Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Beschwerdewert. wiederkehrende Leistungen
Orientierungssatz
Klagt ein Versorgungsempfänger auf den Gesamtbetrag der monatlichen Betriebsrente und beschränkt seine Klage nicht auf den zwischen den Parteien streitigen Teilbetrag (sog. Spitzenbetragsklage), ist für die Berechnung des Beschwerdewerts die Höhe der gesamten künftig begehrten monatlichen Betriebsrente maßgeblich (Rn. 9).
Normenkette
ArbGG § 64 Abs. 2 Buchst. b; ZPO § 9 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. Januar 2018 – 5 Sa 150/16 – aufgehoben.
Tatbestand
I. Die Parteien haben zunächst erstinstanzlich darüber gestritten, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers iHv. 1.140,40 Euro brutto monatlich ab dem 1. Januar 2013 anzupassen und ihm mindestens eine Betriebsrente iHv. insgesamt 1.151,80 Euro brutto monatlich zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 41.464,80 Euro festgesetzt.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil ohne Einschränkung Berufung eingelegt und diese gesondert begründet. Mit der Berufungsbegründung hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ab dem 1. Januar 2013 seine Betriebsrente um monatlich 10,00 Euro zu erhöhen und ab diesem Zeitpunkt monatlich an ihn 1.151,80 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Zudem hat er im Wege der Klageerweiterung begehrt, die Beklagte zu verpflichten, die handelsrechtlichen Abschlüsse für die Jahre 2013 und 2014 sowie den vorläufigen Abschluss für das Jahr 2015 vorzulegen.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe den Beschwerdewert von 600,00 Euro nicht erreicht, weil er seine Berufung auf den Anpassungsbetrag iHv. 10,00 Euro monatlich beschränkt habe, und die Berufung durch Beschluss verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige (§ 77 Satz 1 und Satz 4 ArbGG iVm. § 575 ZPO) Revisionsbeschwerde hat Erfolg. Der Kläger kann gegen das arbeitsgerichtliche Urteil nach § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG Berufung einlegen.
1. Das ArbGG enthält keine Regelungen über die Ermittlung des Beschwerdewerts, nach dem sich bestimmt, ob die Berufung statthaft ist. Damit gelten die Vorschriften der ZPO über die Berufung entsprechend (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG). Der Beschwerdewert bestimmt sich nach den §§ 3 bis 9 ZPO (vgl. BAG 4. Juni 2008 – 3 AZB 37/08 – Rn. 8).
2. Der Beschwerdewert beträgt vorliegend 48.375,60 Euro. Damit übersteigt er den Wert des Beschwerdegegenstands nach § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG iHv. 600,00 Euro.
a) Für die Berechnung des Beschwerdewerts sind die Klageanträge des Klägers in der Berufungsinstanz maßgeblich. Dies gilt jedoch nur insoweit, als der Berufungskläger im Umfang des Berufungsantrags durch das arbeitsgerichtliche Urteil beschwert ist (vgl. hierzu ausführlich BAG 4. Juni 2008 – 3 AZB 37/08 – Rn. 11 mwN). Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zutreffend angenommen, dass die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung bei der Festlegung des Beschwerdewerts nicht berücksichtigt werden kann.
b) Für die Ermittlung des Beschwerdewerts ist der Gesamtbetrag der begehrten künftigen monatlichen Betriebsrente iHv. 1.151,80 Euro, die Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, zugrunde zu legen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger seine Berufung nicht auf die streitige Rentendifferenz von 10,00 Euro monatlich beschränkt.
aa) Zwar kann ein Versorgungsempfänger lediglich den streitigen Differenzbetrag zwischen der vom Arbeitgeber gezahlten und der von ihm begehrten monatlichen Betriebsrente einklagen und hinsichtlich des unstreitigen Betrags voraussetzen, dass dieser nicht nur derzeit, sondern auch künftig freiwillig bezahlt wird. Ein solches prozessuales Vorgehen hat wegen der damit verbundenen Kostenersparnis auch Vorteile. Allerdings umfasst die Rechtskraft des Urteils bei der Geltendmachung von Teilansprüchen nur diesen Teil, nicht den freiwillig gezahlten Sockelbetrag (vgl. BAG 8. März 2017 – 3 AZN 886/16 (A) – Rn. 7 mwN). Bis zur Höhe des streitigen Differenzbetrags ist der Anspruch nicht Streitgegenstand des Verfahrens, sondern lediglich ein für die zu treffende Entscheidung vorgreifliches Rechtsverhältnis (vgl. BGH 30. Januar 1985 – IVb ZR 67/83 – zu I 1 a der Gründe mwN, BGHZ 93, 330). Deshalb hat die Partei regelmäßig ein Interesse daran, eine gerichtliche Entscheidung über den vollen Betrag der wiederkehrenden Leistungen zu erstreiten (vgl. BAG 8. März 2017 – 3 AZN 886/16 (A) – Rn. 7; 14. Februar 2012 – 3 AZB 59/11 – Rn. 10, BAGE 140, 362). Dieser Betrag ist, soweit er Gegenstand des Klageverfahrens ist, auch für die Ermittlung der Beschwer maßgeblich. Soweit sich aus dem Beschluss des Senats vom 4. Juni 2008 (– 3 AZB 37/08 –) etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten.
bb) Danach lässt der Berufungsantrag unter Heranziehung der Berufungsbegründung und unter Berücksichtigung der richtig verstandenen Interessenlage des Klägers nicht den Schluss zu, dass dieser seine Berufung auf den streitigen Spitzenbetrag iHv. 10,00 Euro monatlich beschränken wollte (zu den Auslegungsgrundsätzen von Klageanträgen vgl. BAG 27. Juni 2017 – 9 AZR 120/16 – Rn. 11 mwN). Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut. Dieser bezeichnet ausdrücklich die beanspruchte monatliche Gesamtrente von 1.151,80 Euro. Bei einer beabsichtigten Beschränkung des Streitgegenstands in der Berufung hätte es nahegelegen, neben dem streitigen Anpassungsbetrag nur den unstreitigen Sockelbetrag zu benennen und etwa durch eine entsprechende Formulierung wie „über die gezahlte Betriebsrente iHv. 1.140,40 Euro brutto monatlich hinaus weitere 10,00 Euro brutto monatlich zu zahlen” zu verdeutlichen, dass nur der Anpassungsbetrag streitgegenständlich sein soll. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Berufungsbegründung. Vielmehr weist der Kläger auf Seite 3 der Begründung ausdrücklich darauf hin, dass er bei seinem ursprünglichen Antrag bleiben wolle. Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem wohlverstandenen Interesse des Klägers an einer rechtskräftigen Entscheidung über den gesamten Betrag seiner Betriebsrente.
cc) Der Beschwerdewert errechnet sich nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Rentenbezugs (§ 9 Satz 1 ZPO). Er beträgt danach 48.375,60 Euro (42 × 1.151,80 Euro).
III. Mit der Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses wird das Verfahren wieder in der Berufungsinstanz anhängig. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
Unterschriften
Zwanziger, Ahrendt, Wemheuer
Fundstellen
Haufe-Index 11770915 |
BB 2018, 1523 |