Entscheidungsstichwort (Thema)

Umschulungsverhältnis. Rechtsweg

 

Leitsatz (redaktionell)

Für Streitigkeiten aus einem Umschulungsverhältnis als Teil der Berufsbildung ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 S. 1; BBiG § 1 Abs. 4-5

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 31.07.2003; Aktenzeichen 5 Ta 206/03)

 

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 31. Juli 2003 – 5 Ta 206/03 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 920,64 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Umschulungsvertrags und im vorliegenden Verfahren über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

Die Parteien schlossen am 17. Oktober 2002 einen Vertrag mit dem Ziel der Umschulung des Klägers zum Zerspanungsmechaniker, Fachrichtung Drehtechnik/Frästechnik. Danach verpflichtete sich der Kläger, vom 7. Oktober 2002 bis zum 16. Juli 2004 an dem von der Beklagten durchgeführten Umschulungslehrgang mit der Gesamtstundenzahl 2.984 teilzunehmen. In § 11 des Vertrags heißt es ua.:

„Lehrgangsort: Gewerbeförderungsanstalt der Handwerkskammer Aachen, Sandkaulbach 17-21, 52062 Aachen sowie weitere Berufsbildungsstätten der Handwerkskammer Aachen

Der Unterricht erfolgt gemäß dem zugrunde gelegten Lehrplan. Es gilt die Lehrgangs- bzw. Hausordnung der Berufsbildungsstätte.

Die Ausbilder stellen die Anwesenheit der Teilnehmer/-innen fest. Die Anwesenheitslisten werden auf Anforderung dem Arbeitsamt oder anderen Kostenträgern zur Verfügung gestellt. Außerdem führen sie das Lehrgangsbuch, in das täglich Lehrberichte einzutragen sind. Die Lehrberichte sollten vom Lehrgangssprecher gegengezeichnet werden.

Die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme kann nur mit einer Frist von mindestens 2 Monaten zum Monatsende gekündigt werden.

Der Veranstalter kann der Teilnehmerin/dem Teilnehmer mit den vorgenannten Fristen kündigen, wenn von dieser/diesem keine ausreichenden Leistungen (Nachweis durch Zwischenprüfungen, Klausuren, Tests, Arbeitserprobungen, u.ä.) erbracht werden. Vorher ist eine schriftliche Aufforderung (Abmahnung) zu erteilen und eine angemessene Frist zu setzen, die Leistungen zu verbessern.

Der Veranstalter kann der Teilnehmerin/dem Teilnehmer mit den vorgenannten Fristen kündigen, wenn Fehlzeiten einen erfolgreichen Abschluss des Lehrganges nicht erwarten lassen.

Bei wiederholt unentschuldigten Fehlzeiten oder wiederholtem Verstoß gegen die Hausordnung sowie die nicht fristgerechte Zahlung der Lehrgangsgebühren kann eine fristlose Kündigung erfolgen.

Das Recht des Veranstalters und des Teilnehmers/der Teilnehmerin, aus wichtigen Gründen die Vereinbarungen zu kündigen, bleibt unberührt.”

Die Lehrgangsgebühren, die auch die Kosten für Lernmittel und Arbeitskleidung umfassen, wurden vom Arbeitsamt übernommen.

Mit Schreiben vom 1. April 2003 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis fristlos. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger könne auf Grund seiner hohen unentschuldigten Fehlzeiten das Lehrgangsziel nicht erreichen; außerdem sei er mehrmals zu spät gekommen, er habe den Unterricht gestört und den Dozenten beschimpft.

Mit seiner am 17. April 2003 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Umschulungsvertrag durch die Kündigung der Beklagten vom 1. April 2003 nicht aufgelöst worden sei, sondern bis zum vorgesehenen Vertragsende fortbestehe.

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt.

Das Arbeitsgericht hat sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Aachen verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht diesen Beschluss aufgehoben und den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte weiterhin die Unzulässigerklärung des Rechtswegs.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Gerichte für Arbeitssachen sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG zuständig. Der Kläger war bei der Beklagten zu seiner Berufsausbildung beschäftigt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Das folgt aus der Senatsrechtsprechung zur Zulässigkeit des Rechtswegs bei Umschulungsverhältnissen (BAG 24. September 2002 – 5 AZB 12/02 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 56 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 37, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 24. Februar 1999 – 5 AZB 10/98 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 45 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 32; 21. Mai 1997 – 5 AZB 30/96 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 32 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 22).

1. „Berufsausbildung” iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind danach alle Bereiche der Berufsbildung nach § 1 Abs. 1 BBiG. Auch für Streitigkeiten aus einem Umschulungsverhältnis kann der Rechtsweg nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eröffnet sein. Der Kläger sollte zum Beruf des Zerspanungsmechanikers umgeschult werden. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 und 5 BBiG liegen damit vor. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte die Umschulung in einer berufsbildenden Schule oder einer sonstigen Berufsbildungseinrichtung durchführte. Der Einwand der Beklagten, sie bilde ausschließlich „schulisch” aus, ist unerheblich (vgl. BAG 24. Februar 1999 – 5 AZB 10/98 – aaO, zu II 4 c ff der Gründe).

2. Der Kläger wurde auch zu seiner Berufsausbildung „beschäftigt”.

a) Eine Beschäftigung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Betreffende auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen Arbeit leistet. Das kommt auch außerhalb der betrieblichen Berufsbildung iSv. § 1 Abs. 5 BBiG in Betracht. „Beschäftigung” liegt regelmäßig dann vor, wenn der Umschüler dem Weisungsrecht des Ausbildenden hinsichtlich des Inhalts, der Zeit und des Ortes der Tätigkeit unterworfen ist.

b) Diese Voraussetzungen liegen vor, wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat.

Nach dem privatrechtlichen Umschulungsvertrag traf den Kläger nicht lediglich die Pflicht zur Zahlung der Lehrgangsgebühren. Er war zur pünktlichen Teilnahme verpflichtet und musste sich in diesem Rahmen der Leitungsmacht der Beklagten unterwerfen. Die Beklagte bestimmte im Einzelnen den Gegenstand und die Methode der Umschulung. Der Kläger hatte Leistungen zu erbringen, die durch Zwischenprüfungen, Klausuren, Tests, Arbeitserprobungen oder ähnliche Maßnahmen nach Weisung der Beklagten nachzuweisen waren. Die Beklagte überprüfte den kontinuierlichen Lernerfolg des Klägers und war berechtigt, Weisungen zum Zwecke der Verbesserung der Leistungen zu erteilen. Notfalls konnte sie auch Abmahnungen aussprechen und kündigen. All das ergibt sich aus dem Vertrag der Parteien vom 17. Oktober 2002.

Die Tätigkeit des Umschülers muss keinen eigenen wirtschaftlichen Wert für den Ausbildenden besitzen. Das wirtschaftliche Interesse des Ausbilders ist lediglich typischerweise vorhanden. Die im Rahmen der Berufsbildung Beschäftigten können aber auch unabhängig von einer wirtschaftlichen Bedeutung der Dienste für den Vertragspartner tätig werden (BAG 24. September 2002 – 5 AZB 12/02 – aaO, zu IV der Gründe).

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsbeschwerde zu tragen.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 GKG. Der Streitwert im Bestimmungsverfahren beträgt ein Drittel des Hauptsachestreitwerts.

 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Linck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1480145

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge