Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Versorgungseinrichtung. bürgerliche Rechtsstreitigkeit. Zusatzversorgungskasse. öffentlich-rechtliche Rechtsform. gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien. Betriebliche Altersversorgung
Orientierungssatz
Die Emder Zusatzversorgungskasse für Sparkassen, Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist keine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien. Für Klagen von bei ihr versicherten Arbeitnehmern ist nicht der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen, sondern der Zivilrechtsweg gegeben.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, Nr. 4 Buchst. a, b, § 3; GVG § 13
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
I. Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.
Der Kläger ist über seinen Arbeitgeber bei der Beklagten zusatzversichert und hat bei ihr eine Anwartschaft auf eine monatliche Zusatzversorgungsrente.
Mit seiner Klage begehrt er sinngemäß die Feststellung, dass sich seine Anwartschaft weiterhin nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Statut der Beklagten bestimme und durch den zum 1. Januar 2002 eingetretenen Systemwechsel in der Zusatzversorgung keine Verkürzung seiner Anwartschaft eintrete. Im Einzelnen hat er folgende Anträge angekündigt:
- Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien bis zum Eintritt des Versicherungsfalles ein Rechtsverhältnis nicht besteht.
- hilfsweise:
- Es wird festgestellt, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sich nach dem Statut der Beklagten in der Fassung der 37. Änderung des Status richtet, soweit Ansprüche bis zum 31. Dezember 2001 erworben wurden.
- hilfsweise zu 1. und 2.:
- Es wird festgestellt, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien durch die Mitteilung vom 11. Dezember 2002 (Startgutschrift) der Höhe nach nicht bestimmt wird.
- hilfsweise zu 1. bis 3.:
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei Eintritt des Versicherungsfalles eine Rente zu gewähren, bei der Ausbildungs- und Vordienstzeiten nach dem Stand vom 31. Dezember 2001 mindestens zur Hälfte als gesamtversorgungsfähige Zeit bei dem Nettoversorgungssatz berücksichtigt werden.
- weiterhin hilfsweise zu 1. bis 3.:
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die zum 31. Dezember 2001 festgestellte Startgutschrift bis zum Eintritt des Versicherungsfalles anzupassen in dem Umfange, in dem sein fiktives Nettoarbeitsentgelt vom 31. Dezember 2001 im Verhältnis zu seinem fiktiven Nettoarbeitsentgelt zum Zeitpunkt der Verrentung angestiegen ist.
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt. Demgegenüber hat der Kläger ausgeführt, bei der Zusatzversorgung handele es sich um Entgelt für die Arbeitsleistung. In der Anwartschaftsphase bestehe noch kein Rechtsverhältnis zwischen Versichertem und Zusatzversorgungskasse. Deshalb könne nur über das Deckungsverhältnis und darüber gestritten werden, ob und in welchem Umfang die Parteien auf Grund des Arbeitsverhältnisses und der Tarifverträge verpflichtet seien, einander künftig Leistungen zu gewähren. Der Streit um die vom Arbeitgeber versprochene Leistung, die ein Dritter zu erfüllen habe, sei eine Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a oder jedenfalls Nr. 4 Buchst. a ArbGG. Der Arbeitsvertrag nehme Bezug auf den Versorgungstarifvertrag, der Inhalt und Umfang des Leistungsversprechens der Beklagten bestimme. Das Streitverhältnis betreffe die Höhe der Anwartschaft und die Berechtigung der Tarifvertragsparteien, in diese einzugreifen. Außerdem sei die Beklagte eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für nicht gegeben erachtet und den Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien an das Landgericht Aurich verwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat, zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
II. Die nach § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG iVm. § 575 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde des Klägers ist nicht begründet. Zuständig sind die ordentlichen Gerichte, nicht die Gerichte für Arbeitssachen. Das haben die Vorinstanzen richtig erkannt.
1. Bei dem Rechtsstreit der Parteien handelt es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit iSd. § 13 GVG. Die Parteien streiten über Rechtsverhältnisse und Rechtsfolgen, die dem Privatrecht angehören. Das Verhältnis der Zusatzversorgungskasse zu den versicherten Arbeitnehmern ist privatrechtlich ausgestaltet, wie sich aus dem Statut der Beklagten vom 1. Oktober 1994 in der Fassung vom 6. Dezember 2002 (Nds. MBl. Nr. 19 vom 18. Juni 2003 S. 386) ergibt. Daran ändert die öffentlichrechtliche Organisation der Beklagten nichts.
2. Ein Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG) oder über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG), liegt nicht vor. Die Beklagte kann nicht als Arbeitgeberin des Klägers angesehen werden.
a) Zwischen den Parteien bestehen keine arbeitsvertraglichen Beziehungen. Die Beklagte ist deshalb im Streitverhältnis nicht Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 1 ArbGG. Daran ändert entgegen der Auffassung des Klägers weder ihre Funktion als “Auszahlungsstelle” der vom Arbeitgeber zu verschaffenden Versorgung etwas noch die etwaige “Nachschusspflicht” des Arbeitgebers. Die Zuständigkeit setzt nicht nur “arbeitsrechtliche Ansprüche”, sondern auch eine bestimmte Rechtsqualität der Prozessparteien voraus.
b) Ein Fall des § 3 ArbGG liegt nicht vor. Die Beklagte ist nicht Rechtsnachfolgerin des Arbeitgebers des Klägers. Sie führt den Rechtsstreit auch nicht kraft Gesetzes an Stelle des sachlich verpflichteten Arbeitgebers. Vielmehr geht es um eigenständige Verpflichtungen der Beklagten. Die jeweiligen Arbeitgeber haben grundsätzlich (nur) insgesamt die wirtschaftlichen Grundlagen für die Verpflichtungen der Beklagten zu gewährleisten.
3. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend entschieden, dass die Beklagte weder eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien noch eine Sozialeinrichtung des privaten Rechts (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG) ist.
a) Konstituierend für eine gemeinsame Einrichtung ist das unmittelbare Kontroll- und Weisungsrecht beider Tarifvertragsparteien (BAG 25. Januar 1989 – 5 AZR 43/88 – BAGE 61, 29, 36 f.; vgl. auch 28. April 1981 – 3 AZR 255/80 – BAGE 35, 221, 227; ErfK/Schaub § 4 TVG Rn. 40 f.; Däubler/Hensche TVG § 1 Rn. 938). Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht maßgebend, dass die Einrichtung Leistungen auf Grund von Tarifverträgen erbringt und die Tarifpartner somit Leistungsvoraussetzungen und Leistungsumfang gemeinsam bestimmen. Vielmehr kommt es auf die Organisation der Einrichtung als solche an. Das Landesarbeitsgericht hat anhand des Statuts der Beklagten im Einzelnen überzeugend dargelegt, dass bei der Beklagten von einer paritätischen Vertretung der Tarifvertragsparteien in diesem Sinne keine Rede sein kann. Hiergegen hat die Rechtsbeschwerde nichts weiter vorgebracht.
b) Die Beklagte ist öffentlich-rechtlich organisiert. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG stellt für die Zuständigkeit bewusst auf die Rechtsform der Einrichtung, nicht auf die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses ab (BAG 28. April 1981 – 3 AZR 255/80 – BAGE 35, 221, 224 f.; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 2 Rn. 93 mwN). Deshalb sind für die betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst die ordentlichen Gerichte zuständig, wenn die Versorgungsleistungen durch eine Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts nach privatrechtlichen Grundsätzen gewährt werden.
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Rechtsbeschwerde zu tragen.
IV. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 25 Abs. 2 GKG aF.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck
Fundstellen
NZA 2005, 128 |
ZTR 2004, 603 |
NJOZ 2005, 527 |