Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung im Urteil. Bindungswirkung. Streitwert einer Abmahnung
Orientierungssatz
1. Der vom Arbeitsgericht nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzte Streitwert ist vom Landesarbeitsgericht bei der Prüfung zugrunde zu legen, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 Euro übersteigt (§ 64 Abs. 2 Buchst. b) ArbGG) und deshalb die Berufung statthaft ist. Diese Bindung an den vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert entfällt nur dann, wenn die Streitwertfestsetzung offensichtlich unrichtig ist.
2. Offensichtlich unrichtig ist die Streitwertfestsetzung nur dann, wenn sie in jeder Beziehung unverständlich und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist und außerdem der zutreffende Streitwert auf den ersten Blick die für den Beschwerdewert maßgebliche Grenze unterschreitet oder übersteigt.
3. Die im Wesentlichen allein vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vertretene Auffassung, bei Streitigkeiten über Abmahnungen sei der Wert nicht in Anknüpfung an § 42 Abs. 4 GKG regelmäßig mit einem Monatsverdienst anzusetzen, sondern gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der im Einzelfall geltend gemachten wirtschaftlichen oder persönlichen Ziele zu bemessen, ist nicht offensichtlich unrichtig. Sie weist vielmehr einen gut nachvollziehbaren Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorgaben auf.
4. Keine Rechtsauffassung ist allein deshalb offensichtlich unrichtig, weil sie offensichtlich nicht herrschend ist.
Normenkette
ArbGG § 61 Abs. 1; ZPO § 3
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 12.10.2006; Aktenzeichen 21 Sa 59/06) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 19.04.2006; Aktenzeichen 14 Ca 12713/05) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Oktober 2006 – 21 Sa 59/06 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Der Kläger hat Rücknahme einer Abmahnung und ihre Entfernung aus der Personalakte verlangt. Er ist bei der Beklagten als Mechaniker beschäftigt. Die monatliche Bruttovergütung betrug im maßgeblichen Zeitraum 3.005,27 Euro. Die Abmahnung war erfolgt, weil der Kläger sich geweigert hatte, einen Beurteilungsbogen zu unterschreiben. Diesen Bogen hatte die Beklagte im Rahmen einer nach dem anwendbaren Tarifvertrag vorgesehenen und in einer Betriebsvereinbarung näher ausgestalteten Leistungsbeurteilung erstellt. Die Betriebsvereinbarung enthält die Verpflichtung des beurteilten Arbeitnehmers, den Beurteilungsbogen “als Zeichen seines Einverständnisses oder – bei Ablehnung – seiner Kenntnisnahme abzuzeichnen”. Für den Fall der Ablehnung sieht die Betriebsvereinbarung das Recht des Arbeitnehmers vor, die Beurteilungskommission anzurufen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 200,00 Euro festgesetzt. Die Wertfestsetzung hat es damit begründet, anhand der ständigen Streitwertrechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg sei das im Einzelfall anhand aller wertbildenden Umstände maßgebende wirtschaftliche Interesse der Klagepartei am Klageantrag zu bestimmen; das “In-Ansatz-Bringen” von Pauschalen werde als nicht gesetzeskonform abgelehnt. Da kein weiterer Sachvortrag erfolgt und auch sonst nicht ersichtlich sei, dass die Abmahnung die Rechtsstellung oder das berufliche Fortkommen des Klägers nennenswert beeinträchtige – die Leistungszulage sei lediglich vom Beurteilungsinhalt abhängig und auch kündigungsrechtlich sei der gerügte Vertragsverstoß durch die Abmahnung “konsumiert” –, sei die Bewertung des Begehrens mit 200,00 Euro sachgerecht und angemessen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil der Beschwerdewert nicht erreicht sei. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionsbeschwerde begehrt der Kläger Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, grundsätzlich sei das Berufungsgericht im arbeitsgerichtlichen Verfahren an die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts gebunden. Das gelte nur dann nicht, wenn die Wertfestsetzung offensichtlich unrichtig oder der Beschwerdewert des § 64 Abs. 2 ArbGG nach anderen Kriterien als der festgesetzte Streitwert zu ermitteln sei. Offensichtlich unrichtig sei die Streitwertfestsetzung nur dann, wenn sie in jeder Beziehung unverständlich und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen sei und außerdem der zutreffende Streitwert auf den ersten Blick die für den Beschwerdewert maßgebliche Grenze unterschreite oder übersteige. