Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg für Prätendentenstreit bei hinterlegter Abfindung
Leitsatz (amtlich)
Macht die Bundesanstalt für Arbeit geltend, ein Teil der zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbarten Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes sei wegen der Gewährung von Arbeitslosengeld auf sie übergegangen, so sind für die gegen den Arbeitnehmer gerichtete Klage auf Zustimmung zur Auszahlung des vom Arbeitgeber hinterlegten Betrags die Gerichte für Arbeitssachen zuständig.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, § 3; HinterlO § 13; GVG § 17a; SGB X § 115
Verfahrensgang
Tenor
Auf die weitere sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Dezember 1996 – 3 Ta 252/96 – aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 14. August 1996 – 20 Ca 2912/96 – abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
Tatbestand
I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung eines beim Amtsgericht Lörrach in Höhe von 15.634,20 DM hinterlegten Betrages.
Der Beklagte hat bei der Klägerin im Juli 1992 Arbeitslosengeld beantragt, nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1993 ordentlich und vorsorglich außerordentlich zum 17. Juli 1992 gekündigt hatte. Die Klägerin hat dem Beklagten Arbeitslosengeld ab 10. Oktober 1992 bewilligt, obgleich der Beklagte in dem gegen den Arbeitgeber geführten Kündigungsschutzprozeß noch Ansprüche geltend gemacht hat. Im März 1993 schloß der Beklagte mit dem Arbeitgeber einen Vergleich. Danach ist das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 30. September 1992 beendet worden. Der Arbeitgeber hat sich zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 130.000,00 DM an den Beklagten verpflichtet. Die Klägerin hat den Arbeitgeber aufgefordert, das von dem Beklagten bis zum 23. März 1993 bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von 15.634,20 DM von der auszukehrenden Abfindung abzuziehen und der Klägerin zu erstatten. Dem widersprach der Beklagte. Daraufhin hat der Arbeitgeber 15.634,20 DM beim Amtsgericht Lörrach hinterlegt.
Am 13. April 1996 hat die Klägerin den Beklagten auf Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Geldes verklagt.
Mit Beschluß vom 14. August 1996 hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit an das Sozialgericht Köln verwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt mit der weiteren sofortige Beschwerde, den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Dezember 1996 – 3 Ta 252/96 – aufzuheben, auf ihre sofortige Beschwerde den Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 14. August 1996 – 20 Ca 2912/96 – abzuändern und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig zu erklären. Der Beklagte beantragt, die weitere sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die weitere sofortige Beschwerde ist begründet. Nach § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG ist vorab auszusprechen, daß der zu den Gerichten für Arbeitssachen beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dem Freigabeverlangen der Klägerin liege ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zugrunde. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch verkannt, daß die bürgerlich-rechtliche Natur des Anspruchs nicht durch den gesetzlichen Übergang nach § 115 Abs. 1 SGB X in eine öffentlich-rechtliche Forderung umgeändert wird, für die die Zuständigkeit der Sozialgerichte nach § 51 SGG gegeben ist.
- Bei einem Streit zweier Prätendenten darüber, wem ein zu ihren Gunsten hinterlegter Geldbetrag auszuzahlen ist, hat der wirkliche Inhaber des Rechts gegen den anderen Prätendenten einen Anspruch nach § 812 BGB auf Einwilligung in die Auszahlung. Der andere ist auf Kosten des wirklichen Rechtsinhabers rechtsgrundlos bereichert, weil die Hinterlegungsstelle nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 HinterlO für die Auszahlung die Zustimmung des anderen Prätendenten verlangt (BGHZ 35, 165, 170; 109, 240, 244; OLG Frankfurt/Main Urteil vom 27. Mai 1993 – 15 U 55/90 – ZIP 1993, 1488; ebenso Peters NJW 1996, 1246). Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, soweit der gesetzliche Forderungsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 117 AFG reiche, sei sie Inhaberin des vertraglichen Abfindungsanspruchs. Somit liegt der Rechtsstreitigkeit ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zugrunde (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG).
- Die nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG begründete Zuständigkeit besteht nach § 3 ArbGG auch für diesen Fall der von der Klägerin geltend gemachten Rechtsnachfolge. Denn ist die Abfindungsforderung nach § 115 Abs. 1 SGB X übergegangen, so hat die Klägerin nach § 812 BGB gegen den Beklagten den Anspruch auf Freigabe der hinterlegten Forderung. Zwar mögen die Parteien darüber streiten, ob wirksam ein Teil des Abfindungsanspruchs des Beklagten auf die Klägerin übergegangen ist. Durch die umstrittene sozialversicherungsrechtliche Vorfrage wird jedoch nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Nach einhelliger Auffassung bleibt die bürgerlich-rechtliche Rechtsnatur des übergehenden Anspruches davon unberührt, daß die Bundesanstalt für Arbeit Rechtsnachfolger wird (vgl. BAG Urteil vom 20. Juni 1958 – 2 AZR 271/55 – AP Nr. 1 zu § 113 AVAVG; vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG 2. Aufl., § 3 Rz 7).
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Düwell
Fundstellen
Haufe-Index 893931 |
BAGE, 122 |
NJW 1997, 2774 |
NZA 1997, 1070 |
MDR 1997, 947 |