Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung der Revision und Art. 119 EWG-Vertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG 1979 kann nicht darauf gestützt werden, das Landesarbeitsgericht habe bei Anwendung eines Tarifvertrages gegen Vorschriften des EG-Vertrages verstoßen.

 

Normenkette

ArbGG § 72a Abs. 1 Nr. 2; EWGVtr Art. 119

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.05.1993; Aktenzeichen 4 Sa 490/92)

ArbG Kiel (Urteil vom 11.11.1992; Aktenzeichen 4c Ca 1569/92)

 

Tenor

 

Gründe

I. Die Parteien streiten, ob der teilzeitbeschäftigten Klägerin für über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunden Zeitzuschläge zu gewähren sind.

Die Klägerin ist bei der Beklagten im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Die einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit der Klägerin beträgt 19,25 Stunden pro Woche. In den Monaten November 1991 bis Juni 1992 leistete die Klägerin über die einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus insgesamt 372 weitere Arbeitsstunden. Für diese Arbeitsstunden gewährte die Beklagte der Klägerin Vergütung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BAT ohne Zeitzuschläge. Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung verlangt, daß ihr auch Zeitzuschläge in Höhe von 25 v. H. gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a BAT zu gewähren seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf grundsätzliche Bedeutung stützt.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführerin hat nicht in der in § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG vorgeschriebenen Form dargetan, daß die Rechtssache die Auslegung eines Tarifvertrages betrifft (§ 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG).

Unter Auslegung eines Tarifvertrags im Sinne des § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG ist die fallübergreifende abstrakte Interpretation tariflicher Rechtsbegriffe zu verstehen. Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe die Tarifnormen der §§ 17, 35 BAT dahin ausgelegt, daß Überstunden im Sinne der Tarifnormen auch bei Teilzeitbeschäftigten nur dann vorlägen, wenn die geleisteten Arbeitsstunden die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten überschreite. Dies sei jedoch falsch, da die Bestimmung des § 17 BAT gegen höherrangiges Recht, nämlich Art. 119 EWG-Vertrag verstoße. Mit dieser Begründung wendet sich die Beschwerdeführerin aber nicht gegen die Auslegung eines tariflichen Rechtsbegriffs. Es genügt nämlich für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht, wenn der in einem Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch aus einer tariflichen Vorschrift hergeleitet wird, die Auslegung der Tarifnorm selbst zwischen den Parteien unstreitig ist (BAGE 32, 203, 208 = AP Nr. 1 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz), und nur gerügt wird, daß die Tarifnorm gegen zwingendes, höherrangiges Recht, insbesondere auch Verfassungsrecht, verstößt (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 34, 72; 35, 94 = AP Nr. 7 und 14 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAGE 41, 367 = AP Nr. 25 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAG Beschluß vom 19. Dezember 1991 – 2 AZN 466/91 – AP Nr. 27 zu § 72a ArbGG 1979). Dies gilt auch dann, wenn ein Verstoß gegen Vorschriften des EG-Vertrages gerügt wird. In diesem Fall steht nicht die Auslegung der Tarifnorm, sondern der Anwendungsvorrang und die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Diskussion.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Dr. Wißmann, Dr. Sponer, Bruse

 

Fundstellen

Haufe-Index 845968

BB 1994, 724

JR 1994, 352

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