch eine Beeinflussung dieser Vorabstimmung mit den Mitteln, die in § 19 Abs. 2 BetrVG erwähnt sind, ist danach unzulässig. Dass es sich bei der Vorschrift des § 19 Abs. 2 BetrVG ferner um eine wesentliche Vorschrift für die Wahl des Betriebsrats handelt, kann ernstlich nicht bestritten werden. Die Vorschrift will eine unbeeinflusste Abgabe der Stimmen und eine unbeeinflusste Durchführung der Wahl sicherstellen und gehört damit geradezu zu den tragenden Grundsätzen einer diesen Namen verdienenden Wahl überhaupt. Welchen Wert der Gesetzgeber auf eine nicht unzulässig beeinflusste freie Wahl legt, ergibt sich schon daraus, dass er die Behinderung bei der Wahl oder deren Beeinflussung mittels Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder Gewähren oder Versprechen von Vorteilen unter die Strafandrohung des § 78 Abs. 1 Buchst. a) BetrVG stellt. Jeder Verstoss gegen die Regelung des § 19 Abs. 2 BetrVG stellt also einen schwerwiegenden gesetzwidrigen Eingriff in die Grundsätze der unbeeinflussten Wahl dar. Handelt es sich dabei um Massnahmen, die dazu führen, dass auch der Anschein einer ordnungsmässigen freien Wahl überhaupt nicht mehr vorliegt, so tritt sogar schlechthin Wahlnichtigkeit ein (vgl. BAG vom 2.3.1955, PAG 1 S. 317 und Dietz, BetrVG, 2. Aufl., § 18 Anm. 26). Da für die Annahme einer Wahlnichtigkeit jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit enge Grenzen zu setzen sind, wird von ihrem Vorliegen allerdings nur dann gesprochen werden können, wenn durch die in § 19 Abs. 2 BetrVG genannten Mittel eine ganz grobe Wahlbeeinflussung vorgenommen ist, die der Abstimmung schon rein äusserlich den Charakter einer Wahl eindeutig genommen hat. In Fällen minder schwerer Art führt eine Wahlbeeinflussung mit den Mitteln des § 19 Abs. 2 BetrVG nur zur Anfechtbarkeit der Wahl selbst, sofern die Voraussetzungen des § 18 BetrVG vorliegen.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob § 19 Abs. 2 BetrVG zu den Vorschriften über das Wahlverfahren selbst gehört (hiergegen könnte die Stellung der Vorschrift im Gesetz sprechen). Jedenfalls aber rechtfertigt der dort zum Ausdruck gekommene Grundsatz, der einen umfassenden Schutz der Wahl gewährleisten will, dann die Anfechtung der Wahl wegen Fehlerhaftigkeit des Wahlverfahrens, wenn Handlungen, die mit jener Vorschrift verboten sind, geradezu zum Bestandteil des Wahlverfahrens gemacht worden sind (vgl. Fitting-Kraegeloh, BetrVG, § 19 Anm. 1). Nicht jeder Versuch einer Behinderung oder Beeinflussung eines Wahlberechtigten oder einer Gruppe von Wahlberechtigten muss sich zwar unbedingt auf das Wahlverfahren selbst auswirken; wird er aber zu einem Bestandteil des Wahlverfahrens, so ist das durch § 19 BetrVG eben umfassend geschützte Wahlverfahren selbst grundsätzlich mangelhaft. Auf diese Mangelhaftigkeit des Wahlverfahrens kann die Anfechtung der vollzogenen Wahl nach § 18 BetrVG gestützt werden. Ob die Anfechtung auch auf die unzulässige Beeinflussung eines einzelnen Wahlberechtigten dann gestützt werden kann, wenn dieser einzelnen Stimme im Hinblick auf das sonstige Abstimmungsergebnis besonderes Gewicht zukommt, kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Das Wahlverfahren selbst ist jedenfalls dann mangelhaft, wenn die nach § 19 Abs. 2 BetrVG verbotenen Mittel in dem Wahlverfahren zur Beeinflussung einer unbestimmten Vielzahl von Wählern angewendet und damit nun einmal zum Bestandteil des Wahlverfahrens gemacht worden sind. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn durch die Fassung der zur Abstimmung gestellten Frage, durch Aufnahme von Zusätzen in diese Frage oder durch sonstige Verfahrensmassnahmen der Wähler mit den Mitteln des § 19 Abs. 2 BetrVG dazu veranlasst werden soll, seine Stimme in einer bestimmten Richtung abzugeben. Besonderes Gewicht kommt der Anwendung von verbotenen Maßnahmen für die Frage, ob das Wahlverfahren mangelhaft ist, dann zu, wenn der Wahlvorstand selbst derartige Mittel im Wahlverfahren und bei dessen Ausgestaltung angewendet oder doch ihre Anwendung geduldet hat. Denn Aufgabe des Wahlvorstandes ist es gerade, für eine unbeeinflusste ordnungsmässige Durchführung der Wahl Sorge zu tragen. Er ist das für die Vorbereitung, Ausgestaltung und Durchführung der Wahl massgebende Wahlorgan.
