Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Neueingruppierung
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu – 1 ABR 48/92 –
Normenkette
BetrVG §§ 99, 101
Verfahrensgang
LAG Köln (Beschluss vom 21.08.1992; Aktenzeichen 13 TaBV 26/92) |
ArbG Köln (Beschluss vom 10.12.1991; Aktenzeichen 4 BV 191/91) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. August 1992 – 13 TaBV 26/92 – aufgehoben.
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 10. Dezember 1991 – 4 BV 191/91 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber hinsichtlich des Arbeitnehmers G. eine neue Eingruppierungsentscheidung zu treffen und hierbei den Betriebsrat zu beteiligen hatte.
Der Arbeitgeber ist ein im gesamten Bundesgebiet tätiges privates Versicherungsunternehmen, das in Bezirksdirektionen untergegliedert ist. Antragsteller ist der bei der Bezirksdirektion Köln des Arbeitgebers gewählte Betriebsrat.
Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer finden die tariflichen Bestimmungen des privaten Versicherungsgewerbes Anwendung. Der Arbeitnehmer G. war mit Zustimmung des Betriebsrats in die Gehaltsgruppe V des bis zum 31. Dezember 1990 gültigen Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe (MTV) eingruppiert.
Am 25. Oktober 1990 wurde im privaten Versicherungsgewerbe ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, durch den auch der zu diesem Zeitpunkt bestehende Manteltarifvertrag mit Wirkung vom 1. Januar 1991 abgeändert wurde. Die Änderungen betreffen die Neugestaltung der in § 4 MTV geregelten Gehaltsstruktur.
§ 4 MTV a.F. enthielt folgende sieben Gehaltsgruppen:
I Einfache Arbeiten, für die nur eine kurze Einarbeitung erforderlich ist.
II Arbeiten, die Kenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzen, wie sie im allgemeinen durch eine Zweckausbildung, eine längere Einarbeitung oder eine abgeschlossene Ausbildung nach dem Berufsbild Bürogehilfin erworben werden.
III Arbeiten, die Fachkenntnisse voraussetzen, wie sie im allgemeinen durch eine abgeschlossene Berufsausbildung (als Versicherungskaufmann oder in einem anderen gleichwertigen, auch gewerblichen Ausbildungsberuf) oder Fachschulausbildung erworben werden, oder Arbeiten, die neben den Anforderungen der Gruppe II eine einschlägige Erfahrung voraussetzen.
IV Arbeiten, die vertiefte Fachkenntnisse voraussetzen, wie sie über die Anforderungen der Gruppe III hinaus im allgemeinen durch zusätzliche Berufserfahrung, Fortbildung oder die Aneignung zusätzlicher Kenntnisse auf einem bestimmten Sachgebiet erworben werden.
V Schwierige Arbeiten, die gründliche Fachkenntnisse und mehrjährige einschlägige Erfahrungen oder umfassende theoretische Kenntnisse erfordern.
VI Hochwertige Arbeiten, die besondere Anforderungen an das fachliche Können stellen und mit erhöhter Verantwortung verbunden sind.
VII Arbeiten mit Erfordernissen, die über die Merkmale der Tarifgruppe VI hinausgehen und die im allgemeinen mit umfangreichen Leitungsfunktionen verbunden sind.
Demgegenüber führt § 4 MTV n.F. folgende acht Gehaltsgruppen auf:
I Tätigkeiten, die nur eine kurze Einweisung erfordern.
II Tätigkeiten, die Kenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzen, wie sie im allgemeinen durch eine planmäßige Einarbeitung erworben werden.
III Tätigkeiten, die Fachkenntnisse voraussetzen, wie sie im allgemeinen durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch einschlägige Erfahrung erworben werden.
IV Tätigkeiten, die vertiefte Fachkenntnisse voraussetzen, wie sie im allgemeinen durch zusätzliche Berufserfahrung nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung zum Versicherungskaufmann oder einer ihrer Art entsprechenden Berufsausbildung oder durch die Aneignung entsprechender Kenntnisse für den jeweiligen Tätigkeitsbereich erworben werden.
V Tätigkeiten, die gründliche oder vielseitige Fachkenntnisse voraussetzen, wie sie durch mehrjährige einschlägige Erfahrungen erworben werden, oder Tätigkeiten, die umfassende theoretische Kenntnisse erfordern.
VI Tätigkeiten, die besonders gründliche oder besonders vielseitige Fachkenntnisse erfordern, oder Tätigkeiten, die den Anforderungen der Gehaltsgruppe V entsprechen und mit besonderer Entscheidungsbefugnis verbunden sind. Dem gleichzusetzen sind Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordern.
VII Tätigkeiten, die hohe Anforderungen an das fachliche Können stellen und mit erweiterter Fach- oder Führungsverantwortung verbunden sind.
VIII Tätigkeiten, die in den Anforderungen an das fachliche Können und in der Fach- oder Führungsverantwortung über diejenigen der Gehaltsgruppe VII hinausgehen.
