Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigung Jugendvertreter im öffentlichen Dienst
Orientierungssatz
Kostenentscheidung. Der Anspruch eines nach § 9 BPersVG geschützten Jugendvertreters auf seine tatsächliche Weiterbeschäftigung ist vor dem Gerichten für Arbeitssachen im Urteilsverfahren geltend zu machen (im Anschluß an BAG, Urteil vom 14. Mai 1987, 6 AZR 498/85 = NZA 1987, 820).
Normenkette
ZPO § 91a; BPersVG § 9 Abs. 2, 4; ALTVArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 11.09.1986; Aktenzeichen 2 Sa 469/86) |
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 24.06.1986; Aktenzeichen 2 Ca 383/86) |
Gründe
A. Der Kläger ist ab 1. September 1982 bis 28. Februar 1986 beim beklagten Land in dessen Landeskrankenhaus Schleswig zum Maschinenbauer ausgebildet worden. Im April 1985 ist der Kläger zum Jugendvertreter gewählt worden. Das Berufsausbildungsverhältnis hat am 28. Februar 1986 geendet. Der Kläger hat an diesem Tag erfolgreich seine Gesellenprüfung bestanden und das Prüfungsergebnis mitgeteilt bekommen. Außerdem war der Berufsausbildungsvertrag bis zum 28. Februar 1986 befristet.
Nachdem das Landeskrankenhaus dem Kläger mit seinem Schreiben vom 4. September 1985 mitgeteilt hatte, es beabsichtige nicht, ihn über die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses hinaus weiter zu beschäftigen, hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 27. November 1985, beim Landeskrankenhaus am selben Tag eingegangen, seine Weiterbeschäftigung im Anschluß an sein Ausbildungsverhältnis verlangt.
Mit seinem Schriftsatz vom 12. Dezember 1985 hat der Direktor des Landeskrankenhauses Schleswig beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht den Antrag angekündigt festzustellen, daß mit Ablauf des Ausbildungsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis der Parteien auf unbestimmte Zeit nicht als begründet gelte. Er hat schließlich beantragt, das mit dem (dortigen) Beklagten begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen. Der Antrag ist durch das Verwaltungsgericht als Klage behandelt und zurückgewiesen worden. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein durch sein Urteil vom 5. August 1987 - 19 OVG L 3/86 - zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Der wieder gestellte Feststellungsantrag könne aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Erfolg haben. Von dem Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG könne nicht zu einem Feststellungsantrag nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BPersVG übergegangen werden. Dem im zweiten Rechtszug hilfsweise gestellten Auflösungsantrag könne nicht stattgegeben werden, weil entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit nicht begründet worden sei, welches durch rechtsgestaltende richterliche Entscheidung aufgelöst werden könnte. Die Rechtsfolge des § 9 Abs. 2 BPersVG sei nicht eingetreten, weil der (dortige) Beklagte (P) seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht innerhalb der dreimonatigen Frist des § 9 Abs. 2 BPersVG gestellt habe, sondern einen Tag zu früh.
Der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits (P) hat am 18. April 1986 beim Arbeitsgericht Klage auf seine tatsächliche Weiterbeschäftigung sowie auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit ab 1. März 1986 eingereicht. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt, das beklagte Land sei trotz des schwebenden Streites vor dem Verwaltungsgericht zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet; für diese Klage sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben.
Demgegenüber hat das beklagte Land den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten als nicht gegeben erachtet, auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren verwiesen und darauf, daß der Kläger seine Weiterbeschäftigung nicht innerhalb der dreimonatigen Frist, sondern zu früh verlangt habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger nur noch beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
den Beklagten zu verurteilen, bei Meidung eines
vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes gegen
das beklagte Land, den Kläger als Arbeiter unverzüglich
im Landeskrankenhaus zu beschäftigen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht
Schleswig zu verweisen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat im Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers an das sachlich und örtlich zuständige Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht verwiesen, weil der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben sei, und die Revision zugelassen. Mit seiner zulässigen Revision hat der Kläger sein Klageziel im zuletzt genannten Umfang zunächst weiterverfolgt, während das beklagte Land begehrt hat, die Revision zurückzuweisen.
Im Revisionsrechtszug haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie verhandeln mit ihrer jeweiligen Zustimmung im schriftlichen Verfahren mit wechselseitigen Kostenanträgen.
B. Die Entscheidung beruht auf § 91 a ZPO. Hiernach waren dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
I. Bei - wie hier - zulässigen Rechtsmitteln ist eine übereinstimmende Erklärung der Erledigung der Hauptsache auch in der Revisionsinstanz möglich mit der Folge, daß über die Kosten nur noch durch Beschluß unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden ist (vgl. BAG Beschluß vom 17. August 1961 - 5 AZR 311/60 - AP Nr. 9 zu § 91 a ZPO). Dementsprechend waren hier dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang aufzuerlegen.
