Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zur Versetzung eines Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 10 des Tarifvertrags über den Förderungsaufstieg und den Cockpit-Crew-Tausch vom 10. April 1979 bedarf die Versetzung von Bordpersonal, die auf dringenden betrieblichen Erfordernissen bei der Deutschen Lufthansa AG oder der Condor Flugdienst GmbH beruht, nur der Zustimmung der Konzernvertretung.
2a. Die Regelung des § 10 Abs 2 Satz 3 dieses Tarifvertrags, wonach die Konzernvertretung bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts ihrerseits der Zustimmung der Gesamtvertretungen bedarf, betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Konzern- und Gesamtvertretung.
b. In einem Beschlußverfahren auf Ersetzung der Zustimmung der Konzernvertretung zu einer geplanten Versetzung ist die Gesamtvertretung nicht nach § 83 Abs 3 ArbGG zu beteiligen.
c. Die Gesamtvertretung kann daher gegen einen Beschluß des Arbeitsgerichts, das sie an dem Verfahren nicht beteiligt hatte, keine Beschwerde einlegen.
Normenkette
TVG § 1; BetrVG § 117 Abs. 2 S. 1; ArbGG § 83 Abs. 3 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 23.11.1982; Aktenzeichen 5 TaBV 80/82) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.05.1982; Aktenzeichen 4 BV 14/82) |
Gründe
A. Die Gesamtvertretung des Fliegenden Personals der Condor Flugdienst GmbH wendet sich gegen eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das ihre gegen einen Beschluß des Arbeitsgerichts gerichtete Beschwerde als unzulässig verworfen hat.
Der Arbeitgeber, die Firma Condor Flugdienst GmbH, hatte beim Arbeitsgericht beantragt
festzustellen, daß die Zustimmung der Kon-
zernvertretung für das Fliegende Personal
der Deutschen Lufthansa AG und der Condor
Flugdienst GmbH zur Versetzung zweier Flug-
kapitäne als erteilt gilt, hilfsweise die
Zustimmung der Konzernvertretung zu erset-
zen.
Die Konzernvertretung ist dem Antrag des Arbeitgebers entgegengetreten. Sie besteht aus Mitgliedern der Gesamtvertretungen der Deutschen Lufthansa AG und der Condor Flugdienst GmbH. Die Gesamtvertretung des Fliegenden Personals der Condor Flugdienst GmbH wurde vom Arbeitsgericht nicht beteiligt.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß die Konzernvertretung der Versetzung der beiden Flugkapitäne wirksam zugestimmt hat. Gegen diesen Beschluß haben sowohl die Konzernvertretung als auch die erstmals im Verfahren aufgetretene Gesamtvertretung des Fliegenden Personals der Condor Flugdienst GmbH und ein Flugkapitän Beschwerde eingelegt. Die Konzernvertretung hat ihre Beschwerde zurückgenommen. Die Gesamtvertretung hat sie weiterverfolgt. Sie meint, das Arbeitsgericht hätte sie beteiligen müssen. Sie habe der Versetzung widersprochen. Der Arbeitgeber müsse deshalb die von ihr verweigerte Zustimmung ersetzen lassen. Die Versetzung sei im übrigen auch nicht berechtigt, da die Condor Flugdienst GmbH Piloten beschäftige, die bereits die tariflich zulässige Altersgrenze überschritten hätten.
Die Gesamtvertretung des Fliegenden Personals der Firma Condor Flugdienst GmbH hat vor dem Landesarbeitsgericht beantragt,
den Beschluß des Arbeitsgerichts abzuän-
dern und die Anträge des Arbeitgebers zu-
rückzuweisen.
Die Condor Flugdienst GmbH hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, bei einer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen notwendig werdenden Versetzung (Umschulung) von Flugkapitänen habe nur die Konzernvertretung mitzubestimmen, nicht die Gesamtvertretung oder die Gruppenvertretung der beiden Fluggesellschaften. Die Gesamtvertretung des Fliegenden Personals der Condor Flugdienst GmbH sei am Zustimmungsersetzungsverfahren nicht beteiligt. Ihre Beschwerde sei unzulässig.
Das Landesarbeitsgericht ist dieser Auffassung des Arbeitgebers gefolgt; es hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Gesamtvertretung des Fliegenden Personals der Condor Flugdienst GmbH.
B. Die Rechtsbeschwerde der Gesamtvertretung ist nicht begründet. Sie konnte gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts keine Beschwerde einlegen. Eine solche Beschwerde hätte sie nur einlegen können, wenn das Arbeitsgericht sie am Verfahren hätte beteiligen müssen, ihre Beteiligung aber rechtsfehlerhaft unterblieben ist.
1. Wer in einem Beschlußverfahren Anträge gestellt hat, kann, wenn er durch die Zurückweisung seiner Anträge beschwert ist, das jeweilige Rechtsmittel einlegen. Das war hier nicht der Fall. Ein Rechtsmittel kann aber auch der einlegen, der nach § 83 Abs. 3 ArbGG von Amts wegen zu beteiligen war, jedoch zu Unrecht nicht an dem Verfahren der Vorinstanz beteiligt worden ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BAG 21, 210, 217 = AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG, zu 5 der Gründe; BVerwGE 54, 172, 173 mit weiteren Nachweisen).
