Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsicht in die Listen der Bruttolöhne und -gehälter
Orientierungssatz
1. Es gehört zu den Aufgaben des Betriebsrats, die Einhaltung der kollektiven Entgeltregelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sowie der Grundsätze von Recht und Billigkeit bei der Vergütung der Arbeitnehmer und die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überwachen. Das macht den Einblick in die Entgeltlisten ohne besonderen Anlaß erforderlich.
2. Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt ausgesprochen, gegenüber zwingenden gesetzlichen Ansprüchen greife der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung bei einem treuwidrigen Verhalten des Berechtigten nur in besonders krassen Fällen durch. Dabei ist jeweils auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen und eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.
Normenkette
BGB § 242; BetrVG §§ 79, 23 Abs. 3, § 80 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 27.04.1984; Aktenzeichen 6 TaBV 1/84) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 18.10.1983; Aktenzeichen 2 BV 8/83) |
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um das Einsichtsrecht des Betriebsrats in die beim Arbeitgeber geführten Bruttolohn- und -gehaltslisten der Arbeitnehmer.
Die Antragsgegnerin betreibt in ihrer Zweigniederlassung Hamburg eine Druckerei*Die dort beschäftigten Arbeitnehmer haben einen Betriebsrat gewählt, den Antragsteller. Der vom Antragsteller gebildete Personalausschuß nahm in der Vergangenheit mehrfach Einsicht in die Listen der Bruttolöhne und -gehälter, zuletzt am 25. Januar 1983. Die Antragsgegnerin hatte zuvor mit an den Antragsteller gerichtetem Schreiben vom 13. Dezember 1982 die in den Bruttolohn- und -gehaltslisten enthaltenen Daten für geheimhaltungsbedürftig i. S. des § 79 BetrVG erklärt. Sämtliche Arbeitnehmer der Antragsgegnerin erhalten übertarifliche Zulagen.
Der Antragsteller veröffentlichte in einer an die Mitarbeiter verteilten und am Schwarzen Brett ausgehängten Betriebsratsinformation (BI) vom März 1983 eine tabellarische Aufstellung über die Höhe der übertariflicher Zulagen auf Wochenlohnbasis. Die Aufstellung gliederte die übertariflichen Zulagen in den Jahren 1981 und 1982 in acht Gruppen. Sie berichtete sodann über die Anzahl der Arbeitnehmer in diesen Gruppen, aufgeteilt nach Kostenstellen. Der Antragsteller gab in der Betriebsratsinformation weiter die Anzahl der Fälle im Jahre 1982 bekannt, in denen innerhalb der einzelnen Kostenstellen Lohnerhöhungen zwischen 10,-- und 50,-- DM wöchentlich vorgenommen worden waren*Daraufhin teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, sie werde ihn von der Einsichtnahme in die Lohn- und Gehaltslisten zukünftig ausschließen, und erklärte, diese Entscheidung erst dann neu zu überdenken, wenn der Betriebsrat eine bindende Erklärung abgebe, in Zukunft jegliche Veröffentlichung von Lohn- und Gehaltsdaten zu unterlassen. Der Antragsteller verweigerte zunächst die Abgabe einer solchen Erklärung und leitete das vorliegende Beschlußverfahren ein. Nachdem das Arbeitsgericht den geltend gemachten Verpflichtungs- und Unterlassungsanspruch des Antragstellers verneint hatte, gab der Antragsteller mit Schreiben vom 2. März 1984 die Erklärung ab, jegliche Veröffentlichung von Lohn- und Gehaltsdaten zu unterlassen. Der danach für den 16. März 1984 verabredete Einsichtstermin wurde wegen eines Warnstreiks nicht wahrgenommen. Noch im März 1984 veröffentlichte die Betriebszeitung der IG Druck und Papier im B Konzern H "Unser Blatt" unter der Überschrift Lohnstruktur bei B H in einem Schaubild u.a. die gezahlten Effektivlöhne in Prozenten unter Angabe von 100 % des tariflichen Facharbeiterlohns aufgegliedert in Produktionsabteilungen. Nach dieser Veröffentlichung teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 4. April 1984 mit, der erneuten Terminsvereinbarung zur Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten stehe nichts im Wege, wenn der Antragsteller eine geänderte Erklärung abgebe, bis zur Entscheidung im vorliegend anhängigen Beschlußverfahren die Veröffentlichung von Lohn- und Gehaltsdaten und deren Weitergabe zu unterlassen*Der Antragsteller setzte jedoch das Verfahren ohne die Abgabe der verlangten Erklärung fort.