Zwar haben die Vorinstanzen zu Unrecht die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen verneint, so daß der Revision unter diesem Gesichtspunkt der Erfolg nicht hätte versagt bleiben können. Gleichwohl waren die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, weil seine Klage insgesamt nicht begründet gewesen wäre. Ihm hat ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis nicht zugestanden, weil die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 BPersVG nicht erfüllt sind. Der Kläger hat sein Weiterbeschäftigungsbegehren nicht innerhalb der dort genannten dreimonatigen Frist gestellt, sondern außerhalb jener Frist.
II. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gegeben. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für den vorliegenden Rechtsstreit zu Unrecht verneint.
1. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, bei einem Weiterbeschäftigungsbegehren sei stets das Gericht zuständig, das über den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses zu entscheiden habe, hier gemäß § 9 Abs. 4 BPersVG das Verwaltungsgericht. Der Beschäftigungsanspruch setze das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus und sei deshalb nicht als eigener und vor den Arbeitsgerichten durchsetzbarer Anspruch anzusehen. Es folge damit den entsprechenden Auffassungen der Dritten und der Fünften Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (Urteil vom 5. Juni 1985 - 3 Sa 31/85 - und Beschluß vom 29. August 1985 - 5 Sa 54/85 -). Beide Kammern hätten mit derselben Begründung den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung wegen Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte für unzulässig erklärt. Dies widerspreche auch nicht dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23. August 1984 (- 6 AZR 519/82 - AP Nr. 1 zu § 9 BPersVG). Hiernach sei über den Antrag eines Auszubildenden auf Feststellung eines nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründeten Arbeitsverhältnisses im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren zu entscheiden. Der Kläger habe jedoch einen derartigen Feststellungsantrag bisher vor den Arbeitsgerichten nicht geltend gemacht.
2. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr ist für eine auf § 9 BPersVG gestützte Klage eines Auszubildenden auf seine tatsächliche Beschäftigung im Anschluß an sein Ausbildungsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG auch dann der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, wenn vor den Verwaltungsgerichten gleichzeitig auf Antrag des Arbeitgebers ein Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG anhängig ist. Denn bei dem Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, auch nur für die Dauer der Durchführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über den Antrag des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs. 4 BPersVG, handelt es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis. Ein solcher Anspruch ist bei den Gerichten für Arbeitssachen im Urteilsverfahren geltend zu machen. Dies hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem - nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung ergangenen - Urteil vom 14. Mai 1987 (- 6 AZR 498/85 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) ausdrücklich festgestellt. Der erkennende Senat schließt sich dem an.
3. Die Gründe des angefochtenen Berufungsurteils bieten keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Insbesondere vermag der Senat der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht zu folgen, bei einer Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung handele es sich um ein Verfahren, bei dem das gleichzeitig anhängige Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG als Hauptsacheverfahren anzusehen sei mit der Folge, daß das Verwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache zuständig sei. Vielmehr handelt es sich um ein prozessual völlig selbständiges Klageverfahren, in dem das Arbeitsgericht selbst als Vorfragen zu prüfen hat, ob gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist und ob - sofern ein solches Verfahren anhängig gemacht ist - die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 BPersVG vorliegen.
III. Gleichwohl wäre der Kläger mit seiner Klage insgesamt nicht durchgedrungen. Der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung setzt voraus, daß zwischen den Parteien überhaupt ein Arbeitsverhältnis besteht (vgl. Großer Senat BAGE 48, 122, 139 ff. = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu C I 2 c der Gründe). Im vorliegenden Fall ist jedoch zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen, weil die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 BPersVG nicht erfüllt sind.
Nach § 9 Abs. 2 BPersVG gilt, wenn ein in Abs. 1 genannter Auszubildender innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber seine Weiterbeschäftigung verlangt, zwischen dem Auszubildenden und dem Arbeitgeber im Anschluß an das erfolgreiche Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. Diese Rechtsfolge ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Der Kläger hat sein Weiterbeschäftigungsverlangen nicht innerhalb der Frist des § 9 Abs. 2 BPersVG schriftlich gegenüber dem beklagten Land erklärt. Ein verfrühtes Verlangen ist unwirksam (vgl. zur gleichartigen Regelung des § 78 a Abs. 2 BetrVG: BAG Urteil vom 15. Januar 1980 - 6 AZR 621/78 - AP Nr. 7 zu § 78 a BetrVG 1972). Diese Frist war hier vom Tag der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses, nämlich dem 28. Februar 1986, zurückzurechnen. Sie hat frühestens am 28. November 1985 zu laufen begonnen. Das schriftliche Verlangen des Klägers auf Weiterbeschäftigung ist dem Beklagten Land dagegen bereits am 27. November 1985 zugegangen und damit nicht mehr innerhalb der dreimonatigen Frist des § 9 Abs. 2 BPersVG.
Weil aber ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist, wäre der Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung der Erfolg zu versagen gewesen.
Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Schliemann
Nehring Bea
Fundstellen
Haufe-Index 441395 |
RzK, II 4b 7 (LT1-2) |
PersR 1989, 83-83 (KT1-2) |