Liegt die Vornahme einer Wahlbeeinflussung durch die Ausgestaltung des Wahlverfahrens und damit auch eine Verletzung wesentlicher Vorschriften über das Wahlverfahren vor, so ist die Wahl auch nicht nur dann anfechtbar, wenn diese Wahlbeeinflussung die Abstimmung über die gestellten Fragen tatsächlich beeinflusst hat, sondern bereits dann, wenn sie diese Wirkung gehabt haben konnte. Es braucht also nicht festgestellt zu werden, dass ohne die Wahlbeeinflussung ein anderes Ergebnis zustande gekommen wäre: es reicht vielmehr aus, wenn feststeht, dass ohne die Wahlbeeinflussung ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre. Dies ergibt sich daraus, dass nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 18 BetrVG die Wahlanfechtung nur dann ausgeschlossen ist, wenn festgestellt wird, dass ein vorliegender Verstoss gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren deshalb ohne Einfluss auf das Wahlergebnis blieb, weil durch ihn dieses Ergebnis im konkreten Fall gar nicht geändert werden konnte (vgl. Fitting-Kraegeloh, BetrVG, 3. Aufl., § 18 Anm. 22).
Von dieser Rechtslage ausgehend hätte das Landesarbeitsgericht den seiner Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt prüfen müssen. Die von dem Landesarbeitsgericht gezogenen Schlussfolgerungen sind aber rechtsirrtümlich.
Wenn das Landesarbeitsgericht ausführt, unstreitig seien die Fragen a) (Gemeinschaftswahl) und b) (Erhöhung der Sitzzahl für die Angestellten) getrennt zur Abstimmung gestellt worden, es habe danach den Angestellten frei gestanden, sich für die Gruppenwahl oder für die Gemeinschaftswahl zu entscheiden, so berücksichtigt es nicht ausreichend, dass ursprünglich auf einem einzigen einheitlichen Stimmzettel sowohl die Frage a) wie die Frage b) zur Abstimmung gestellt werden sollte und dass dieser einheitliche Stimmzettel erst dann durch Zerschneiden in zwei nur äusserlich getrennte Stimmzettel geteilt wurde, als die Antragstellerin in ihrem Rundschreiben gegen diese Art der Abstimmung Bedenken erhoben hatte. Trotz der äusserlichen Trennung des früheren einheitlichen Stimmzettels war es für jeden Wahlberechtigten klar, dass die Sitzerhöhung nur für den Fall zugestanden werden sollte und nach der Passung der Abstimmungsscheine von den Stimmberechtigten selbst auch nur unter der Voraussetzung zugestanden werden konnte, dass bei der Abstimmung zur Frage a) (Gemeinschafts- oder Gruppenwahl) sich die Mehrheit der Wahlberechtigten für die Gemeinschaftswahl entschieden hatte. Dies ergab sich aus der Wortfassung der Frage b). Es lag also bei der Fragestellung zu b) eine untrennbare und auch als solche gewollte Verkoppelung mit der Fragestellung zu a) vor. Dass diese Verkoppelung gewollt war, ist eindeutig daran zu erkennen, dass ursprünglich beide Abstimmungsfragen eben auf einem einzigen Stimmzettel niedergelegt waren. Insbesondere enthielt die Fragestellung zu b) ihrer Art und ihrer Wortfassung nach eine innerliche Verbindung mit der Fragestellung zu a), die schon deswegen als gewollt angesehen werden muss. Gewiss war es denkbar, dass trotz einer Mehrheit für eine Gemeinschaftswahl dann bei der Abstimmung über die Frage der Sitzerhöhung die dafür erforderliche Mehrheit der Stimmberechtigten nicht erreicht wurde; dies steht aber dem nicht entgegen, dass die Sitzzahlerhöhung in dem Wahlverfahren nach der Fassung der Frage b) überhaupt nur für den Fall vorgeschlagen wurde, dass sich die Mehrheit der Stimmberechtigten bei der Beantwortung der Frage a) für die Gemeinschaftswahl entschied. Nur für diesen Fall also sollte die Erhöhung der Zahl der Angestelltenvertreter in Aussicht gestellt und in Aussicht genommen werden. Für den Fall, dass es nicht zur Gemeinschaftswahl kam, liess der Stimmzettel alles weitere offen. Aus der Wortfassung der Frage b) war jedoch zu erkennen, dass für den Fall der Ablehnung der Gemeinschaftswahl eine Erhöhung der Sitzzahl der Angestelltenvertreter nicht in Frage kommen sollte, es vielmehr dann bei der gesetzlichen Sitzverteilung sein Bewenden hätte.