Der Antragsteller hat gemeint, mit der Veröffentlichung vom März 1983 nicht gegen § 79 BetrVG verstoßen zu haben. Die in der Betriebsinformation vom März 1983 veröffentlichten Daten habe die Antragsgegnerin nicht für geheimhaltungsbedürftig erklärt. Die Daten seien darüber hinaus so allgemein gehalten, daß keinerlei Rückschlüsse auf betriebliche Lohn- und Gehaltsstrukturen oder Kalkulationen zu ziehen seien, zumal sie nur einen kleinen Nebenbetrieb des Hauptbetriebs in K beträfen. Er habe keine Daten weitergegeben, die zur Veröffentlichung in der Betriebszeitung der IG Druck und Papier vom März 1984 geführt hätten. Das Verhalten der Antragsgegnerin stelle einen groben Verstoß im Sinne von § 23 Abs.3 BetrVG dar.
Der Antragsteller hat zuletzt beantragt,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem
bei dem Antragsteller gebildeten Personalausschuß
Einblick in die Bruttolohn- und
Gehaltslisten zu gewähren,
2. der Antragsgegnerin anzudrohen, für jeden
Verstoß gegen eine rechtskräftige Entscheidung
gemäß Ziff. 1 Zwangsgelder gemäß § 23
Abs. 3 BetrVG aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat Zurückweisung der Anträge beantragt und gemeint, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Lohn- und Gehaltslisten, weil er durch die Veröffentlichung von Gehaltsstrukturen sein Recht zur Einsichtnahme nach § 80 Abs. 2 BetrVG zu rechtsmißbräuchlichen Zwecken verwandt habe und keine Gewähr dafür biete, daß diese Rechtsverletzung künftig unterbleibe. Der IG Druck und Papier sei eine genaue Aufstellung der Effektivgehälter nur möglich gewesen, weil der Antragsteller die ihm zugänglich gemachten Daten der Gewerkschaft weitergegeben habe. So bestehe Wiederholungsgefahr.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Anträge zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Verfahrensziel weiter, während die Antragsgegnerin die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Antragsteller habe zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Einblicknahme in die Bruttolohn- und -gehaltslisten gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Dem Einblicksverlangen stehe aber der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegen. Der Anspruch aus § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG unterliege der Mißbrauchskontrolle. Der Antragsteller übe sein Recht in unzulässiger Weise aus, wenn er erneut Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten verlange, weil er zuvor in pflichtwidriger Weise Daten veröffentlicht habe, die seinem Personalausschuß durch Ausübung des Einblicksrechts bekannt geworden seien. Bei den veröffentlichten Daten handele es sich um solche, die die Antragsgegnerin zu Recht zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Sinne von § 79 Abs. 1 BetrVG erklärt habe. Da der Antragsteller deutlich gemacht habe, die Daten aus den Bruttolohn- und -gehaltslisten in der gleichen Form wie bisher zu veröffentlichen, weil er sich dazu für befugt halte, sei die Antragsgegnerin berechtigt, das Einsichtsrecht im Hinblick auf die künftig zu befürchtenden Rechtsverletzungen durch den Antragsteller zu verweigern, bis dieser erkläre, keine weiteren Veröffentlichungen vornehmen und Daten weitergeben zu wollen. Da die Antragsgegnerin ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nicht verletzt habe, sei der Antrag zu Ziff. 2 ebenfalls unbegründet.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung stand.
2. Der nach § 28 BetrVG gebildete Personalausschuß des Antragstellers hat gegen die Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG einen Anspruch, Einblick in die Listen über Bruttolöhne und -gehälter zu nehmen (BAGE 25, 75; BAG Beschluß vom 12. Februar 1980 - 6 ABR 2/78 - AP Nr. 2 und 12 zu § 80 BetrVG 1972; BAGE 35, 342 = AP Nr. 15 zu § 80 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 10. Februar 1987 - 1 ABR 43/84 - DB 1987, 1152 = NZA 1987, 385). Es gehört zu den Aufgaben des Betriebsrats, die Einhaltung der kollektiven Entgeltregelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen sowie der Grundsätze von Recht und Billigkeit bei der Vergütung der Arbeitnehmer und die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überwachen. Das macht den Einblick in die Entgeltlisten ohne besonderen Anlaß erforderlich (BAGE 35, 342, aaO).