Während es im Anhang zu § 4 Ziff. 1 MTV a.F. unter „Richtlinien für die Gehaltsgruppeneinteilung” hieß:
„Die Aufzeichnung der Tätigkeitsmerkmale in der nachstehenden Gehaltsgruppeneinteilung enthält nur Beispiele und ist nicht erschöpfend. Die Aufteilung soll nur eine Richtlinie sein. Je nach Umfang, Größe und Eigenart des Betriebes und der Versicherungsart werden Abweichungen erforderlich sein. Zusammenfassung verschiedener Abteilungen oder auf verschiedene Gruppen verteilte Arbeiten werden eine den Verhältnissen angepaßte Einstufung notwendig machen.
Tätigkeiten, die nach diesen Richtlinien als zu einer bestimmten Gehaltsgruppe gehörig aufgeführt sind, können auch in eine höhere oder niedrigere Gehaltsgruppe eingereiht werden, wenn es sich um schwierigere oder leichtere Verrichtungen, insbesondere nach der Art des Versicherungszweiges, handelt.”
bestimmt der Anhang zu § 4 Ziff. 1 MTV n.F. unter „Tätigkeitsbeispiele zu den Gehaltsgruppen” nunmehr:
„Die nachstehenden Tätigkeitsbeispiele sind nicht erschöpfend. Sie geben die übereinstimmende Auffassung der Tarifvertragsparteien für typische Zuordnungen wieder. Ist eine Tätigkeit als Beispiel bei einer Gehaltsgruppe genannt, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sie in diese Gehaltsgruppe einzustufen ist. Von diesem Grundsatz kann zuungunsten des Arbeitnehmers nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden.
Der überwiegende Teil der Beispiele findet sich durchgehend in mehreren Gehaltsgruppen, wobei durch die Zusätze „einfach”, „mit erhöhten Anforderungen”, „qualifiziert” und „besonders qualifiziert” zum Ausdruck gebracht wird, daß es sich jeweils um unterschiedliche Schwierigkeitsgrade der betreffenden Tätigkeit handelt. Tätigkeitsbeispiele ohne Zusatz bedeuten, daß es sich um den normalen Schwierigkeitsgrad der betreffenden Tätigkeit handelt. Die differenzierenden Zusätze beziehen sich in keinem Fall auf die Mitarbeiter/innen und ihre persönliche Qualifikation sondern ausschließlich auf die jeweiligen von ihnen ausgeübten Tätigkeiten. Das gilt auch für die Worte „qualifiziert” und „besonders qualifiziert”.”
Die den einzelnen Gehaltsgruppen zugeordneten Tätigkeitsbeispiele sind teilweise geändert und insgesamt teils wesentlich erweitert worden. Im einzelnen wird auf den jeweiligen Anhang zu § 4 MTV a.F. bzw. § 4 MTV n.F. verwiesen.
In einer Protokollnotiz vom 25. Oktober 1990 haben die Tarifvertragsparteien folgendes festgehalten:
„Zur Tarifvereinbarung zur Einführung einer neuen Gehaltsstruktur vom 25. Oktober 1990
In mehrjährigen Verhandlungen haben sich die Tarifvertragsparteien auf eine Neufassung der Gehaltsstruktur geeinigt. Dabei ist die Zahl der Gehaltsgruppen durch die Schaffung einer Zwischengruppe zwischen den bisherigen Gehaltsgruppen V und VI (jetzt VII) von sieben auf acht erhöht worden. Durch die Einführung der Gehaltsgruppe VI (neu) wollen die Tarifvertragsparteien der Tatsache Rechnung tragen, daß der Abstand zwischen den bisherigen Gruppen V und VI unverhältnismäßig groß war, was eine der konkreten Tätigkeit entsprechende Eingruppierung in diesem Bereich erschwerte. Der Gehaltsgruppe VI (neu) werden Tätigkeiten zugeordnet, die über die Anforderungen der Gruppe V hinausgehen, ohne diejenigen der Gruppe VII (bisher VI) zu erreichen.
Die Gehaltsgruppen I bis V sowie VII und VIII (bisher VI und VII) wurden unter Beibehaltung ihrer Dotierung und ihres wesentlichen Inhalts präziser und aktueller definiert. Die Tätigkeitsbeispiele wurden nach Bezeichnung und Inhalt der heutigen Unternehmenspraxis angepaßt und in eine systematische Reihenfolge gebracht.
Die Neufassung der Gehaltsstruktur soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien kostenneutral sein. Das bedeutet, daß aus Anlaß dieser Gehaltsstrukturänderung weder eine Höhergruppierung noch eine Herabgruppierung von Arbeitnehmern, abgesehen von den durch die neue Gehaltsgruppe VI erfaßten Tätigkeiten, vorzunehmen ist. Dies unterstellt die richtige tarifliche Eingruppierung.”
An der Tätigkeit des Arbeitnehmers G. hat sich nichts geändert. Der Arbeitgeber sah keinen Anlaß, die einfachen Sachbearbeiter neu einzugruppieren.