Dieses Verfahren, insbesondere die innerlich fortbestehende Verbindung zwischen den Abstimmungen über die Erhöhung der Sitzzahl und die Einführung der Gemeinschaftswahl so, wie diese aus der Wortfassung der zur Abstimmung gestellten Fragen folgte, stellt ein Mittel zur Wahlbeeinflussung dar. Nach der Fassung der zur Abstimmung unter b) gestellten Frage war kein Wahlberechtigter in der Lage, auch dann einer Erhöhung der Sitzzahl der Angestellten zuzustimmen, wenn es bei der Gruppenwahl verblieb, die Frage a) also mit „nein” beantwortet wurde. Jeder Wahlberechtigte, der eine Erhöhung der Sitzzahl für die Angestellten als wünschenswert ansah, musste zuvor für Gruppenwahl stimmen. Mit dem Inaussichtstellen der höheren Zahl der Sitze wurde also die Abstimmung zur Frage a) massgeblich betroffen.
Wenn das Landesarbeitsgericht ausführt, es habe jedem Angestellten frei gestanden, sich für die Gruppenwahl oder die Gemeinschaftswahl zu entscheiden, und daraus offenbar herleiten will, dass eine Beeinflussung im Sinne der Gemeinschaftswahl nicht vorgelegen habe, so verstösst das Landesarbeitsgericht bei dieser Auslegung gegen den Rechtsbegriff der Wahlbeeinflussung. Denn eine Wahlbeeinflussung liegt nicht nur dann vor, wenn der Wahlberechtigte überhaupt nur noch in einem bestimmten Sinne abstimmen kann, sondern auch dann, wenn er zum Stimmen in einer von mehreren an sich möglichen Arten der Stimmabgabe veranlagst werden soll. Diese Auslegung des Begriffs der Wahlbeeinflussung ergibt sich aus dem unbedingten Sicherungszweck des § 19 Abs. 2 BetrVG.
Nicht entscheidend – im Gegensatz zur Ansicht des Landesarbeitsgerichts – ist auch, ob die Wortfassung zur Fragestellung zu b) einer eigenen Willensentschliessung des Wahlvorstandes entsprungen ist oder aber auf einem Antrag wahlberechtigter Arbeitnehmer beruht. Für die ordnungsmässige Durchführung des Wahlverfahrens mit dem Ziel einer unbeeinflussten Stimmabgabe ist, wie bereits hervorgehoben, der Wahlvorstand verantwortlich. Ihm obliegt es kraft seiner eigenen Pflicht, dafür zu sorgen, dass jede Beeinflussung der Wahl unterbleibt. Er darf weder selbst die Wahl beeinflussen noch eine Beeinflussung der Wahl durch Dritte dulden, auch nicht durch wahlberechtigte Arbeitnehmer. Wenn der Wahlvorstand Fragen zur Abstimmung stellt, aus denen eine unzulässige Wahlbeeinflussung folgt, so ist die Wahl daher auch dann anfechtbar, wenn die Fragestellung auf Anregungen anderer Arbeitnehmer beruht. Aufgabe des Wahlvorstandes ist es jedenfalls, unzulässige Fragen nicht zur Abstimmung zu stellen. Stellt er sie gleichwohl zur Abstimmung, so übernimmt er auch damit die Verantwortung für diese Fragen.