3. Der Realisierung des Anspruchs steht z.Z. jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Die in den §§ 242, 826 BGB zum Ausdruck gekommene Einrede der unzulässigen Rechtsausübung beherrscht das gesamte Recht (BAGE 32, 139 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Treuebruch) und findet auch im Betriebsverfassungsrecht Anwendung (BAGE 15, 307 = AP Nr. 1 zu § 45 BetrVG). So kann einem Ausschuß des Betriebsrats auch das Einblicksrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verwehrt werden, wenn seine Geltendmachung eine unzulässige Rechtsausübung darstellt (BAGE 25, 292, 297 = AP Nr. 3 zu § 80 BetrVG 1972, zu III 3 a. E. der Gründe; BAG Beschluß vom 12. Februar 1980 - 6 ABR 2/78 - AP Nr. 12 zu § 80 BetrVG 1972, zu 3 e a.E. der Gründe). Das kann u.a. (vgl. die Fallgruppendarstellung bei Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Aufl., § 242 Anm. 4 C b und Staudinger/Schmidt, BGB, 12. Aufl., § 242 Rz 657 ff.) dann der Fall sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten vorzuwerfen ist (Palandt/Heinrichs, aa0; Staudinger/Schmidt, aaO, Rz 612 - 631).
Der Begriff der unzulässigen Rechtsausübung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Nachprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur dahin unterliegt, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt ist, ob die Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und schließlich, ob die Beurteilung wegen Übersehens wesentlicher Umstände insbesondere bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen offensichtlich fehlerhaft ist (BAG Urteil vom 30. Juni 1966 - 5 AZR 62/66 - AP Nr. 3 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; BAG Urteil vom 25. Oktober 1984 - 2 AZR 417/83 - AP Nr. 3 zu § 273 BGB, zu II 6 a der Gründe).
4. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, der Antragsteller habe im März 1983 durch die Veröffentlichung in der Betriebsratsinformation § 79 BetrVG verletzt. Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Der aus dieser Vorschrift folgende Unterlassungsanspruch (BAG Beschluß vom 26. Februar 1987 - 6 ABR 46/84 - zur Veröffentlichung bestimmt) richtet sich nicht nur gegen die Betriebsratsmitglieder, sondern auch gegen den Betriebsrat als Organ der Betriebsverfassung (BAG, aaO). Mit seiner Veröffentlichung vom März 1983 hat der Betriebsrat Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart. Der Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses wird weder im Betriebsverfassungsgesetz noch in anderen Gesetzen wie im UWG und GWB definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Schrifttum angeschlossen hat, wird unter dem Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist, und nach dem Willen des Betriebsinhabers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheimgehalten werden soll (BGH Urteile vom 15. März 1955 - I ZR 111/53 - LM Nr. 2 zu § 17 UWG und vom 1. Juli 1960 - I ZR 72/59 - GRUR 1961, 40, 43; BAGE 41, 21 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 14. Aufl., § 17 UWG Rz 2 bis 7; Gloy/Harte-Bavendamm, Handbuch des Wettbewerbsrechts 1986, § 42 Rz 197 ff.; Reimer/von Gamm, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 4. Aufl., Bd. 2, 57. Kap. Anm. 1; von Gamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl., § 17 Rz 4; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 79 Rz 6; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 79 Rz 4; Thiele, GK-BetrVG, 3. Bearb., Stand November 1982, § 79 Rz 5; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 79 Rz 3; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 79 Rz 2). Dem hat sich der Senat in seinem Beschluß vom 26. Februar 1987 (aaO) angeschlossen.
a) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Gruppierung der übertariflichen Zulagen in einem Druckbetrieb und ihre Zuordnung zu den Arbeitnehmern in den Kostenstellen sind nicht offenkundig. Eine Tatsache ist offenkundig, wenn sich jeder Interessierte ohne besondere Mühe Kenntnis verschaffen kann (BAGE 41, 21, aaO). Die veröffentlichten Zahlen über die Höhe der Zulagen in den jeweiligen Abteilungen standen weder jedermann zur Verfügung noch waren sie ohne Mühe zu beschaffen. Die Antragsgegnerin hat ferner ihren Willen, die Gehaltsdaten geheimzuhalten, gegenüber dem Antragsteller deutlich gemacht. Sie hat daran auch ein objektiv berechtigtes wirtschaftliches Interesse. Die Höhe der übertariflichen Bestandteile und ihre Verteilung auf die Arbeitnehmer der Arbeitsgruppen stellen Kalkulationsunterlagen dar, die im Schrifttum allgemein als Geschäftsgeheimnis angesehen werden (Galperin/Löwisch, aaO, § 79 Rz 6; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 79 Rz 2; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 79 Rz 4; Thiele, aaO, § 79 Rz 6; Gloy/Harte-Bavendamm, aaO, § 43 Rz 7, 13; Reimer/von Gamm, aaO, Anm. 4; von Gamm, aaO, § 17 Rz 4; Vogt, Zur Vorlagepflicht von Unterlagen bei der Erteilung wirtschaftlicher Informationen an Wirtschaftsausschuß und Betriebsrat, BB 1978, 1125, 1130, 1131). Im Schrifttum ist jedoch umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen die innerbetriebliche Lohn- oder Gehaltsstruktur zu den Kalkulationsunterlagen zu rechnen und damit als Geschäftsgeheimnis anzusehen ist (ohne nähere Begründung bejahend Galperin/Löwisch, aaO, § 79 Rz 6; Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., § 79 Rz 1; Stege, Die Geheimhaltungspflicht für Arbeitnehmer, Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten, DB 1977, Beilage Nr. 8, S. 2; ebenso ohne Begründung verneinend Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, aaO, § 79 Rz 8; Blanke, Lohn- und Gehaltsdaten - Geheimhaltungspflicht des Betriebsrats, AiB 1982, 6, 7). Nach Auffassung des Senats (Beschluß vom 26. Februar 1987 - 6 ABR 46/84 -) läßt sich die Frage, ob die Lohn- oder Gehaltsstruktur eines Betriebes oder eines Teils eines Betriebes zu den Geschäftsgeheimnissen zu zählen ist, nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des betroffenen Unternehmensbereichs beantworten. Die Voraussetzung eines objektiv berechtigten wirtschaftlichen Interesses zur Anerkennung bestimmter Tatsachen als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis und der Schutzzweck der Bestimmungen des § 79 BetrVG lassen erkennen, daß nicht in jedem Fall Lohn- und Gehaltsdaten, die stets ein Teil der betriebswirtschaftlichen Kalkulation über Umsätze und Gewinnmöglichkeiten sind, als Geschäftsgeheimnisse bezeichnet werden können. Vielmehr muß die Geheimhaltung der Daten gerade dieses Betriebs bzw. eines Teils eines Betriebs oder einer bestimmten Arbeitnehmergruppe für den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs insofern von Vorteil sein, als die Konkurrenz mit deren Kenntnis ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit steigern könnte. Denn mit § 79 BetrVG soll die ungestörte Ausübung des Gewerbes auch gerade aufgrund Dritten nicht zugänglichen Erkenntnissen, Erfahrungen und Unterlagen (vgl. Gloy/Harte-Bavendamm, aaO, § 43 Rz 8) und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebsinhabers (Baumbach/Hefermehl, aaO, § 17 UWG Rz 2) geschützt werden. Sind hingegen die zu den Kalkulationsgrundlagen hinzuzurechnenden Bruttogehaltsdaten für die Reaktion der Konkurrenz auf dem Markt unergiebig, so besteht kein objektiv berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung. Ein dennoch geäußerter Wille des Unternehmers ist für die Begründung einer besonderen Schweigepflicht des Betriebsrats unerheblich.
b) Das Landesarbeitsgericht ist bei der Würdigung des Streitfalls von einem derartigen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisbegriff ausgegangen. Es hat im folgenden die Besonderheiten des Streitfalls gewürdigt. Die Höhe der übertariflichen Zulagen hochqualifizierter und effektiv hochbezahlter Facharbeiter einer Druckerei, die den Anforderungen modernster Fertigungsmethoden genügen müssen, stellen nicht nur einen wesentlichen Faktor bei der Berechnung der Produktionskosten dar, sondern bestimmen unmittelbar die Zusammensetzung des hochqualifizierten Mitarbeiterstabs. Die Kenntnis, welche Aufwendungen ein Druckereibetrieb im übertariflichen Bereich zur Erhaltung oder Verstärkung des Facharbeiterkreises verwendet, erleichtert den Konkurrenten erfolgversprechende Abwerbungen gezielt in den Abteilungen, die im eigenen Betrieb qualitativ und/oder quantitativ unterbesetzt sind. Das gilt auch unter den Umständen, daß durch die veröffentlichten Angaben keine unmittelbare Individualisierung der effektiv geringer entlohnten Mitarbeiter möglich ist. Das Schaubild kann aber Anlaß für Überlegungen sein, wie der Wettbewerbserfolg des anderen geschmälert und der eigene gesteigert werden kann. Die durch die Geheimhaltung der Daten geschützte Wettbewerbsfähigkeit ist also tangiert. Deshalb stellen die Angaben über die Höhe übertariflicher Zulagen in einem Druckereibetrieb Unterlagen dar, die zum Gegenstand eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses erklärt werden können.