Mit seinem Antrag begehrt der Betriebsrat, dem Arbeitgeber aufzugeben, seine nachträgliche Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters G. einzuholen und bei Verweigerung der Zustimmung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.
Er hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei zu einer neuen Eingruppierungsentscheidung verpflichtet. Der Anspruch auf eine neue Eingruppierung und auf die Einleitung des Verfahrens nach § 99 BetrVG ergebe sich aus der Änderung der Gehaltsstruktur. Zwischen der Gehaltsgruppe V (alt) und VI (alt) sei eine neue Zwischengruppe eingefügt worden.
Der neue Tarifvertrag enthalte z.T. andere Tätigkeitsmerkmale für die einzelnen Gehaltsgruppen als die bisherige Regelung des Tarifvertrages und vergrößere die Anzahl der Richtbeispiele erheblich und weise diese z.T. anderen Vergütungsgruppen zu. Dadurch sei eine neue Vergütungsgruppenregelung entstanden. Der Betriebsrat habe dementsprechend einen Anspruch auf Beteiligung nach § 99 BetrVG bei der erforderlichen neuen Eingruppierungsentscheidung.
Die Protokollnotiz stehe dem nicht entgegen, sie könne allenfalls im Beteiligungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG bzw. im Ersetzungsverfahren für die Frage der sachlich richtigen Eingruppierung von Bedeutung sein, nicht jedoch für die Frage, ob der Arbeitnehmer G. neu einzugruppieren und der Betriebsrat zu beteiligen sei oder nicht.
Der Betriebsrat hat beantragt.
der Arbeitgeberin aufzugeben, hinsichtlich der Eingruppierung des Mitarbeiters Herrn G. in die Tarifgruppe V gemäß § 4 MTV seine nachträgliche Zustimmung einzuholen und bei Verweigerung der Zustimmung durch ihn die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens einzuleiten.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der Arbeitnehmer G. erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Gehaltsgruppe V.
Aus der Protokollnotiz sei zu entnehmen, daß grundsätzlich keine Neueingruppierung in die Vergütungsgruppe des neuen Tarifs erfolgen solle. Der Arbeitnehmer G. sei im Sachgebiet „Anträge” als Sachbearbeiter tätig. Die normalen Sachbearbeiter seien eigentlich in die Gehaltsgruppe IV einzugruppieren. Die Eingruppierung in Gehaltsgruppe V beruhe allein auf einer Betriebsvereinbarung, die nichts an der tarifgerechten Eingruppierung ändere.
Zudem sei die Gehaltsgruppe VI (neu) allein deswegen geschaffen worden, weil es auf der Ebene oberhalb der Sachbearbeiter Funktionen gebe, die die alte Gehaltsgruppe V nicht mehr, die alte Gehaltsgruppe VI dagegen noch nicht erfaßt habe.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die hiergegen gerichtete Beschwerde den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und den Antrag abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, da das Landesarbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats zu Unrecht abgewiesen hat.
I. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung gelten für die Beteiligung des Betriebsrats bei Eingruppierungen oder Umgruppierungen die folgenden Grundsätze:
1. Eine bestehende Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung begründet regelmäßig einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers selbst auf Vergütung entsprechend dieser Ordnung und damit auch einen Anspruch auf Eingruppierung in diese Ordnung. Die Eingruppierung ist dabei keine nach außen wirkende konstitutive Maßnahme, sondern ein gedanklicher Vorgang, ein Akt der Rechtsanwendung. Der Arbeitnehmer ist eingruppiert, er wird nicht eingruppiert. Es geht also um die Kundgabe des bei der Rechtsanwendung gefundenen Ergebnisses, welchen Tätigkeitsmerkmalen die vom Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit entspricht und aus welcher Vergütungsgruppe er dementsprechend zu vergüten ist.
Bei diesem dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer obliegenden Vorgang ist der Betriebsrat nach Maßgabe des § 99 BetrVG zu beteiligen. Da die Eingruppierung kein Gestaltungs-, sondern ein Beurteilungsakt ist, ist auch das Mitbestimmungsrecht hier nicht als Mitgestaltungs-, sondern als Mitbeurteilungsrecht zu verstehen. Die Beteiligung des Betriebsrats an diesem Akt der Rechtsanwendung soll sicherstellen, daß die angesichts der allgemein und weit gehaltenen Fassung der Tätigkeitsmerkmale oft schwierige Prüfung, welcher Vergütungsgruppe die Tätigkeit des Arbeitnehmers entspricht, möglichst zutreffend erfolgt. Es dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen, damit aber auch der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und Transparenz der im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen.