2. Wer Beteiligter in einem arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ist, ist in § 83 Abs. 3 ArbGG geregelt. Danach ergibt sich das Recht auf Anhörung und Beteiligung in einem Beschlußverfahren aus dem materiellen Recht. Auch insoweit stimmen das Bundesarbeitsgericht und das Bundesverwaltungsgericht überein: Beteiligter ist derjenige, der von der zu erwartenden Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen oder berührt wird (vgl. zuletzt BAG 37, 31 = AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979; BAG 39, 102 = AP Nr. 3 zu § 80 ArbGG 1979; Beschluß des Senats vom 13. März 1984 - 1 ABR 49/82 - AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979; BVerwGE 50, 186, 193; BVerwGE 54, 172, 173).
Im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Frage geht, ob die Konzernvertretung ihre Zustimmung zur Versetzung der beiden Flugkapitäne bereits wirksam erteilt hat, oder ob die fehlende Zustimmung der Konzernvertretung zu ersetzen ist, ist die Gesamtvertretung nicht beteiligt. Sie wird in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung nicht unmittelbar betroffen oder berührt. Gegenstand des Beschlußverfahrens sind nur Mitbestimmungsrechte der Konzernvertretung. Es geht dagegen nicht darum, ob die Konzernvertretung bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts betriebsverfassungsrechtliche Rechte der Gesamtvertretung des Fliegenden Personals der Condor Flugdienst GmbH verletzt hat. Diese zuletzt genannte Frage könnte allenfalls in einem Verfahren zwischen Gesamtvertretung und Konzernvertretung geklärt werden.
3. Das Mitbestimmungsrecht bei der Versetzung der beiden Flugkapitäne stand der Konzernvertretung zu, nicht der Gesamtvertretung.
a) Die Frage, welche Personalvertretung zuständig ist, ist in gleichlautenden Tarifverträgen, abgeschlossen zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. einerseits und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft sowie der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr andererseits, geregelt. Nach § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kann eine Vertretung für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen durch Tarifvertrag errichtet werden. Die Tarifvertragsparteien haben davon in zwei gleichlautenden Tarifverträgen, im Tarifvertrag über den Förderungsaufstieg und den Cockpit-Crew-Tausch vom 10. April 1979 (DAG) und im Tarifvertrag über den Förderungsaufstieg und andere damit zusammenhängende Regelungsgegenstände vom 9. Februar 1979 (ÖTV), Gebrauch gemacht. In diesen Tarifverträgen haben sie die Ausübung des Mitbestimmungsrechts in Fällen der vorliegenden Art der Konzernvertretung übertragen. Die entsprechenden tariflichen Bestimmungen - § 10 bzw. § 9 - lauten (beide Tarifbestimmungen sind wortgleich):
"Bedingen dringende betriebliche Erfordernis-
se bei DLH oder CFG die Umbesetzung oder Kün-
digung von Angehörigen des Bordpersonals, so
ist bei Vorliegen gleichwertiger sozialer
Gesichtspunkte das Senioritätsdatum ausschlag-
gebend.....
Bei der Beurteilung der dringenden betriebli-
chen Erfordernisse ... ist auf den Konzern
abzustellen; insofern gelten die Flugbetrie-
be von DLH und CFG als ein Betrieb. Die Aus-
übung des Mitbestimmungsrechts erfolgt da-
bei durch die Konzernvertretung. Sie bedarf
dabei der Zustimmung der Gesamtvertretungen."
In einer Protokollnotiz zu dem letzten Satz heißt es:
"Das Zustimmungserfordernis der Gesamtvertre-
tung in § 10 Unterabsatz 2 entfällt bei ei-
ner Neustrukturierung der Konzernvertretung
(§ 42 Abs. 2 TV PersV vom 15. 11. 1972)."
b) Die beiden Flugzeugführer sollten versetzt werden; sie sollten als die senioritätsjüngsten Kapitäne auf ein anderes Flugmuster umgeschult werden. Dazu hatte sich der Arbeitgeber auf dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne dieser Tarifbestimmung berufen. Das alles ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
c) Nach der ausdrücklichen tariflichen Regelung erfolgt die Ausübung des Mitbestimmungsrechts in Fällen der vorliegenden Art durch die Konzernvertretung. Diese hat sich zur geplanten personellen Einzelmaßnahme des Arbeitgebers zu äußern. Das ist Folge der voraufgegangenen Regelung, wonach die Flugbetriebe der Deutschen Lufthansa AG und der Condor Flugdienst GmbH "als ein Betrieb" gelten. In einem Betrieb wird das Mitbestimmungsrecht durch eine Personalvertretung ausgeübt.