5. Hat der Berechtigte nach Ausübung seines Rechts im nachfolgenden seine Pflichten verletzt, wie der Antragsteller im Streitfall, so folgt daraus jedoch nicht gleichsam automatisch ein Hinderungsgrund für die erneute Ausübung des gesetzlich normierten Rechts. Es gibt keinen Grundsatz, wonach nur derjenige Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhält (Palandt/Heinrichs, aaO, § 242 IV C b; MünchKomm-Roth, BGB, 2. Aufl., § 242 Rz 381; BAGE 26, 161, 171 = AP Nr. 3 zu § 9 MuSchG 1968). Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt ausgesprochen, gegenüber zwingenden gesetzlichen Ansprüchen greife der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung bei einem treuwidrigen Verhalten des Berechtigten nur in besonders krassen Fällen durch. Es sei jeweils auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen und eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (BAGE 15, 307; 26, 161; 32, 139, jeweils aaO). Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts genügt den vorgenannten Ansprüchen. Sie berücksichtigt die Aufgabenstellung des Betriebsrats, die die Einsichtnahme in die Entgeltlisten erforderlich macht, und die Tatsache, daß diese nicht mehr erfüllt werden kann, wenn dem Betriebsrat das Einsichtsrecht auch vorübergehend nicht gewährt wird. Sie bewertet zutreffend den Umstand, daß der Betriebsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht gezwungen war, Daten zu veröffentlichen, sondern andere Mittel besitzt, um Verstöße gegen gesetzliche, tarifliche und betriebliche Bestimmungen zu rügen und für die Beseitigung zu sorgen. Das Landesarbeitsgericht hat schließlich zu Recht berücksichtigt, daß der Betriebsrat zwar zu Beginn des Verfahrens einen vertretbaren, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärten Rechtsstandpunkt zur Qualität der Lohnunterlagen als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis eingenommen hat und an diesen bis zum Schluß der Tatsacheninstanzen trotz zwischenzeitlicher Entscheidungen im Betrieb der Muttergesellschaft festgehalten hat mit der Folge, daß er sich weiterhin für berechtigt hielt, die Daten aus den Bruttolohn- und -gehaltslisten in der gleichen Form wie bisher zu veröffentlichen. Angesichts dessen kann die nach Abwägung der Einzelumstände getroffene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht beanstandet werden, dem Betriebsrat im Ergebnis das grundsätzlich bestehende Einsichtsrecht so lange zu verwehren, bis dieser eine die Wiederholung der pflichtverletzenden Veröffentlichungen ausschließende Erklärung, einschließlich über die Weitergabe der Daten an Dritte, abgibt. Daraus folgt zugleich, daß es angesichts des eingeschränkten rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfungsmaßstabes ebenfalls nicht zu beanstanden ist, wenn das Landesarbeitsgericht die gegenteilige Lösung des Beschlußverfahrens verworfen hat, den gesetzlichen Anspruch des Antragstellers ohne Einschränkung zu bestätigen und ihn nur in den Gründen auf die zurückliegende Pflichtverletzung hinzuweisen. Denn bei dieser Verfahrensweise hätte die Antragsgegnerin keine Handhabe, die nächste Pflichtverletzung zu verhindern. Es ist ihr aber nicht zuzumuten, eine weitere Veröffentlichung abzuwarten, um dann gegen den Betriebsrat vorgehen zu können. Es ist vielmehr interessengerecht, die Einsichtnahme vorläufig bis zur Abgabe einer das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis relativ stärker schützenden Erklärung zu verweigern.
6. Da der Antragsgegnerin mit der Ausübung ihres Gegenrechts aus § 242 BGB kein Verstoß gegen das BetrVG vorgeworfen werden kann, kommen Ansprüche des Betriebsrats aus § 23 BetrVG ebensowenig wie eine Festsetzung von Zwangsgeldern nach der ZPO in Betracht.
7. Der Senat hat zur Verdeutlichung der Tatsache, daß dem Antragsteller das Einblicksrecht in die Entgeltlisten der Antragsgegnerin nicht endgültig verwehrt wird, sondern nur ein vorübergehendes Gegenrecht der Antragsgegnerin besteht, den Tenor des Beschwerdegerichts entsprechend ergänzt.
Dr. Röhsler Dörner
zugleich für den in
Urlaub befindlichen
Richter Schneider
Wendlandt Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 440542 |
DB 1988, 2569-2570 (T) |