Entsprechend dem eben Gesagten ist es auch, wiederum offenbar im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts, unerheblich, ob der Wahlvorstand selbst durch die Art der Fragestellung auf das Abstimmungsergebnis Einfluss nehmen wollte oder ob dieses Ziel nur in der Absicht (mag der Wahlvorstand diese Absicht billigen oder auch ablehnen) anderer Arbeitnehmer lag. Es kommt nach dem Zweck des § 19 Abs. 2 BetrVG, eine freie unbeeinflusste Wahl sicherzustellen, überhaupt nicht darauf an, ob die Willensentschliessung der Wähler beeinflusst werden soll, sondern nur darauf, ob sie beeinflusst werden kann, was selbst mit der Frage des gewollten Zusammenhangs der hier in Rede stehenden Fragen als einer Voraussetzung für das Vorliegen einer Beeinflussung nichts zu tun hat.
Aus der Tatsache, dass nach § 13 Abs. 2 BetrVG gemeinsame Wahl und nach § 12 Abs. 1 Erhöhung der Sitzzahl der Vertreter einer Gruppe beschlossen werden kann, das Gesetz also diese Möglichkeiten einräumt, folgt – abermals offenbar im Gegensatz zu der Ansicht des Landesarbeitsgerichts – nicht, dass die Stimmzettel für die Abstimmung über diese Fragen mit einem die Abstimmung möglicherweise beeinflussenden Inhalt abgefasst werden dürfen. Gerade weil nach dem Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich die Gruppenwahl durchzuführen ist, muss besonderes Gewicht darauf gelegt werden, dass keine Wahlbeeinflussung zugunsten der Gemeinschaftswahl erfolgt. Es mag nach Lage des einzelnen Falles zulässig sein, darüber abzustimmen, ob unter gewissen Bedingungen eine Erhöhung der Sitzzahl einer Gruppe eintreten soll. Diese Bedingungen dürfen aber dann nicht in einer Weise gestellt werden, die die Gefahr einer Wahlbeeinflussung nicht ausschliessen, sondern gerade zum Inhalt haben.
Auch die Folgerungen, die das Landesarbeitsgericht daraus zieht, dass andere Vorschläge über die Verteilung der Sitze bei Beibehaltung der Gruppenwahl nicht gemacht worden sind, weiter daraus, dass die Mehrheit sich in Kenntnis des Widerstandes der Antragstellerin für Gruppenwahl entschieden hat – aus beidem folgert das Landesarbeitsgericht, dass eine Wahlbeeinflussung nicht vorgelegen habe – sind ebenfalls nicht frei von Bedenken. Sie verkennen, dass eben nach der Wortfassung der Frage b) (Erhöhung der Sitzzahl bei Gemeinschaftswahl) nur für den Fall der Gemeinschaftswahl diese Sitzzahlerhöhung zugestanden werden sollte. Gerade darin, dass in Abweichung der sonst eingreifenden gesetzlichen Regelung des § 10 BetrVG für den Fall der Einführung der Gemeinschaftswahl die Erhöhung der Sitzzahl versprochen werden sollte, liegt eine Wahlbeeinflussung. Eine solche Wahlbeeinflussung entfällt nicht deshalb, weil für den Fall, dass es bei der Gruppenwahl blieb, keine Anträge über anderweite Verteilung der Sitze gestellt waren. Daraus, dass sich die überwiegende Zahl der Stimmberechtigten in Kenntnis der bereits zuvor geäusserten Bedenken der Antragstellerin gleichwohl für die Gemeinschaftswahl entschieden hat, könnte sowohl folgen, dass sich diese Wahlberechtigten der Wahlbeeinflussung nicht verschlossen haben, wie aber auch, dass sie auf die Wahlbeeinflussung kein Gewicht gelegt haben, weil sie ohnehin für Gemeinschaftswahl gestimmt hätten. Nicht aber wird damit ein gegebener Tatbestand der Wahlbeeinflussung beseitigt.