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Gegen eine offensichtliche Unrichtigkeit spreche bereits, dass sich das Arbeitsgericht an der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts orientiert und die für Wertfestsetzungen zuständige Kammer des Landesarbeitsgerichts die Festsetzung des Gebührenwertes durch das Arbeitsgericht auf 200,00 Euro gebilligt habe. Eine unmittelbare Äußerung des Klägers zu dem von ihm verfolgten wirtschaftlichen Interesse fehle. Der Kläger habe sich lediglich auf die nicht notwendigerweise richtige Verfahrensweise anderer Gerichte bezogen. Auszugehen sei vom Klagebegehren. Gegenstand des Klagebegehrens sei trotz zweier Anträge bei rechtem Verständnis nur die tatsächliche Herausnahme des Abmahnungsschreibens aus der Personalakte. Nicht zum Streitgegenstand gehöre der Grund dieses Begehrens. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Abmahnung sei nicht zu einem selbständigen Gegenstand der Klage gemacht worden. Bestandsrechtlich seien die fraglichen Vorgänge durch die Abmahnung konsumiert. Eine berufliche Alternative, die durch die Abmahnung verbaut würde, sei nicht zu erkennen. Die in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe seien nicht ehrenrührig. Das Gewicht der Vorwürfe sei gering. Selbst bei einer Wiederholung seien weitere Sanktionen der Beklagten nicht wahrscheinlich, zumal der Kläger bald tariflichen Alterskündigungsschutz genießen werde. Das Arbeitsverhältnis sei jedenfalls nicht gefährdet, wenn der Kläger bei der nächsten Beurteilung den Bogen unterzeichne. Die dahinter stehende Rechtsfrage könne auch anderweitig geklärt werden.
2. Dem folgt der Senat im Begründungsansatz und im Ergebnis. Die vom Arbeitsgericht nach § 61 Abs. 1 ArbGG vorgenommene Wertfestsetzung war für das Landesarbeitsgericht bindend. Sie war nicht offensichtlich unrichtig.
a) Der vom Arbeitsgericht nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzte Streitwert ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom Landesarbeitsgericht zugrunde zu legen, wenn es ermittelt, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 Euro übersteigt und deshalb die Berufung statthaft ist. Diese Bindung an den vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert entfällt nur dann, wenn die Streitwertfestsetzung offensichtlich unrichtig ist (BAG 2. März 1983 – 5 AZR 594/82 – BAGE 44, 13; 11. Juni 1986 – 5 AZR 512/83 – AP ArbGG 1979 § 61 Nr. 3 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 17). Daran ist festzuhalten (vgl. auch BAG 24. August 1983 – 7 AZR 558/81 –; 13. Februar 1984 – 7 AZB 22/83 –; 22. Mai 1984 – 2 AZB 25/82 – AP ArbGG 1979 § 12 Nr. 7 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 14; 13. Januar 1988 – 5 AZR 410/87 – BAGE 57, 186; Hauck/Helml-Helml ArbGG 3. Aufl. § 61 Rn. 3; ErfK/Koch 7. Aufl. § 64 ArbGG Rn. 13; Henssler/Willemsen/Kalb-Ziemann Arbeitsrecht Kommentar 2. Aufl. § 61 ArbGG Rn. 10; aA: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge-Germelmann ArbGG 5. Aufl. § 61 Rn. 13; Bader/Creutzfeld/Friedrich-Creutzfeld ArbGG 4. Aufl. § 61 Rn. 20).
aa) Da die Streitwertfestsetzung nach § 61 Abs. 1 ArbGG Urteilsbestandteil ist, muss sie an den Wirkungen des § 318 ZPO teilhaben, also bindend sein. Die Festsetzung des Streitwertes durch das Arbeitsgericht dient der Rechtsmittelklarheit hinsichtlich der Berufung. Da der Beschwerdewert nie höher liegen kann als der Streitwert zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht, begrenzt der festgesetzte Streitwert die Höhe der Beschwer. Aus Streitwert, Urteil und Anträgen kann die Höhe der Beschwer ermittelt werden. In allen Rechtsstreitigkeiten, in denen eine Partei in vollem Umfang unterliegt, ergibt sich ihre Beschwer unmittelbar aus dem Streitwert. Ist der Streitwert verbindlich, so ist mit der Verkündung der Entscheidung absolut oder jedenfalls weitgehend (bei teilweisem Unterliegen oder nur eingeschränkt beabsichtigter Berufung) erkennbar, ob die Berufung statthaft ist. Bei fehlender Bindung an die Streitwertfestsetzung bliebe die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils stets ungewiss, bis das Berufungsgericht über den Beschwerdewert erkannt hat. Die unterlegene Partei könnte auch bei einem unter dem maßgeblichen Wert festgesetzten Streitwert versuchen, die Statthaftigkeit der Berufung zu erreichen, indem sie geltend macht, der Streit- und Beschwerdewert liege höher. Für beide Parteien würden sich danach Unwägbarkeiten ergeben, die sich mit dem im arbeitsgerichtlichen Verfahren in besonderem Maße gebotenen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit nicht vereinbaren lassen (BAG 13. Januar 1988 – 5 AZR 410/87 – BAGE 57, 186). Diese Gesichtspunkte der Prozesspraxis werden von der Gegenauffassung (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge-Germelmann ArbGG 5. Aufl. § 61 Rn. 13; Bader/Creutzfeld/Friedrich-Creutzfeld ArbGG 4. Aufl. § 61 Rn. 20), die dem nach § 61 ArbGG festgesetzten Streitwert nur eine “indizielle” oder “gewisse” Bedeutung beimessen will, nicht ausreichend gewichtet.
