Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsantrag. Bestimmtheit
Orientierungssatz
1. Ein Unterlassungsantrag im Beschlussverfahren muss aus rechtsstaatlichen Gründen für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennen lassen, welcher betrieblichen Maßnahme er sich enthalten soll und in welchen Fällen gegen ihn als Sanktion ein Ordnungsgeld verhängt werden kann.
2. Ein Unterlassungsantrag, der darauf gerichtet ist, dem Arbeitgeber die “Anwendung” von Vertragsklauseln zu untersagen, nach deren Inhalt die von den Arbeitnehmern geleisteten Mehrarbeitsstunden mit dem vereinbarten Jahresgehalt pauschal abgegolten sind, ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er lässt nicht erkennen, wie sich der Arbeitgeber verhalten muss, wenn Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung erbringen, die entweder über ihre vertraglich vereinbarte oder über die im Betrieb geltende regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Januar 2009 – 5 TaBV 140/08 – wird als unzulässig verworfen.
Auf die Rechtsbeschwerde der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin wird der vorgenannte Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts aufgehoben.
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. April 2008 – 6 BV 1291/07 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
A. Die Beteiligten streiten über die Anwendung von Vertragsklauseln, durch die etwaige Mehrarbeit mit der Vergütung abgegolten werden soll.
Rz. 2
Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit verschiedenen Standorten in Deutschland. Die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin betreibt gleichfalls in mehreren Großstädten im Bundesgebiet Unternehmensberatung. Antragsteller ist der für ihren Gemeinschaftsbetrieb am Standort Frankfurt am Main gewählte Betriebsrat. Vor dessen erstmaliger Wahl im Jahr 2006 war bei der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin für ihren Betrieb in Frankfurt am Main bereits ein örtlicher Betriebsrat errichtet. Für die im Bundesgebiet gelegenen Betriebsstätten der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin war hingegen ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gewählt worden.
Rz. 3
Die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin schloss im Jahr 2004 mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitfragen ab, in der ua. die Einrichtung und Führung eines Gleitzeitkontos geregelt ist. Diese Betriebsvereinbarung ist von ihr vor der Zusammenführung der Einheiten am Standort Frankfurt am Main gekündigt worden.
Rz. 4
Bis zum 16. April 2008 verwandte die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin bei Neueinstellungen am Standort Frankfurt am Main zunächst Arbeitsvertragsformulare mit folgender Klausel:
“§ 4 Vergütung
1. Der Mitarbeiter erhält für seine vertragliche Tätigkeit ein jährliches Gehalt von XT EURO. Das Gehalt wird in zwölf gleichen Raten jeweils am Ende eines Kalendermonats auf ein vom Mitarbeiter angegebenes Konto überwiesen.
2. Mit der genannten Vergütung ist eine etwaige Mehrarbeit abgegolten.”
Rz. 5
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Verwendung der Vertragsklausel betreffe einen Entlohnungsgrundsatz iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und unterliege seiner Zustimmung.
Rz. 6
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin zu untersagen, in ihren Arbeitsverträgen im Gemeinschaftsbetrieb Frankfurt am Main Vertragsklauseln zu verwenden, nach deren Inhalt die von den Arbeitnehmern iSv. § 5 Abs. 1 BetrVG geleisteten Mehrarbeitsstunden mit dem vereinbarten Jahresgehalt pauschal abgegolten sind, ohne dass hierfür jeweils die Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist,
2. der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 1 ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 10.000,00 Euro anzudrohen.
Rz. 7
Die Arbeitgeberinnen haben beantragt, die Anträge abzuweisen.
Rz. 8
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihnen entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde begehren die Arbeitgeberinnen die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
B. Die Rechtsbeschwerde der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin ist unzulässig, während die angefochtene Entscheidung auf die Rechtsbeschwerde der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin aufzuheben ist. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats zu Unrecht entsprochen. Der Antrag zu 1 ist wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig, während der Antrag zu 2 dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen ist.