Der Arbeitgeber hat dementsprechend – wie bei den anderen Mitbestimmungstatbeständen des § 99 BetrVG auch – die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einzuholen und bei Weigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren zu betreiben, will er seine Eingruppierung aufrechterhalten. Er kann die Schutzfunktion des Mitbestimmungsrechts nicht dadurch unterlaufen, daß er die gebotene Eingruppierung überhaupt oder bei Weigerung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Eingruppierung die Durchführung des Ersetzungsverfahrens unterläßt und den Arbeitnehmer damit darauf verweist, seine zutreffende Eingruppierung selbst geltend zu machen. Der Betriebsrat kann zwar in diesem Fall nicht die „Aufhebung” der falschen Eingruppierung bzw. „Nichteingruppierung” verlangen, da ein aufzuhebender Gestaltungsakt nicht vorliegt. § 101 BetrVG ist aber seinem Sinn und Zweck entsprechend so auszulegen, daß sein Ziel auch bei Eingruppierungen erreicht wird. Das Verfahren nach § 101 BetrVG dient der Sicherung des Mitbestimmungsrechts bei personellen Einzelmaßnahmen. Diese Sicherung kann bei Eingruppierungen nur dadurch geschehen, daß der Arbeitgeber, sofern er die vorgenommene Eingruppierung weiterhin für richtig ansieht und an ihr festhält, vom Gericht angehalten wird, die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen bzw. – falls der Betriebsrat diese nicht erteilt – das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen (ständige Senatsrechtsprechung seit den Senatsbeschlüssen vom 22. März 1983, BAGE 42, 121 = AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972 m. Anm. Löwisch und vom 31. Mai 1983, BAGE 43, 35 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972 m. Anm. Misera; vgl. weiter etwa Senatsbeschluß vom 20. Dezember 1988, BAGE 60, 330 = AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972 m. Anm. Misera; Senatsbeschlüsse vom 3. Oktober 1989 – 1 ABR 66/88 –, vom 20. März 1990 – 1 ABR 20/89 –, vom 20. September 1990 – 1 ABR 17/90 – AP Nr. 75, Nr. 79 und Nr. 83 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991 – 1 ABR 53/90 – EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 100; zuletzt Senatsbeschluß vom 9. Februar 1993 – 1 ABR 51/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Diese Grundsätze gelten nicht nur bei der erstmaligen Eingruppierung, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund veränderter Verhältnisse zu einer Neueingruppierung verpflichtet ist. Eine solche Entscheidung ist u.a. dann notwendig, wenn sich die anzuwendende Vergütungsgruppenordnung ändert. In diesem Fall ist – trotz unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers – zu klären, welchen der neuen Tätigkeitsmerkmale die von dem Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit nunmehr entspricht. An dieser Entscheidung ist der Betriebsrat in gleicher Weise wie bei der erstmaligen Eingruppierung zu beteiligen (Senatsbeschluß vom 3. Oktober 1989 – 1 ABR 66/88 – AP Nr. 75 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991 – 1 ABR 53/90 – EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 100).
Es geht dabei nicht um die Korrektur einer unter Wahrung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats einmal getroffenen, trotz unveränderter Verhältnisse aber nicht mehr für richtig gehaltenen Eingruppierungsentscheidung, hinsichtlich der dem Betriebsrat kein Initiativrecht auf Durchführung eines erneuten Eingruppierungsverfahrens nach § 99 BetrVG zusteht (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991, a.a.O.).
II.1. Bei Anwendung dieser Grundsätze war dem Antrag des Betriebsrats stattzugeben. Bei der Neufassung der Gehaltsgruppenordnung durch den Tarifvertrag vom 25. Oktober 1990 handelt es sich um eine wesentliche Änderung der Struktur dieser Ordnung im vorstehenden Sinne, die eine Verpflichtung zur Neueingruppierung auslöst. Dies ergibt sich sowohl aus der Änderung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale wie auch der jeweils zugeordneten Tätigkeitsbeispiele. Der Annahme einer wesentlichen Änderung steht die Protokollnotiz nicht entgegen.
a) Die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale sind insgesamt neu gefaßt. Abgesehen von der Erweiterung von bisher sieben auf nunmehr acht Gehaltsgruppen gehen auch die Formulierungen im einzelnen über bloß redaktionelle Änderungen hinaus.
Gehaltsgruppe II a.F. etwa erfaßte Arbeiten, die Kenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzen, wie sie im allgemeinen durch eine Zweckausbildung, eine längere Einarbeitung oder eine abgeschlossene Ausbildung nach dem Berufsbild Bürogehilfin erworben werden. Demgegenüber lautet Gehaltsgruppe II n. F.: Tätigkeiten, die Kenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzen, wie sie im allgemeinen durch eine planmäßige Einarbeitung erworben werden. Der Begriff „längere Einarbeitung” ist nicht deckungsgleich mit dem jetzt verwandten Begriff „planmäßige Einarbeitung”. Es ist also durchaus denkbar, daß ein Arbeitnehmer jetzt nach Gehaltsgruppe II eingruppiert ist, weil er eine planmäßige Einarbeitung durchläuft, die aber nicht als längere Einarbeitung im Sinne der bisherigen Tarifgruppe anzusehen war. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Neuformulierung von Gehaltsgruppe I (früher: einfache Arbeiten, für die nur eine kurze Einarbeitung erforderlich ist, jetzt: Tätigkeiten, die nur eine kurze Einweisung erfordern).