4. Aus der Regelung, wonach die Konzernvertretung der Zustimmung der Gesamtvertretungen bedarf, folgt nichts anderes. Diese Regelung gilt nur für das Innenverhältnis zwischen Konzernvertretung und Gesamtvertretungen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend dargelegt. Die Annahme der Rechtsbeschwerde, bei fehlender Zustimmung einer Gesamtvertretung falle das Mitbestimmungsrecht an diese Gesamtvertretung, so daß sie beteiligt werden müsse, findet weder im Wortlaut noch im Zweck der Vorschrift eine Stütze.
a) Nach dem Wortlaut hat die Konzernvertretung das Mitbestimmungsrecht auszuüben. In diesem Satz ist das Verhältnis von Arbeitgeber zur Personalvertretung angesprochen. Der folgende Satz, der sich auf die Zustimmung der Gesamtvertretungen bezieht, betrifft nur das Verhältnis von Konzernvertretung zu den Gesamtvertretungen. Die Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien, nach der das Zustimmungserfordernis der Gesamtvertretungen entfallen soll, sobald die Zusammensetzung der Konzernvertretung neu geregelt wird, spricht ebenfalls für die hier vertretene Auffassung. Das Zustimmungserfordernis wurde von den Tarifvertragsparteien danach nur als ein Verfahren verstanden, in dem sich die Meinungsbildung auf Arbeitnehmerseite vollziehen soll.
b) Es wäre auch systemwidrig, wenn der Arbeitgeber bei fehlender Zustimmung einer Gesamtvertretung oder beider Gesamtvertretungen die Zustimmung dieser Vertretungen einholen müßte. Die Tarifvertragsparteien wollten gerade für die Fälle einer Versetzung von einem Unternehmen in das andere auf Arbeitnehmerseite eine unternehmensübergreifende Beurteilung durch ein Vertretungsorgan sicherstellen. Diese Beurteilung kann nur die Konzernvertretung leisten.
c) Die Auffassung der Gesamtvertretung, der Arbeitgeber müsse, falls sie die Zustimmung verweigere, diese Zustimmung ersetzen lassen, würde auch zu praktisch kaum lösbaren Schwierigkeiten führen. Der Arbeitgeber müßte dann die Zustimmung bei drei Vertretungsorganen einholen, bei der Konzernvertretung, bei der Gesamtvertretung der Condor Flugdienst GmbH und bei der Gesamtvertretung der Deutschen Lufthansa AG. Bei einem Zustimmungserfordernis von drei Personalvertretungen würden sich hinsichtlich des Laufs und der Einhaltung der Wochenfrist, innerhalb derer nach § 88 Abs. 6 TV-Personalvertretung die Zustimmung zu der geplanten Maßnahme verweigert werden kann, nur schwer lösbare Fragen ergeben. Für den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts schon darauf hingewiesen, daß kaum lösbare Konkurrenzprobleme entstünden, wenn bei einer Versetzung von einem Betrieb in den anderen beide Betriebsräte beteiligt werden müßten und unterschiedliche Stellungnahmen abgäben. Diese praktischen Schwierigkeiten haben den Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Auffassung bestärkt, bei einer einverständlichen Versetzung eines Arbeitnehmers von einem Betrieb eines Unternehmens in einen anderen sei nur der aufnehmende Betriebsrat beteiligt, nicht auch der Betriebsrat des abgebenden Betriebs (vgl. BAG 35, 228 = AP Nr. 12 zu § 99 BetrVG 1972; zust. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 96; zuvor schon Boewer, DB 1979, 1035, 1038 f.). Es spricht deshalb viel dafür, daß die Tarifvertragsparteien in dem vergleichbaren Fall des Wechsels von Fliegendem Personal von einer Fluggesellschaft zur anderen konzernangehörigen Fluggesellschaft in Kenntnis dieser Problematik bewußt der Konzernvertretung und ihr allein das Mitbestimmungsrecht bei Versetzungen übertragen haben.
d) Im Verhältnis des Arbeitgebers zur Konzernvertretung ist daher nur deren Entscheidung maßgebend. Sie hat sich verbindlich gegenüber dem Arbeitgeber zu äußern. Verweigert sie die Zustimmung, hat der Arbeitgeber die Zustimmung ersetzen zu lassen. Antragsgegner ist nur die Konzernvertretung, die die notwendige Zustimmung verweigert hatte. In diesem Verfahren ist die Gesamtvertretung nicht beteiligt.
5. Im Verhältnis von Arbeitgeber und Konzernvertretung ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts rechtskräftig geworden. Es steht fest, daß die Konzernvertretung der Versetzung der beiden Flugkapitäne zugestimmt hat. Ob das Arbeitsgericht das Schreiben der Konzernvertretung vom 19. März 1982 insoweit rechtlich zutreffend gewürdigt hat, kann in diesem Verfahren nicht weiter geprüft werden, da die Konzernvertretung ihre Beschwerde gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückgenommen hat.
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
Dr. Wehr H. Blanke
Fundstellen
Haufe-Index 436741 |
RdA 1986, 65 |
AP § 117 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 2 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVC Entsch 98 (LT1-2a) |
AR-Blattei, ES 530.14.3 Nr 98 (LT1-2a) |
EzA § 117 BetrVG 1972, Nr 1 (LT1-2) |
EzA, § Arbeitsgerichtsbarkeit XII Entsch 134 (LT2b-2c) |