Rz. 10
I. Die Rechtsbeschwerde der von den Vorinstanzen zu 2) beteiligten Arbeitgeberin ist mangels einer sie betreffenden Beschwer unzulässig. Deren betriebsverfassungsrechtliche Arbeitgeberstellung wird durch die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung nicht berührt.
Rz. 11
1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und er mit seinem Rechtsmittel gerade die Beseitigung dieser Beschwer begehrt. Ein Beteiligter ist beschwert, wenn er durch die angegriffene Entscheidung nach ihrem materiellen Inhalt in seiner Rechtsstellung, die seine Beteiligungsbefugnis begründet, unmittelbar betroffen wird (BAG 8. Dezember 2009 – 1 ABR 66/08 – Rn. 11 mwN, AP BGB § 613a Nr. 380 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20). Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im Einzelfall am Verfahren beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist (BAG 26. Oktober 2004 – 1 ABR 31/03 (A) – zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 227). Dies ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen.
Rz. 12
2. Danach fehlt der von den Vorinstanzen zu 2) beteiligten Arbeitgeberin die Rechtsbeschwerdebefugnis. Sie ist nicht iSd. § 83 Abs. 3 BetrVG am Verfahren beteiligt, da sie durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung als (Mit-)Inhaberin der betrieblichen Leitungsmacht des Gemeinschaftsbetriebs betroffen sein kann. Die Unterlassungsverpflichtung im Antrag zu 1 richtet sich ebenso wie die Androhung des Ordnungsgeldes im Antrag zu 2 nur gegen die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin. Die Handhabung der in der Vergangenheit verwandten Vertragsklausel über die pauschalierte Abgeltung von Mehrarbeit betrifft nur diese in ihrer Stellung als Vertragsarbeitgeberin der bis zum 16. April 2008 neu eingestellten Arbeitnehmer. Die vom Betriebsrat angestrebte Entscheidung hat weder Auswirkungen auf Entlohnungsgrundsätze, die zwischen der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin und ihren Arbeitnehmern gelten, noch ist diese an Maßnahmen der Betriebsführung im Gemeinschaftsbetrieb gehindert.
Rz. 13
II. Die Rechtsbeschwerde der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin ist begründet. Allerdings ist der Antrag zu 1 bereits unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Rz. 14
1. Nach dem auch im Beschlussverfahren anzuwendenden § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss eine Klageschrift ua. einen “bestimmten Antrag” enthalten. Ein Antrag im Beschlussverfahren unterliegt insoweit denselben Anforderungen wie im Urteilsverfahren. Dementsprechend muss der Verfahrensgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG 18. August 2009 – 1 ABR 43/08 – Rn. 9, AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 16 = EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 4). Unterlassungsanträge müssen aus rechtsstaatlichen Gründen für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennen lassen, welcher Handlungen er sich enthalten soll und in welchen Fällen gegen ihn als Sanktion ein Ordnungsgeld verhängt werden kann (BAG 11. Dezember 2007 – 1 ABR 73/06 – Rn. 12, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 45 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 7). Nur wenn die danach gebotenen Verhaltensweisen hinreichend erkennbar sind, kann eine der materiellen Rechtskraft zugängliche Sachentscheidung ergehen. Eine Entscheidung, die eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht ausspricht, muss grundsätzlich zur Zwangsvollstreckung geeignet sein. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dem entsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Genügt ein Antrag – ggf. nach einer vom Gericht vorzunehmenden Auslegung – diesen Anforderungen nicht, ist er als unzulässig abzuweisen (BAG 9. Dezember 2008 – 1 ABR 75/07 – Rn. 22, BAGE 128, 358).