bb) Von der grundsätzlichen Bindung an die Wertfestsetzung im erstinstanzlichen Urteil kann nur dann eine Ausnahme gelten, wenn die Wertfestsetzung offensichtlich unrichtig ist. Offensichtlich unrichtig ist die Streitwertfestsetzung, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgehalten hat, nur dann, wenn sie in jeder Beziehung unverständlich und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist und außerdem der zutreffende Streitwert auf den ersten Blick die für den Beschwerdewert maßgebliche Grenze unterschreitet oder übersteigt. Dabei kommt es auf die Sicht des über die Statthaftigkeit des Rechtsmittels entscheidenden Berufungsgerichts an (BAG 13. Februar 1984 – 7 AZB 22/83 –).
b) An diese Vorgaben hat sich das Landesarbeitsgericht gehalten. Seine Würdigung, die Wertfestsetzung durch das Arbeitsgericht sei nicht offensichtlich unrichtig, ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es hat die Berufung zu Recht als unstatthaft angesehen und deshalb als unzulässig verworfen.
aa) Das Arbeitsgericht hat den Streitwert im Urteil auf 200,00 Euro festgesetzt.
bb) Diese Wertfestsetzung war nicht offensichtlich unrichtig.
(1) Es trifft zu, dass die bei weitem überwiegende Mehrzahl der Landesarbeitsgerichte bei Streitigkeiten um die Rücknahme von Abmahnungen und ihre Entfernung aus der Personalakte den Wert auf den Betrag eines Monatseinkommens festsetzt (LAG Köln 11. September 2003 – 3 Ta 228/03 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 56; Hessisches LAG 1. März 1988 – 6 Ta 60/88 – LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 72; 24. Mai 2000 – 15 Ta 16/00 – NZA-RR 2000, 438; LAG Hamburg 12. August 1991 – 1 Ta 6/91 – LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 94; LAG Schleswig-Holstein 7. Juni 1995 – 1 Ta 63/95 – LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 103; LAG Nürnberg 11. November 1992 – 6 Ta 153/92 – NZA 1993, 430). Begründet wird dies in der Regel damit, dass man die Abmahnung gewissermaßen als “Vorstufe” zur Kündigung ansieht und sich deshalb an § 42 Abs. 4 GKG (früher § 12 Abs. 7 ArbGG) orientiert.
