Verfahrensgang
LAG Berlin (Beschluss vom 29.08.1986; Aktenzeichen 10 Ta BV 4/86) |
ArbG Berlin (Beschluss vom 08.04.1985; Aktenzeichen 1 BV 16/85) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 29. August 1986 – 10 Ta BV 4/86 – abgeändert.
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. April 1985 – 1 BV 16/85 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die H… GmbH (Arbeitgeber) betreibt eine Vielzahl von Kaufhäusern, u.a. ein Kaufhaus in Berlin. Hier werden rd. 290 Arbeitnehmer beschäftigt von denen etwa 60 sogenannte Teilzeitkräfte sind. Für dieses Kaufhaus in Berlin ist der in diesem Verfahren beteiligte Betriebsrat gewählt werden.
Bei der Festlegung der Lage der Arbeitszeit von Teilzeitkräften ist in der Regel so verfahren worden, daß die Lage der Arbeitszeit – Tage und Stunden – in jedem Einzelfalle entweder vorher mit den Betriebsrat abgestimmt und dann im Arbeitsvertrag vereinbart oder zunächst mit dem Arbeitnehmer vereinbart und dann dem Betriebsrat zur Zustimmung vorgelegt wurde. Verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung, mußte der Arbeitgeber das Zustimmungsersetzungsverfahren durchführen. Entsprechend wurde bei Änderungen in der Lage der Arbeitszeit verfahren. Als mitbestimmungsfrei sah dabei der Arbeitgeber solche Fälle an, in denen die Lage der Arbeitszeit auf Wünschen der Teilzeitkräfte beruhte. Der Betriebsrat hat geltend gemacht, der Arbeitgeber habe sich daran in den meisten Fällen nicht gehalten.
Ende 1984/Anfang 1985 legte der Betriebsrat dem Arbeitgeber einen Entwurf für eine Betriebsvereinbarung vor, in der die Beschäftigung von Teilzeitkräften geregelt werden sollte. Mit dieser Betriebsvereinbarung sollten nicht nur die Lage der Arbeitszeit, sondern auch weitere Arbeitsbedingungen der Teilzeitkräfte geregelt werden, wie die Bezahlung von Feiertagen, die Gewährung von Gratifikationen und Betriebsrenten oder die Bezahlung von Überstunden. Zu einer Einigung der Betriebspartner kam es nicht, so daß der Betriebsrat die Einigungsstelle anrief.
Am 16. September 1985 machte daraufhin der Arbeitgeber das vorliegende Verfahren anhängig, in dem er zunächst die Feststellung beantragte, daß der Betriebsrat keine Regelung zu insgesamt 21 näher bezeichneten Punkten im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Teilzeitkräften verlangen könne. Das Verfahren wurde zunächst mit Rücksicht auf das Einigungsstellenverfahren nicht weiter betrieben. Die Einigungsstelle tagte am 1. und 30. Oktober sowie am 25./26. November 1985. Schon in der ersten Sitzung der Einigungsstelle erklärte der Vertreter des Betriebsrats, daß lediglich eine Arbeitszeitregelung für Teilzeitkräfte verlangt werde, worauf der Arbeitgeber seine Bedenken gegen die Zuständigkeit der Einigungsstelle fallen ließ. Zur Sitzung der Einigungsstelle vom 25./26. November 1985 legten Arbeitgeber und Betriebsrat je einen Entwurf für eine Betriebsvereinbarung als “Antrag” vor. Der Entwurf des Betriebsrats wurde Inhalt des Spruchs der Einigungsstelle. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
Für die Arbeitszeiten sämtlicher teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes werden folgende Rahmenbedingungen festgelegt:
1.
a)
Die vereinbarte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist auf höchstens 5 Wochentage zu verteilen.
b)
Die Arbeitstage sowie Beginn und Ende der Arbeitszeit werden für jeden einzelnen Arbeitnehmer entsprechend dieser Regelung schriftlich festgehalten.
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit werden für die nachfolgend aufgeführten Bereiche wie folgt festgesetzt:
a)
Verkaufsabteilungen
aa)
Allgemein einschließlich Lebensmittelabteilung und SB-Kassen
an den Tagen Mo. – Fr:
08.55 |
– |
18.40 |
08.55 |
– |
12.55 |
12.00 |
– |
18.40 |
14.00 |
– |
18.40 |
…
3.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit für die übrigen Bereiche werden im einzelnen unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange und der Wünsche der Teilzeitbeschäftigten jeweils mit Zustimmung des Betriebsrats festgesetzt.