Eine Änderung der Gehaltsgruppe II ist auch insoweit erfolgt, als die bisher hier aufgeführte „abgeschlossene Ausbildung nach dem Berufsbild Bürogehilfin” in Gehaltsgruppe II n.F. entfallen ist. Da die Bürogehilfin auch nicht unter den Tätigkeitsbeispielen aufgeführt ist, spricht dies dafür, sie nunmehr in Gehaltsgruppe III n.F. einzugruppieren, welche Tätigkeiten erfaßt, die Fachkenntnisse voraussetzen, wie sie im allgemeinen durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch einschlägige Erfahrung erworben werden.
Gehaltsgruppe III n.F. weicht ihrerseits wiederum ab von Gehaltsgruppe III a.F. Danach war die abgeschlossene Berufsausbildung durch einen Klammerzusatz definiert als eine solche als „Versicherungskaufmann oder in einem anderen gleichwertigen, auch gewerblichen Ausbildungsberuf”. Diese Beschränkung ist nunmehr erst in Gehaltsgruppe IV n.F. enthalten, wenn die dort verlangten vertieften Fachkenntnisse als solche bezeichnet werden, „wie sie im allgemeinen durch zusätzliche Berufserfahrung nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung zum Versicherungskaufmann oder einer ihrer Art entsprechenden Berufsausbildung oder durch die Aneignung entsprechender Kenntnisse für den jeweiligen Tätigkeitsbereich erworben werden”. Die bisher in Gehaltsgruppe III a.F. der Berufsausbildung gleichgestellte Fachschulausbildung wird weder in Gehaltsgruppe III n.F. noch in Gehaltsgruppe IV n.F. noch erwähnt.
Auch hier ist also denkbar, daß ein Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung mangels Vergleichbarkeit mit dem Ausbildungsberuf Versicherungskaufmann bisher nicht in Gehaltsgruppe III a.F. eingruppiert werden konnte, nach Wegfall der Klammerdefinition aber doch.
Gehaltsgruppe V a.F. ist von den Tarifvertragsparteien durch die Gehaltsgruppen V n.F. und VI n.F. ersetzt worden. Insoweit sind neue Gehaltsgruppen geschaffen worden mit dem Erfordernis einer neuen Eingruppierung, so auch beim Arbeitnehmer G. Die Tatsache, daß eine Betriebsvereinbarung den Arbeitgeber verpflichtete, die Sachbearbeiter – unter ihnen den Arbeitnehmer G. – in die Gehaltsgruppe V (alt) einzugruppieren, ändert nichts daran, daß die Änderung der Gehaltsgruppenordnung auch bei dem Arbeitnehmer G. eine neue Eingruppierungsentscheidung erforderlich machte. Die Betriebsvereinbarung ist wegen Verstoßes gegen den Tarifvorrang von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG unwirksam.
b) Dieses Ergebnis wird bestätigt durch einen Vergleich der Regelung der Tätigkeitsbeispiele nach dem alten und neuen Tarifvertrag.
Dies macht schon die von den Tarifvertragsparteien vorangestellte allgemeine Definition deutlich.
Während es bisher unter der Überschrift „Richtlinien für die Gehaltsgruppeneinteilung” hieß:
„Die Aufzeichnung der Tätigkeitsmerkmale in der nachstehenden Gehaltsgruppeneinteilung enthält nur Beispiele und ist nicht erschöpfend. Die Aufteilung soll nur eine Richtlinie sein. Je nach Umfang, Größe und Eigenart des Betriebes und der Versicherungsart werden Abweichungen erforderlich sein.
Tätigkeiten, die nach diesen Richtlinien als zu einer bestimmten Gehaltsgruppe gehörig aufgeführt sind, können auch in eine höhere oder niedrigere Gehaltsgruppe eingereiht werden, wenn es sich um schwierigere oder leichtere Verrichtungen, insbesondere nach der Art des Versicherungszweiges handelt.”
formuliert die Neufassung unter der Überschrift „Tätigkeitsbeispiele zu den Gehaltsgruppen” wie folgt:
„Die nachstehenden Tätigkeitsbeispiele sind nicht erschöpfend. Sie geben die übereinstimmende Auffassung der Tarifvertragsparteien für typische Zuordnungen wieder. Ist eine Tätigkeit als Beispiel bei einer Gehaltsgruppe genannt, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sie in diese Gehaltsgruppe einzustufen ist. Von diesem Grundsatz kann zuungunsten des Arbeitnehmers nur in begründeten Ausnahme fällen abgewichen werden.
…”
Daraus ist allgemein schon eine strengere Anbindung an die Tätigkeitsbeispiele abzuleiten.