(2) Die davon abweichende Auffassung, die das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg seit vielen Jahren in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. zuletzt: LAG Baden-Württemberg 7. September 2006 – 3 Ta 159/06 –; 6. September 2006 – 3 Ta 155/06 –; 11. Juni 2004 – 3 Ta 95/04 –) ist zwar weitgehend ohne Vorbild entstanden und ebenso weitgehend auch ohne Gefolgschaft geblieben. Es kann aber nicht gesagt werden, sie sei in jeder Beziehung unverständlich und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen. Keine Rechtsauffassung ist allein deshalb offensichtlich unrichtig, weil sie offensichtlich nicht herrschend ist. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg weist einen gut nachvollziehbaren Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorgaben auf und es sprechen maßgebliche, sowohl rechtsdogmatische als auch prozesspraktische Überlegungen zumindest für ihre Vertretbarkeit. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg sieht, anders als die herrschende Auffassung, keine Rechtfertigung für eine Anknüpfung an § 42 Abs. 4 GKG und erst recht nicht für eine pauschalisierende Bewertung in dem Sinne, dass regelmäßig ein bestimmter Betrag – ein Monatseinkommen – angemessen wäre. Diese Auffassung ist umso eher begründbar, als sie dem Gesetzeswortlaut näher kommt als die herrschende Auffassung. Im Gesetz findet sich nämlich – anders als für Bestandsstreitigkeiten – gerade keine feste Bemessungsgröße für den Streitwert bei Abmahnungsprozessen. Wenn das Landesarbeitsgericht weiter ausführt, gesetzlicher Ausgangspunkt sei § 3 ZPO, der dem festsetzenden Gericht ein freies Ermessen einräume, so ist dies unzweifelhaft zutreffend. Auch widerspricht es dem Gesetzessinn nicht, wenn das Landesarbeitsgericht den Gebrauch des Ermessens dadurch näher konkretisiert sehen will, dass es eine Einzelbewertung verlangt, bei der von den Angaben der klagenden Partei auszugehen ist, die die wirtschaftliche Bedeutung ihres Interesses näher zu begründen habe (vgl. auch BGH 26. März 1997 – III ZR 296/96 – NJW-RR 1997, 884; KG Berlin 6. April 1999 – 5 W 12/99 – NJW-RR 2000, 285 f.). Wenn es insoweit, was das Bestandsschutzinteresse betrifft, annimmt, jedenfalls der abgemahnte Vorgang sei als Kündigungsgrund konsumiert, ist auch dies richtig. Tatsächlich erscheint darüber hinaus auch die Auffassung vertretbar, die regelmäßige und gewissermaßen automatische Anknüpfung an § 42 Abs. 4 GKG und die regelmäßige Bewertung des Abmahnungsstreits mit einem Monatsgehalt sei aus weiteren Gründen nicht immer ohne weiteres plausibel. Dies vor allem deshalb, weil die spätere kündigungsrechtliche Bedeutung der Abmahnung keineswegs sicher ist, sondern aus Sicht des Abmahnungszeitpunkts oft lediglich eine Möglichkeit darstellt, deren Realisierung gelegentlich in erster Linie eine Folge der durch die Eigendynamik des Abmahnungsprozesses eintretenden Entfremdung der Vertragsparteien zu sein scheint. Zum anderen ist es auch im dann etwa doch der Abmahnung folgenden Kündigungsschutzrechtsstreit dem Arbeitnehmer unbenommen, die fehlende Rechtfertigung einer vorangegangenen, nicht gerichtlich angegriffenen Abmahnung inzident geltend zu machen, wobei den Arbeitgeber auch in diesem Fall die nach Verlauf längerer Zeit nicht immer leicht zu erfüllende Darlegungs- und Beweislast trifft. Dies hat teilweise zu der Einschätzung geführt, der isolierte Abmahnungsprozess sei häufig der Sache nach eine Form des Beweissicherungsverfahrens zu Gunsten des Arbeitgebers.
(3) Ist damit der von den Vorinstanzen gewählte rechtliche Ansatz für die Bewertung der hier angegriffenen Abmahnung jedenfalls nicht offensichtlich falsch, sondern zumindest plausibel begründbar, so kann auch die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall im Ergebnis nicht beanstandet werden. Dass der Kläger keine auf die konkrete wirtschaftliche Bedeutung des Klagebegehrens bezogenen Angaben zur Wertfestsetzung gemacht hat, ist zutreffend. Dass für sein Arbeitsverhältnis eine besondere Gefährdung des Bestands des Arbeitsverhältnisses vorgelegen hätte, ist nicht ersichtlich. In der Tat handelte es sich bei dem abgemahnten Verhalten eher um einen Ordnungsverstoß. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, selbst eine Wiederholung dieses Verstoßes hätte schwerlich eine Kündigung gerechtfertigt, ist vertretbar. Eine irgendwie konkret greifbare Gefährdung des beruflichen Fortkommens war ebenso wenig deutlich geworden. Dass die Auslegung der Klageanträge durch die Vorinstanzen in dem Sinne, dass durch zwei Anträge nur ein Begehren verfolgt werde (“Hendiadyoin”, vgl. LAG Baden-Württemberg 6. September 2006 – 3 Ta 155/06 –) und nicht die Rechtmäßigkeit der Abmahnung Klagegegenstand sei, sondern allein die Verpflichtung der Beklagten zur körperlichen Entfernung der Kopie des Abmahnungsschreibens verlangt war, nicht unproblematisch erscheint, kann dahinstehen, da diese Auslegung sich ebenfalls noch innerhalb eines Zusammenhangs nachvollziehbar begründeter Erwägungen hält. Abgesehen davon überstiege auch dann, wenn von zwei Sachanträgen auszugehen wäre, der dann zutreffende Streitwert jedenfalls nicht auf den ersten Blick die für den Beschwerdewert maßgebliche Grenze von 600,00 Euro.
3. Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann
Fundstellen