…
Individuelle Arbeitszeitvereinbarungen, die von Ziff. I, 1 + 2 abweichen sowie Arbeitszeitveränderungen sind nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig.
…
Der Arbeitgeber änderte daraufhin im vorliegenden Verfahren seine Anträge und beantragte zuletzt
- festzustellen, daß der Betriebsrat von ihm keine Regelung verlangen könne zu folgenden Punkten im Zusammenhang mit Teilzeitbeschäftigten:
- Tägliche Mindestarbeitszeit
- Höchstzahl an wöchentlichen Arbeitstagen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 8. April 1986 den Antrag zu a) – tägliche Mindestarbeitszeit – mangels Rechtsschutzinteresse als unzulässig, den Antrag zu b) – Höchstzahl an wöchentlichen Arbeitstagen – als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Arbeitgeber Beschwerde eingelegt, mit der er sich lediglich gegen die Abweisung des Antrages zu b) – Höchstzahl an wöchentlichen Arbeitstagen – gewandt hat.
Er meint, der Betriebsrat könne keine generelle abstrakte Regelung dahin verlangen, daß Teilzeitkräfte höchstens eine bestimmte Zahl von Tagen in der Woche beschäftigt werden dürften. Der Betriebsrat habe zwar ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit. Bei Teilzeitarbeitskräften könne er dies aber nur im konkreten Einzelfalle unter Berücksichtigung der Wünsche der Arbeitnehmer und der betrieblichen Bedürfnisse ausüben. Mit einer generellen Regelung über eine Höchstzahl von wöchentlichen Arbeitstagen begebe sich der Betriebsrat der Freiheit zur sachgemäßen Ausübung seines Mitbestimmungsrechts. So sei nach dem Spruch der Einigungsstelle die Einstellung einer Teilzeitkraft, die an sechs Tagen in der Woche habe arbeiten wollen, am Widerstand des Betriebsrats gescheitert. Er hat vor dem Landesarbeitsgericht beantragt
festzustellen, daß der Betriebsrat keine abstrakt-generelle Regelung über die Höchstzahl an wöchentlichen Arbeitstagen im Zusammenhang mit Teilzeitbeschäftigten verlangen könne.
Das Landesarbeitsgericht hat diesem Antrag stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Betriebsrat die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts auch zu diesem Punkt.
Den Spruch der Einigungsstelle vom 26. November 1985 hat der Arbeitgeber angefochten. Das Verfahren wird mit Rücksicht auf das vorliegende Verfahren nicht weiterbetrieben.
Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Arbeitgeber den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Betriebsrat hat der Erledigungserklärung widersprochen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß der Betriebsrat keine Regelung über eine Höchstzahl von wöchentlichen Arbeitstagen für Teilzeitkräfte verlangen kann.
I. An einer Sachentscheidung ist der Senat nicht dadurch gehindert, daß der Arbeitgeber das Verfahren für erledigt erklärt hat. Das Verfahren ist nicht erledigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Beschlußverfahren in den Rechtsmittelinstanzen nicht durch einseitige Erledigungserklärung einer Sachentscheidung entzogen werden. Im Falle einer einseitigen Erledigungserklärung durch den Antragsteller ist vielmehr zu prüfen, ob sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hat. Ist die Hauptsache erledigt, so ist dies durch das Gericht auszusprechen. Fehlt es an einer Erledigung, ist über den ursprünglichen Sachantrag zu entscheiden.
Die Hauptsache ist erledigt, wenn nach Rechtshängigkeit ein Ereignis eingetreten ist, das den Antragsteller hindert, seinen Antrag mit Erfolg weiterzuverfolgen, weil dieses Ereignis den Antrag unzulässig oder unbegründet gemacht hat. Damit setzt die Erledigung der Hauptsache voraus, daß der Antrag zunächst zulässig und begründet war. Ein Antrag, der von Anfang an unzulässig oder unbegründet war, kann sich nicht durch ein nach Rechtshängigkeit eintretendes Ereignis erledigen (Beschlüsse des Senats vom 10. Juni 1986 – 1 ABR 59/84 – und vom 15. September 1987 – 1 ABR 44/86 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).
