Verfahrensgang
LAG Köln (Beschluss vom 26.08.1992; Aktenzeichen 2 TaBV 9/92) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Konzernbetriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. August 1992 – 2 TaBV 9/92 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der antragstellende Konzernbetriebsrat rechtmäßig gebildet worden ist oder ob dies deswegen nicht der Fall ist, weil das nach § 54 Abs. 1 BetrVG erforderliche Quorum nicht erreicht ist.
Die nachfolgend aufgeführten sieben Unternehmen bilden einen Unterordnungs-Konzern, an dessen Spitze die Firma Zeitungsverlag A. GmbH (Beteiligte zu 2) steht.
- Zeitungsverlag A. GmbH
- A. Presseversand GmbH
- Zeitungszustellung A. GmbH
- Zeitungszustellung Kreis D. GmbH
- Zeitungszustellung Kreis H. GmbH
- Zeitungszustellung Kreis A. GmbH
- Wochenblattzustellung G. GmbH
Insgesamt waren in allen sieben Unternehmen bei der Errichtung des Konzernbetriebsrats 2.332 Personen beschäftigt.
Im Frühjahr 1991 beschlossen die Betriebsräte der Zeitungszustellung Kreis D. GmbH (271 Arbeitnehmer), der A. Presseversand GmbH (122 Arbeitnehmer), der Zeitungszustellung A. GmbH (249 Arbeitnehmer) und der Zeitungsverlag A. GmbH (430 Arbeitnehmer), in deren Betrieben insgesamt 1.072 Arbeitnehmer beschäftigt sind, einen Konzernbetriebsrat zu errichten und Betriebsratsmitglieder in den Konzernbetriebsrat zu entsenden. Der Betriebsrat der Zeitungszustellung Kreis H. GmbH (248 Arbeitnehmer) stimmte der Bildung eines Konzernbetriebsrats nicht zu. Bei den beiden weiteren Unternehmen, nämlich Zeitungszustellung Kreis A. GmbH (213 Arbeitnehmer) und Wochenblattzustellung G. GmbH (799 Arbeitnehmer) bestanden damals keine Betriebsräte. Im Laufe des ersten Rechtszuges des vorliegenden Verfahrens ist in der Zeitungszustellung Kreis A. GmbH (213 Arbeitnehmer) ein Betriebsrat gewählt worden; er hat beschlossen, sich nicht an der Bildung eines Konzernbetriebsrats zu beteiligen. Nachdem der Betriebsrat im Betrieb der A. Presseversand GmbH beschlossen hatte, sich an der Bildung des Konzernbetriebsrats zu beteiligen, ist die dortige Betriebsratswahl rechtskräftig für unwirksam erklärt worden.
Mit seinem Schreiben vom 7. Juni 1991 teilte der antragstellende Konzernbetriebsrat der Verlagsleitung der Zeitungsverlag A. GmbH mit, daß er sich am 31. Mai 1991 konstituiert habe. Der Zeitungsverlag A. GmbH schrieb dem Betriebsrat der Zeitungsverlag A. GmbH unter dem 15. Juli 1991:
„Mit Schreiben vom 13.06.1991 und 01.07.1991 haben wir darum gebeten, uns darzulegen, inwiefern der sogenannte „Konzernbetriebsrat” im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen rechtmäßig zustandegekommen ist. Bis heute wurden unsere Schreiben weder mündlich noch schriftlich beantwortet. Wir gehen nach wie vor davon aus, daß der „Konzernbetriebsrat” nicht ordnungsgemäß zustandegekommen ist.
…”
Hierauf hat der antragstellende Konzernbetriebsrat das vorliegende Beschlußverfahren eingeleitet. Er hat geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG seien erfüllt. Mangels Bildung von Gesamtbetriebsräten komme es bei der Ermittlung der qualifizierten Mehrheit von 75 % der Arbeitnehmer nur auf diejenigen Arbeitnehmer an, die Unternehmen angehörten, in denen Betriebsräte gebildet worden seien.
Der Antragsteller hat beantragt
festzustellen, daß der Konzernbetriebsrat bei der Beteiligten zu 2) am 31. Mai 1991 rechtswirksam errichtet (worden) ist.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat entgegnet, das erforderliche Quorum in § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beziehe sich auf sämtliche Arbeitnehmer in allen Konzernunternehmen, gleichgültig, ob in dem betreffenden Konzernunternehmen Betriebsräte oder Gesamtbetriebsräte gebildet worden seien oder nicht. Insgesamt liege die Zustimmung der Betriebsräte aus den Betrieben/Unternehmen jedoch nur für 1.072 Personen vor. Selbst wenn man nur auf Unternehmen abstellen wollte, in denen Betriebsräte gewählt worden seien, sei das Quorum nicht erreicht. Nachdem der im Laufe des Rechtsstreits gewählte Betriebsrat der Zeitungszustellung Kreis A. GmbH seinen Beitritt zum Konzernbetriebsrat abgelehnt habe, entfalle das Quorum selbst nach der vom Antragsteller vertretenen Ansicht. In allen Unternehmen, in denen Betriebsräte beständen, seien 1.533 Personen beschäftigt, 75 % hiervon seien 1.150 Personen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat das Landesarbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der antragstellende Konzernbetriebsrat seinen Feststellungsantrag weiter. Die Beteiligte zu 2) beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Bildung des antragstellenden Konzernbetriebsrats nicht rechtmäßig erfolgt ist, weil das erforderliche Quorum nach § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht erreicht ist.
1. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, bereits nach dem klaren Wortlaut der Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sei bei der Feststellung des Quorums auf die Zahl der Arbeitnehmer im Konzern insgesamt abzustellen und nicht etwa nur auf die Zahl der Arbeitnehmer in Unternehmen des Konzerns, in denen (Gesamt-)Betriebsräte bestehen.
2. Diese Auffassung trifft zu.
a) Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erfordert die Errichtung eines Konzernbetriebsrats „die Zustimmung der Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen, in denen insgesamt mindestens 75 vom Hundert der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen beschäftigt sind”. Dabei ist auf die Zahl der Arbeitnehmer aller Konzernunternehmen abzustellen, gleichgültig, inwieweit dort (Gesamt-)Betriebsräte bestehen oder nicht. Der Wortlaut dieser Norm ist derart eindeutig, daß sich jede extensive oder restriktive Interpretation verbietet.
b) Der dagegen von Behrens/Schaude (DB 1991, 278 ff.) vertretenen Ansicht, aus Gründen der demokratischen Legitimation sei zur Berechnung des Quorums für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats nur auf solche Unternehmen oder Betriebe abzustellen, in denen ein Gesamtbetriebsrat oder Betriebsrat gebildet worden sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der eindeutige Wortlaut der Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 2 BetrVG stellt auf die Beschäftigten in den Konzernunternehmen schlechthin ab, gleichgültig, ob in den Konzernunternehmen oder deren Betrieben Gesamtbetriebsräte oder Betriebsräte gebildet worden sind. Selbst wenn man annehmen wollte, ein Konzernbetriebsrat sei für die Konzernunternehmen bzw. deren Betriebe nicht zuständig, in denen kein Gesamtbetriebsrat bzw. Betriebsrat besteht, besagt dies nicht, daß es für die fakultative Bildung von Konzernbetriebsräten nur auf „demokratisch legitimierte” Betriebsräte bzw. Gesamtbetriebsräte ankommen dürfe. Auch die Nichtbildung eines Betriebsrats durch die Arbeitnehmer eines Betriebes ist ein Stück Ausübung demokratischer Rechte. Die Erwägung, ein betriebsratsloser Betrieb oder ein Unternehmen ohne Betriebsrat, für welches mehr als 25 % aller Arbeitnehmer der Konzernunternehmen tätig sind, könne die Bildung eines Konzernbetriebsrats unterbinden, zwingt ebenfalls nicht zu der Annahme, für die Bildung eines Konzernbetriebsrats könne es nur auf Unternehmen und Betriebe ankommen, in denen Gesamtbetriebsräte bzw. Betriebsräte bestehen. Dasselbe kann sich ereignen, wenn in einem entsprechend großen Betrieb oder Unternehmen der dort bestehende Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat sich der Bildung eines Konzernbetriebsrats verschließt. Im übrigen kann aus der Frage der Zuständigkeit nicht darauf zurückgeschlossen werden, auf welche Betriebe bzw. Unternehmen es zur Ermittlung der Gesamtzahl aller Arbeitnehmer ankommen solle. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat überhaupt errichtet werden kann und dann abzugrenzen, ob er auch für solche Teile eines Konzerns oder Unternehmens Zuständigkeiten entfalten darf, in denen kein Betriebsrat besteht.
3. Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die Bildung eines Konzernbetriebsrats nicht vor. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt. In den Konzernunternehmen waren bei Errichtung des Konzernbetriebsrats insgesamt 2.332 Personen als Arbeitnehmer beschäftigt, 75 % hiervon sind 1.749 Personen. In den Konzernunternehmen, deren Betriebsräte im Frühjahr 1991 die Bildung eines Konzernbetriebsrates beschlossen haben, waren damals nur insgesamt 1.072 Arbeitnehmer beschäftigt. Das aber sind erheblich weniger als 75 % der Arbeitnehmer aller Konzernunternehmen.
Unterschriften
Dr. Steckhan, Kremhelmer, Schliemann, Metzinger, Niehues
Fundstellen