Aber auch die den jeweiligen Gehaltsgruppen zugeordneten Tätigkeitsbeispiele haben sich geändert. Dies wird allein aus der Zahl der einzelnen Beispiele deutlich. Gehaltsgruppe II a.F. waren 12 Tätigkeitsbeispiele zugeordnet gegenüber 8 Beispielen zu Gehaltsgruppe II n.F., Gehaltsgruppe III a.F. 17 Beispiele gegenüber 22 Beispielen zu Gehaltsgruppe III n.F., Gehaltsgruppe IV a.F. 12 Beispiele gegenüber 23 Beispielen zu Gehaltsgruppe IV n.F., Gehaltsgruppe VI a.F. 9 Tätigkeitsbeispiele gegenüber 20 Tätigkeitsbeispielen zu Gehaltsgruppe VII n.F. Die Tätigkeitsbeispiele zu den neu geschaffenen Gehaltsgruppen V n.F. und VI n.F. belaufen sich auf insgesamt 47 gegenüber 13 Beispielen zu der bisherigen Gehaltsgruppe V a.F.
Die schon durch diese Zahlen indizierten Änderungen lassen sich an einzelnen Beispielen verdeutlichen, in denen alte Tätigkeitsbeispiele teils entfallen bzw. neue Tätigkeitsbeispiele gebildet worden sind. Wenn Gehaltsgruppe I a.F. etwa das Tätigkeitsbeispiel einfache Boten-, Pförtner- und Wächtertätigkeiten zugeordnet war, Gehaltsgruppe II a.F. dagegen Boten-, Pförtner- und Wächtertätigkeiten, fehlen diese Tätigkeitsbeispiele in Gehaltsgruppe I n.F. ganz, Gehaltsgruppe II n.F. erfaßt nur noch Pförtner- und Wächtertätigkeiten. Die Unterscheidung zwischen einfachen und „normalen” Pförtner- und Wächtertätigkeiten ist also entfallen, die Eingruppierung erfolgt offensichtlich generell in Gehaltsgruppe II n.F. Der Bote wird überhaupt nicht mehr erwähnt, müßte also nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen eingruppiert werden.
In den Tätigkeitsbeispielen zu Gehaltsgruppe II a.F. waren aufgeführt einfache Schreib- und Rechenarbeiten bzw. einfache Arbeiten an Datenerfassungs- oder Prüfgeräten, an konventionellen Lochkarten- sowie peripheren Zusatzmaschinen. Demgegenüber lauten die entsprechenden Tätigkeitsbeispiele zu Gehaltsgruppe II n.F. Schreibarbeiten während der Einarbeitung bzw. Datenerfassungsarbeiten während der Einarbeitung. In Gehaltsgruppe III n.F. werden demgegenüber ohne Zusatz erfaßt Schreibarbeiten bzw. Datenerfassungsarbeiten, während es in den Tätigkeitsbeispielen zu Gehaltsgruppe III a.F. noch hieß Schreibarbeiten nach Stenogramm oder Diktiergerät bzw. Arbeiten an Datenerfassungs- oder Prüfgeräten
Danach sind also Schreibarbeiten bzw. Datenerfassungsarbeiten jetzt nach der Einarbeitung generell in Gehaltsgruppe III eingruppiert, und zwar auch dann, wenn es sich um „einfache” Arbeiten handelt. Hierin liegt eine eindeutige strukturelle Änderung.
Das bisher der Gehaltsgruppe IV a.F. zugeordnete Tätigkeitsbeispiel „Regulierung im Außendienst” ist nunmehr Gehaltsgruppe V n.F. zugeordnet unter „Außenregulierung”.
Gehaltsgruppe IV n.F. sind eine Reihe von Tätigkeitsbeispielen zugeordnet, die bisher in dieser Form nicht genannt wurden, so z.B. Sachbearbeitung im Einkauf, Personalsachbearbeitung ID/AD, Sekretariatsarbeiten, Arbeiten mit elektronischen Sicherheits- und Überwachungsanlagen.
Gehaltsgruppe VII n.F. etwa enthält mit „qualifizierten Technikertätigkeiten” gleichfalls ein neues Tätigkeitsbeispiel.
Diese – nicht erschöpfende – Aufzählung unterstreicht, daß es sich angesichts der Änderungen der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale und der Änderungen der Tätigkeitsbeispiele nicht nur um redaktionelle Änderungen handelt, sondern um eine wesentliche strukturelle Änderung der Gehaltsgruppenordnung, die eine Neueingruppierung erforderlich macht.