Es kann dahingestellt bleiben, ob in der Erklärung des Betriebsrats in der Rechtsbeschwerdebegründung, er berühme sich nicht eines Mitbestimmungsrechts “hinsichtlich einer abstrakten, generellen Regelung über die Höchstzahl von wöchentlichen Arbeitstagen im Zusammenhang mit Teilzeitkräften” ein den Rechtsstreit erledigendes Ereignis gesehen werden kann. Eine Erledigung der Hauptsache liegt schon deswegen nicht vor, weil der Antrag des Arbeitgebers von Anfang an unbegründet war.
II. Der Antrag war zulässig.
Mit dem Antrag wurde die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, nämlich das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Festlegung einer Höchstzahl von wöchentlichen Arbeitstagen für Teilzeitkräfte begehrt.
Für eine solche Feststellung besteht ein Feststellungsinteresse. Der Betriebsrat berühmt sich eines solchen Mitbestimmungsrechts. Seine Erklärung in der Rechtsbeschwerdebegründung steht dem nicht entgegen. Mit ihr soll lediglich verdeutlicht werden, daß der Betriebsrat von Anfang an auch Ausnahmen in seinen Regelungsvorschlag einbezogen hat. Von einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats geht auch der Spruch der Einigungsstelle aus, der eine Regelung über die Höchstzahl von wöchentlichen Arbeitstagen für Teilzeitkräfte, wenn auch mit Ausnahmen, beschlossen hat. Das Rechtsschutzinteresse ist auch nicht dadurch entfallen, daß der Spruch der Einigungsstelle angefochten worden ist und die Beteiligten über die Rechtswirksamkeit des Spruchs in einem besonderen Verfahren streiten. Mit einer Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle wird nicht mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten über die unter ihnen strittige Rechtsfrage entschieden, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat bei der Festlegung einer Höchstzahl von wöchentlichen Arbeitstagen für Teilzeitkräfte. Über diese Frage muß nicht einmal notwendig als Vorfrage entschieden werden. Der Spruch der Einigungsstelle kann sich auch aus anderen Gründen als unwirksam erweisen (vgl. den Beschluß des Senats vom gleichen Tage in dem Verfahren 1 ABR 10/86, zur Veröffentlichung vorgesehen).
III. Der Antrag des Arbeitgebers ist jedoch nicht begründet.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Regelungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das gilt auch für die Lage der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten jedenfalls dann, wenn es sich nicht um die Lage der Arbeitszeit einer einzelnen Teilzeitkraft handelt, sondern um eine generelle Regelung der Lage der Arbeitszeit aller im Betrieb beschäftigten Teilzeitkräfte. Darauf, ob der Arbeitgeber eine solche generelle Regelung wünscht oder selbst trifft, kommt es nicht an. Der Betriebsrat kann aufgrund seines Initiativrechts eine solche generelle Regelung verlangen.
Mitbestimmungspflichtig ist die Verteilung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Der Betriebsrat hat daher mitzubestimmen nicht nur darüber, an welchen Wochentagen gearbeitet wird, sondern auch an wieviel Tagen in der Woche die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen ist. Ebenso wie eine Regelung mitbestimmungspflichtig ist, nach der die Arbeitszeit auf die Wochentage Montag bis Freitag verteilt werden soll – was gleichzeitig die Regelung beinhaltet, daß die Arbeit an fünf Tagen in der Woche erbracht werden soll –, ist eine Regelung mitbestimmungspflichtig, die lediglich eine bestimmte Zahl von Arbeitstagen in der Woche festlegt, dem Arbeitgeber aber die Auswahl der Wochentage – eventuell nach bestimmten Vorgaben – überläßt. Der Betriebsrat hat daher mitzubestimmen bei der Festlegung einer Höchstzahl von Tagen, an denen Teilzeitarbeitnehmer in einer Woche beschäftigt werden dürfen. Ob eine Regelung dieser Frage letztlich ein ausnahmsloses Verbot der Beschäftigung an weiteren Wochentagen beinhaltet oder Ausnahmen unter bestimmten, im voraus festgelegten Vorgaben oder im Einzelfall mit Zustimmung des Betriebsrats vorsieht, ist für die Frage nach dem Bestehen eines Mitbestimmungsrechts über eine Höchstzahl von Arbeitstagen in der Woche, an denen Teilzeitarbeitskräfte beschäftigt werden dürfen, ohne Bedeutung.
Unterschriften
Dr. Kissel, Dr. Heither, Matthes, K. H. Janzen, Dr. Giese
Fundstellen