In der Fragestellung zu a) und b) ist sonach entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts eine gegen die Angestellten der Zeche gerichtete Wahlbeeinflussung deshalb zusehen, weil beide Fragen trotz der rein äusserlichen Trennung in einem unmittelbaren Zusammenhang standen, der auch gewollt war; den Angestellten sollte bei der von ihnen zu entscheidenden Frage, oh sie statt der gesetzlichen Gruppenwahl (die ohne ihre Zustimmung nicht durch Gemeinschaftswahl ersetzt werden konnte) in Gemeinschaftswahl mit den Arbeitern den neuen Betriebsrat wählen wollten, in Aussicht gestellt werden, dass sie dann mit 4 Angestellten im Betriebsrat vertreten sein würden, während sie bei der gesetzlichen Sitzverteilung nur mit 2 Vertretern rechnen konnten. Dies kann durchaus das Wahlergebnis beeinflusst haben; denn die Erwägung ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Mehrheit der Angestellten sich für die Beibehaltung der gesetzlichen Gruppenwahl entschieden hätte, wenn sie auch für diesen Fall mit 4 Vertretern im Betriebsrat hätte rechnen können. Wenn aber den Angestellten durch die Fassung des Stimmzettels gesagt wird, dass sie entweder Gruppenwahl und 2 Vertreter im Betriebsrat oder aber Gemeinschaftswahl und 4 Vertreter haben könnten, so liegt es gemäss der Lebenserfahrung nahe, dass sich wenigstens eine Reihe von stimmberechtigten Angestellten gerade wegen der in Aussicht gestellten 4 Vertreter für die Gemeinschaftswahl entschieden hat.
Bei dieser Wahlbeeinflussung handelt es sich auch um eine solche durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen im Sinne des § 19 Abs. 2 BetrVG, die unzulässig ist und einen Verstoss gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren beinhaltet. Dadurch, dass die Zahl der Vertreter im Betriebsrat von 2 auf 4 erhöht werden sollte, sofern es zur Gemeinschaftswahl kam, wurde einmal der Gruppe der Angestellten als solcher ein Vorteil versprochen, darüber hinaus aber auch jedem einzelnen Angestellten auf der Zeche. Jeder einzelne Angestellte konnte davon ausgehen und dies seiner Stimmabgabe zu Grunde legen, dass nicht nur die Belange der Angestelltenschaft, also seiner eigenen Gruppe, im allgemeinen, sondern auch seine eigenen Belange der Zeche gegenüber und innerhalb des Betriebsrats selbst besser vertreten sein würden, wenn die Zahl der Vertreter der Angestellten im Betriebsrat grösser sein werde. Die stärkere Vertretung der Gruppe und damit das stärkere Zurgeltungbringen der Belange der Gruppe im Betriebsrat stellt nicht nur einen Vorteil für die Gruppe selbst dar, sondern sie ist auch für jeden einzelnen Angehörigen der Angestelltengruppe ein Vorteil; die Anliegen der einzelnen Angestellten können gründlicher bearbeitet werden, wenn die insoweit im Betriebsrat anfallende Arbeit auf mehrere aus den Kreisen der Angestellten kommende Betriebsratsmitglieder verteilt zu werden vermag. Auch die Abstimmungsergebnisse im Betriebsrat selbst können dadurch eine Änderung zugunsten der Angestellten erfahren, dass die Angestelltengruppe im Betriebsrat stärker vertreten ist. Es liegt also in der Erhöhung der Sitzzahl eine Besserstellung sowohl der Gruppe wie des einzelnen Angestellten. Sie Gewährung eines Vorteils im Sinne des § 19 BetrVG ist nun in jeder Begünstigung zu sehen, die durch die in einem bestimmten Sinne erfolgenden Abgabe der Stimme eingekauft wird (vgl. Galperin, BetrVG, 2. Aufl., § 19 Anm. 9), also sowohl in der Einräumung eines Vorteils an die Gruppe wie an den gruppenangehörigen Wahlberechtigten selbst.
Wenn das Landesarbeitsgericht ausführt, das Versprechen von Vorteilen setze auf selten desjenigen, der diese Vorteile verspreche, „eine gewisse Absicht” voraus, für deren Vorliegen aber weder bei dem Wahlvorstand noch bei den Arbeitnehmern, auf deren Anregung die Fragestellung zu b) aufgenommen sei, etwas dargetan sei, so ist diese Erwägung nicht frei von Rechtsirrtum. Welches Ziel mit der Fragestellung zu b) verfolgt wurde (z. B. besonderes Entgegenkommen den Angestellten gegenüber, Ausschaltung der Angehörigen einer bestimmten Gewerkschaft oder andere Erwägungen) mag dahingestellt bleiben; jedenfalls wollten diejenigen, die die Fragestellung zu b) veranlassten, durch das Inaussichtstellen der höheren Sitzzahl für Angestellte ein bestimmtes Abstimmungsergebnis erreichen. Gerade das ist aber eine unzulässige Wahlbeeinflussung. Es ist auch insoweit wieder entscheidend zu berücksichtigen, dass § 19 BetrVG eine völlig unbeeinflusste Wahl sichern will. Das Inaussichtstellen der zusätzlichen Angestelltensitze für den Fall der Gemeinschaftswahl reicht aus, um die darauf gestützte Anfechtung der Abstimmung über die Einführung der Gemeinschaftswahl und damit der ganzen Betriebsratswahl für gerechtfertigt anzusehen.