Rz. 15
2. Danach ist der Antrag zu 1 nicht hinreichend bestimmt.
Rz. 16
a) Nach seinem Wortlaut soll es die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin unterlassen, Vertragsklauseln zu verwenden, nach deren Inhalt die von den Arbeitnehmern geleisteten Mehrarbeitsstunden mit dem vereinbarten Jahresgehalt pauschal abgegolten sind. Die Arbeitgeberin hat im erstinstanzlichen Verfahren erklärt, sie werde in den ab dem 17. April 2008 abgeschlossenen Arbeitsverträgen auf eine Klausel über die pauschale Abgeltung der Mehrarbeit verzichten. Der Betriebsrat hat zum Antragsverständnis in der Anhörung vor dem Arbeitsgericht angegeben, dass er mit seinem Antrag der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin auch die “Anwendung” der in § 4 Nr. 2 des Musterarbeitsvertrags enthaltenen Vertragsklausel bei den in Frankfurt am Main bis zum 16. April 2008 begründeten Arbeitsverhältnissen untersagen lassen möchte. Dieses vom Arbeitsgericht angenommene Antragsverständnis hat der Betriebsrat in seinem Schriftsatz vom 12. Januar 2009 ausdrücklich bestätigt und das Beschwerdegericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
Rz. 17
b) Danach steht der Gegenstand des mit dem Antrag zu 1 verfolgten Unterlassungsbegehrens nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit fest. Das im Antrag enthaltene Verbot, eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Vertragsklausel “anzuwenden”, beschreibt die konkrete betriebliche Maßnahme, der sich die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats oder einer diese ersetzenden Entscheidung der Einigungsstelle zukünftig zu enthalten hat, nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit. Der Betriebsrat hat weder im Verfahren noch in der Anhörung vor dem Senat die Befugnis der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin zur Anordnung und zur Entgegennahme von Mehrarbeit in Frage gestellt. Es wird aber weder aus dem Antrag noch aus der zu seiner Auslegung heranzuziehenden Begründung ersichtlich, wie sich die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin verhalten soll, wenn Arbeitnehmer, mit denen sie die beanstandete Abgeltungsklausel vereinbart hat, Arbeitsleistungen erbringen, die entweder über ihre vertragliche oder über die im Gemeinschaftsbetrieb geltende regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen. So ist schon fraglich, ob die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin gegen einen Unterlassungsausspruch zuwider handeln würde, wenn sie die geleistete Mehrarbeit lediglich entgegennimmt und im Übrigen untätig bleibt. Der Betriebsrat hat auch im gesamten Verfahrensverlauf nicht angegeben, ob ein mitbestimmungsgerechtes Verhalten der Arbeitgeberin voraussetzt, dass diese geleistete Mehrarbeit in einem bestimmten Zeitraum durch Freizeit ausgleicht oder dafür einen Ausgleich in Geld leistet. Das mit dem Unterlassungsantrag verfolgte Verfahrensziel hat der Betriebsrat auch in der Anhörung vor dem Senat nicht klarstellen können. Nach seinen Angaben soll die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin die bis zum 16. April 2008 eingestellten Arbeitnehmer vertragsgemäß vergüten und ihre über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitszeit durch Freizeit ausgleichen. Der Betriebsrat hat aber auf Nachfrage des Senats eingeräumt, dass er für diese Arbeitnehmer keine Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitfragen abgeschlossen hat, in der die betriebsübliche Arbeitszeit geregelt und ein Ausgleichszeitraum bestimmt ist. Damit steht schon nicht eindeutig fest, wie die auszugleichende Arbeitszeit zu berechnen und bis zu welchem Zeitpunkt von der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin durch Freizeit auszugleichen ist. Dies gilt gleichermaßen für die Frage, zu welcher konkreten betrieblichen Maßnahme diese ggf. die Zustimmung des Betriebsrats einholen muss.
Rz. 18
III. Der Antrag zu 2 fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist ersichtlich nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 gestellt.
Unterschriften
Schmidt, Linck, Koch, Wisskirchen, Platow
Fundstellen
Haufe-Index 2582908 |
DB 2011, 184 |
FA 2011, 157 |
JR 2012, 135 |
NZA 2011, 364 |
AP 2011 |
EzA-SD 2011, 16 |
EzA 2011 |
ArbR 2011, 47 |