Orientierungssatz
Zur Frage ob die Tätigkeit eines Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit als Zeuge in Verfahren wegen Schwarzarbeit oder unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung arbeitsvertragliche Tätigkeit ist.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.01.1980; Aktenzeichen 5 Sa 114/79) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 13.07.1979; Aktenzeichen 7 Ca 49/79) |
Gründe
I. Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1949 beim Landesarbeitsamt Baden-Württemberg als Angestellter/Sachbearbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) Anwendung.
Seit 1970 hatte der Kläger u. a. Fälle unberechtigter Arbeitsvermittlung (§§ 227, 228 AFG) und unerlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung (§§ 15, 16 AÜG) zu verfolgen. Sofern seine Ermittlungen zu Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren führten, wurde er wiederholt als Zeuge zu diesen Verfahren geladen; das geschah in der Regel einmal im Monat. Die Terminsorte erstreckten sich über das gesamte Bundesgebiet.
Erstmals im September 1977 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, wenn er als Zeuge tätig werde, erfülle er nicht arbeitsvertragliche Pflichten; deshalb sei hierfür Arbeitsbefreiung gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d MTA zu beantragen.
Hiergegen hat der Kläger sich mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, als Zeuge verrichte er einen Teil seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit. Denn er werde zu den Verfahren nicht als Staatsbürger, sondern als ermittelnder Beschäftigter der Beklagten geladen. Daraus ergäben sich verschiedene Folgerungen: Falls er einen Unfall erleiden würde, wäre dieser als Dienstunfall anzusehen. Bei der Benutzung seines privaten Kraftfahrzeugs bestünde der seitens der Beklagten für Dienstreisen abgeschlossene Vollkaskoschutz; auch regele sich der Ersatz der Fahrtkosten anders. Schließlich würde er dann, wenn seine Zeugentätigkeit als Arbeitszeit zu berücksichtigen wäre, einen Freizeitausgleich beanspruchen können, wenn die normale Arbeitszeit dadurch überschritten werde.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß seine Tätigkeit als Zeuge i. S. des § 54 der Strafprozeßordnung eine nach dem Arbeitsvertrag auszuübende Tätigkeit ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger erfülle als Zeuge in dem angeführten Verfahren nur eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht. Die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers ende, wenn er seine Ermittlungsergebnisse den Verfolgungsbehörden mitgeteilt habe.
Beide Vorinstanzen haben zugunsten des Klägers erkannt. Nach Einlegung der Revision durch die Beklagte ist der Kläger am 31. März 1980 in den Ruhestand getreten. Die Parteien haben darauf den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.
II. Nachdem die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91 a ZPO durch Beschluß über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Diese Vorschrift gilt auch für die Revisionsinstanz (BAG AP Nr. 2, 9 zu § 91 a ZPO). Nach dem bisherigen Sach- und Rechtsstand hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Denn ihre Revision wäre ohne Erfolg geblieben.
1. Die Klage war bis zur Erledigung des Rechtsstreits zulässig, weil das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO vorlag. Insoweit ist den Erwägungen im Urteil des Landesarbeitsgerichts beizupflichten. Die Revision hat hierzu ebenfalls keine Bedenken mehr angemeldet.
2. Die im Rahmen nach § 91 a ZPO anzustellenden Erwägungen ergeben, daß die Revision der Beklagten in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tätigkeit des Klägers als Zeuge in Verfahren wegen Schwarzarbeit oder unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung sei Teil der vom Kläger geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit gewesen. Die Beklagte habe den gesetzlichen Auftrag, Verstöße gegen §§ 227, 228 AFG oder gegen §§ 15, 16 AÜG zu ermitteln, abzustellen und den gesetzlich vorgesehenen Sanktionen zuzuführen. Diese Aufgaben habe sie durch den Kläger erfüllen lassen. Bei festgestellten Verstößen gehöre es zum gesetzlichen Auftrag, die gewonnenen Erkenntnisse in Strafverfahren einzubringen. Die Zeugentätigkeit des Klägers gehöre deshalb mit zur Erfüllung der genannten Aufgaben und stelle eine nahtlose Fortsetzung der Ermittlungstätigkeit dar. Deshalb sei der Kläger im Verhältnis zur Beklagten verpflichtet, die Ermittlungsergebnisse und deren Richtigkeit vor Gericht als Zeuge zu bekunden, und er erfülle damit eine ihm vertraglich obliegende Aufgabe.
b) Soweit die Revision demgegenüber rügt, das Landesarbeitsgericht habe § 611 BGB verletzt, ist dem nicht zu folgen. Die Revision verkennt, daß die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung Aufgaben der Beklagten sind und sie diese Aufgaben u. a. durch den Kläger erfüllt. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen die Zeugentätigkeit des Klägers als Teil seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen ansieht, so ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es trifft vor allem nicht zu, daß die Mitwirkung der Beklagten bei den genannten Verstößen mit der Ermittlung strafbarer Sachverhalte endet. Ohne Beteiligung an den Strafverfahren würde die Verfolgung der strafbaren Handlungen scheitern. Die notwendige Mitwirkung erfüllt die Beklagte durch die Arbeitnehmer, die sie mit der Ermittlung der entsprechenden Sachverhalte betraut.
Demgegenüber hat die Frage, wer für die Zeugengebühren aufzukommen oder in Vorlage zu treten hat, keine entscheidende Bedeutung dafür, was arbeitsvertraglich zwischen den Parteien gegolten hat.
Dr. Thomas Dr. Heither Schneider Dr. Koffka Schleinkofer
Fundstellen