Der Annahme eines Vorteils im Sinne des § 19 BetrVG steht nicht entgegen, dass die Angestelltenschaft auch in dem bis zum Jahre 1955 amtierenden Betriebsrat mit 4 Sitzen vertreten war. Denn die Fragestellung zu b) gab gerade Anlass zu der Befürchtung, dass bei Ablehnung der Gemeinschaftswahl die Zahl der Angestelltenvertreter der Regelung des § 10 BetrVG entsprechend auf 2 Vertreter herabgesetzt werde. Auch die Zusicherung der Beibehaltung einer Sitzverteilung, auf die die Angestelltengruppe nach der gesetzlichen Regelung deinen Anspruch hatte, stellt das Inaussichtstellen eines Vorteils dar.
Unrichtig ist ferner die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, aus dem Abstimmungsergebnis folge, dass die Arbeitergruppe, die 2 ihrer Sitze an die Angestellten habe absehen sollen, sich dadurch nicht benachteiligt gefühlt habe und dass deshalb keine unzulässige Wahlbeeinflussung vorliegen könne. Es mag dahingestellt sein, ob objektiv in dieser Übertragung der Sitze eine Benachteiligung der Arbeiterschaft liege. Denn dem Vorteil auf der einen Seite braucht entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts nicht unbedingt ein Nachteil auf der anderen Seite gegenüberzustehen. Wie sich aus § 19 BetrVG ergibt, sind die Vorteilsgewährung und die Nachteilszufügung als unzulässige Mittel der Wahlbeeinflussung nebeneinander gestellt. Auch wenn die Arbeiter einen Nachteil durch die Übertragung ihrer Sitze auf die Angestellten nicht erlitten haben, kann doch eine Bevorteilung der Angestellten vorliegen.
Wenn das Landesarbeitsgericht schliesslich ausführt, aus der Tatsache, dass die Antragstellerin keine Vorschlagslisten mehr eingereicht habe, nachdem gemäss dem Ergebnis der Abstimmung die Gemeinschaftswahl durchgeführt werden sollte, folge auf jeden Fall, dass selbst bei Annahme eines Verstosses gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren die Anfechtung nicht möglich sei, weil durch diesen Verstoss das Wahlergebnis nicht geändert werden konnte, so ist ihm ein Trugschluss unterlaufen. Nahm die Antragstellerin als der DAG angehörige Gewerkschaft im Hinblick auf das stimmenmässige Übergewicht, das bei gemeinsamer Wahl der Arbeiter und der Angestellten die Arbeiterschaft haben würde, von der Aufstellung eigener Vorschlagslisten Abstand, so beruht dies gerade auf dem durch unzulässige Wahlbeeinflussung zustande gekommenen Abstimmungsergebnis in den Vorabstimmungen. Das Landesarbeitsgericht durfte nicht auf die Entwicklung abstellen, die eingetreten ist, nachdem in einem mangelhaften Wahlverfahren Gemeinschaftswahlen und in diesem Falle erhöhte Sitzzahlen für die Angestellten beschlossen worden waren. Es hätte vielmehr prüfen müssen, wie die Betriebsratswahl hätte ablaufen können, wenn es nicht zur Gemeinschaftswahl gekommen, sondern der neue Betriebsrat der gesetzlichen Regelung entsprechend in Gruppenwahl gewählt worden wäre. Es ist durchaus möglich, dass in diesem Falle die antragstellende Gewerkschaft eigene Wahlvorschläge aufgestellt hätte und mit diesen auch zum Zuge gekommen wäre. Es wäre dann ein anderes Wahlergebnis möglich gewesen.
Nach alledem musste der angefochtene Beschluss aufgehoben werden und der Beschluss des Arbeitsgerichts durch Zurückweisung der gegen ihn erhobenen Beschwerde wieder hergestellt werden.
Unterschriften
gez. Dr. Müller, Dr. Meier-Scherling, Dr. Schröder, Dr. Kaulen, Niedermair
Fundstellen
Haufe-Index 662622 |
BAGE, 63 |
NJW 1957, 1086 |