2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Protokollnotiz vom 25. Oktober 1990. Diese beschränkt nicht den Eingruppierungsspielraum in der Weise, daß – abgesehen von der Neueingruppierung der bisher in Gehaltsgruppe V eingruppierten Arbeitnehmer – eine starre Zuordnung vorgegeben ist, so daß von einer Eingruppierung im Sinne einer wertenden Entscheidung nicht mehr die Rede sein kann. Dies hat der Senat schon in seinem zur Veröffentlichung vorgesehenen Beschluß vom 12. Januar 1993 – 1 ABR 42/92 – näher ausgeführt.
a) Protokollnotizen der Tarifvertragsparteien können unterschiedliche Bedeutung haben. Sie können selbst eine tarifliche Regelung enthalten, ihnen kann die Bedeutung einer authentischen Interpretation des Tarifvertrages oder aber ein bloßer Hinweis auf den Willen der Tarifvertragsparteien zukommen. Welche Bedeutung im einzelnen anzunehmen ist, ist durch Auslegung der Protokollnotiz und des von ihr betroffenen Tarifvertrages zu entnehmen (vgl. Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 1 Rz 234, 234 a; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 422 ff., beide mit Nachweisen).
b) Die Protokollnotiz vom 25. Oktober 1990 enthält keine eigenständige tarifliche Regelung. Abs. 1 und Abs. 2 erläutern im wesentlichen nur Anlaß und Ziel der Neufassung der Gehaltsstruktur. Sie geben an, warum die Tarifvertragsparteien eine Neuregelung für sinnvoll gehalten haben. Ein Hinweis auf die hier interessierende Frage läßt sich allenfalls der Feststellung in Abs. 2 entnehmen, die Gehaltsgruppen I bis V und VII und VIII (bisher VI und VII) seien unter Beibehaltung ihrer Dotierung und ihres wesentlichen Inhalts präziser und aktueller definiert worden; die Tätigkeitsbeispiele seien nach Bezeichnung und Inhalt der heutigen Unternehmenspraxis angepaßt und in eine systematische Reihenfolge gebracht worden. Dies läßt den Willen der Tarifvertragsparteien erkennen, das bisherige Tarifgruppensystem im wesentlichen unverändert fortzuschreiben. Entsprechendes zeigt auch Abs. 3 der Protokollnotiz, wonach die Neufassung der Gehaltsstruktur „nach dem Willen der Tarifvertragsparteien kostenneutral sein” soll. Die Tarifvertragsparteien stellen weiter fest, dies bedeute, daß aus Anlaß dieser Gehaltsstrukturänderung weder eine Höhergruppierung noch eine Herabgruppierung von Arbeitnehmern, abgesehen von den durch die neue Gehaltsgruppe VI erfaßten Tätigkeiten, vorzunehmen sei.
Auch insoweit enthält die Protokollnotiz keine eigenständige Regelung. Die ausdrückliche Kundgabe des Willens der Parteien spricht vielmehr für die Einordnung als authentisches Auslegungskriterium.
c) Der Protokollnotiz ist jedenfalls – unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung – nicht zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen wären, die neuen Tarifgruppen seien den bisherigen Tarifgruppen jeweils starr zuzuordnen in der Weise, daß die Arbeitnehmer automatisch in eine bestimmte Gruppe überführt würden – mit einem Spielraum nur für die bisher in Gehaltsgruppe V eingruppierten Arbeitnehmer insoweit, als diese entweder in Gehaltsgruppe V n.F. oder Gehaltsgruppe VI n.F., nicht aber darüber hinaus eingruppiert seien. Diese Annahme verbietet sich angesichts des letzten Satzes der Protokollnotiz, dies (nämlich Kostenneutralität bzw. weder Höhergruppierung noch Herabgruppierung) unterstelle die richtige tarifliche Eingruppierung. Hieraus wird deutlich, daß die Überführung der Arbeitnehmer in die neue Gehaltsstruktur nicht „mechanisch” und ohne Überprüfung der richtigen Eingruppierung erfolgen sollte. Es bleibt vielmehr bei dem tariflichen Grundsatz, daß die Eingruppierung, ausgehend von den ausgeübten Tätigkeiten, nach den tariflichen Tätigkeitsmerkmalen zu erfolgen hat. Dies entspricht auch der allgemeinen Regelung des § 4 Ziff. 2 a MTV.
Die richtige tarifliche Eingruppierung ist auch nach den neuen Tätigkeitsmerkmalen zu überprüfen. Der Protokollnotiz kann nicht entnommen werden, eine Überprüfung sei ausschließlich an den bisherigen Tätigkeitsmerkmalen vorzunehmen und nur wenn insoweit sich eine Eingruppierung als falsch erweise, habe die Überführung dann aus der richtigen (alten) Gehaltsgruppe wieder starr in die dieser zugeordnete neue Gruppe zu erfolgen.
Dies widerspräche zum einen dem Grundsatz, daß die Eingruppierung eines Arbeitnehmers aus den jeweils geltenden Tätigkeitsmerkmalen folgt. Es könnte zum anderen zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern führen. Neueingestellte Arbeitnehmer wären in jedem Fall nach den jetzt geltenden tariflichen Tätigkeitsmerkmalen einzugruppieren. Sollten also alte und neue Tätigkeitsmerkmale voneinander abweichen, könnte es zu unterschiedlichen Eingruppierungen für die gleiche Tätigkeit kommen. Daß dieses Ergebnis von den Tarifvertragsparteien gewollt gewesen sein könnte, läßt sich der Protokollnotiz nicht entnehmen. Der Hinweis auf die unterstellte richtige tarifliche Eingruppierung zeigt vielmehr, daß auch die Tarifvertragsparteien den Grundsatz der tarifgerechten Eingruppierung nicht beschränken wollten.
Dem steht nicht die Formulierung entgegen, die Änderung der Gehaltsstruktur solle kostenneutral sein bzw. aus Anlaß der Änderung sei keine Höhergruppierung oder Herabgruppierung vorzunehmen. Ihr ist nicht mehr zu entnehmen als eine gemeinsame Bekundung der Tarifvertragsparteien, sie gingen davon aus, die neue Gehaltsstruktur entspreche in ihrer Wertigkeit den bisherigen Gehaltsgruppen. Bei richtiger Eingruppierung in der Vergangenheit müßte also auch die Eingruppierung nach der neuen Gehaltsstruktur zum gleichen Ergebnis führen. Insoweit ist dann auch der Hinweis auf die Kostenneutralität richtig.
Schon gar nicht kann der Protokollnotiz entnommen werden, sie beschränke das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf eine Umgruppierung in Gehaltsgruppe V oder VI n.F., lasse aber ansonsten das Individualrecht des Arbeitnehmers unberührt, eine höhere – tariflich richtige – Eingruppierung geltend zu machen. Selbst wenn dies die Absicht der Tarifvertragsparteien gewesen sein sollte – was nicht ersichtlich ist –, wäre eine solche Regelung unwirksam. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG stehen nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien, sie können von diesen nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Bindend vorgegeben wird nur die Gehaltsstruktur, in welche die Eingruppierung zu erfolgen hat.
d) Das Erfordernis einer neuen Eingruppierung wird vom Arbeitgeber letztlich selbst bestätigt, wenn er einräumt, es könnten sich „allenfalls in Randbereichen der Gruppen Überprüfungspflichten” ergeben. Auch die Änderung im „Randbereich” macht deutlich, daß es nicht nur um redaktionelle Änderungen geht, sondern um eine echte Strukturveränderung. Dem Arbeitgeber mag zuzugeben sein, daß die Eingruppierung nach der neuen Gehaltsgruppenordnung „im wesentlichen” zu einem Verbleib in der „bisherigen” Gehaltsgruppe führt. Insoweit ist bei der Auslegung der neuen Tätigkeitsmerkmale durchaus auch die in der Protokollnotiz niedergelegte gemeinsame Überzeugung der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen. Dieses Ergebnis folgt aber nicht zwingend aus einer bloßen Umschreibung der Gehaltsgruppen. Gerade die Frage, ob einer der „Randbereiche” betroffen ist, verlangt die Überprüfung aller Eingruppierungen an der neuen Gehaltsgruppenordnung. Wenn der Arbeitgeber meint, es sei Sache des Betriebsrats, für jeden einzelnen Arbeitnehmer substantiiert vorzutragen, daß und warum dieser als in einem Randbereich angesiedelt neu einzugruppieren sei, widerspricht dies der grundsätzlichen Verteilung der Pflichten nach § 99 BetrVG. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, seine Eingruppierungsentscheidung dem Betriebsrat mitzuteilen und dessen Zustimmung einzuholen. Der Arbeitgeber weist dem Betriebsrat hier eine nach dem Gesetz nicht vorgesehene Initiativlast zu, die er ihm als Initiativrecht an anderer Stelle – im Grundsatz zu Recht – selbst abspricht.
e) Der Arbeitgeber kann sich bei der vorliegenden Fallgestaltung auch nicht darauf berufen, der Betriebsrat könne einer Eingruppierung der Arbeitnehmer in die jeweils den bisherigen Gehaltsgruppen zugeordneten neuen Gehaltsgruppen schon deshalb nicht widersprechen, weil er der früheren Eingruppierung zugestimmt habe. Richtig daran ist nur, daß der Betriebsrat bei unverändertem Sachverhalt eine erneute Eingruppierung nicht verlangen kann, wenn er die mit seiner Beteiligung getroffene Eingruppierung nicht mehr für richtig hält (Senatsbeschluß vom 18. Juni 1991 – 1 ABR 53/90 – EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 100). Insoweit steht ihm ein Initiativrecht nicht zu.
Hier liegt aber ein geänderter Sachverhalt vor. Die Gehaltsgruppenordnung hat eine strukturelle Änderung erfahren. Demzufolge hat der Arbeitgeber, wie dargelegt, eine neue Eingruppierung vorzunehmen.
Hat der Arbeitgeber also für den Arbeitnehmer G. eine neue Eingruppierungsentscheidung zu treffen, ist hierbei der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Dementsprechend ist der Antrag des Betriebsrats nach § 101 BetrVG begründet, so daß der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückzuweisen war.
Unterschriften
Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost, H. Blanke, Dr. Feucht
Fundstellen