Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit der Revision
Orientierungssatz
Die Umdeutung eines unstatthaften in ein statthaftes Rechtsmittel ist grundsätzlich möglich. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß die Prozeßerklärung den Formerfordernissen des statthaften Rechtsmittel bzw Rechtsbehelfs entspricht. Hieran fehlt es jedoch, wenn die Frist für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde versäumt wurde.
Normenkette
ZPO § 554a; ArbGG § 72a Fassung: 1979-07-02, § 72 Abs. 1 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 20.12.1985; Aktenzeichen 3 Sa 92/85) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 08.08.1985; Aktenzeichen 12 Ca 563/84) |
Gründe
I. Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 8. August 1985 - 12 Ca 563/84 - festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 9. November 1984 noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. November 1984 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht. Es hat die Beklagte ferner verurteilt, bis zum Ende der Sechs-Wochen-Frist ab Erkrankungsbeginn, 8. Oktober 1984, nach dem Lohnfortzahlungsgesetz ordnungsgemäß abzurechnen und das Nettoeinkommen an die Klägerin zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Urteil auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert. Es hat die gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Der Ausfertigung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils ist eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, die den Hinweis enthält, daß gegen das Berufungsurteil kein weiteres Rechtsmittel gegeben ist, jedoch ausnahmsweise die Nichtzulassung der Revision in den folgenden - im einzelnen aufgeführten - Fällen selbständig durch Beschwerde angefochten werden kann.
Gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 10. April 1986 zugestellte Urteil des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin durch Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 8. Mai 1986, beim Bundesarbeitsgericht eingegangen am 9. Mai 1986, "das Rechtsmittel der Revision eingelegt." Mit einem am 2. Juni 1986 beim Bundesgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten seine Vertretung auch für die dritte Instanz angezeigt und den Antrag gestellt, "die wohl als Nichtzulassungsbeschwerde anzusehende "Revision" zurückzuweisen."
Auf den am 6. Juni 1986 eingegangenen Antrag des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin "um Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist (um einen Monat)" hat der Vorsitzende des zu diesem Zeitpunkt zuständigen Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts durch Verfügung vom 11. Juni 1986 "die Frist zur Begründung der Revision" bis 9. Juli 1986 verlängert.
Mit Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 8. Juli 1986, beim Bundesarbeitsgericht eingegangen am 9. Juli 1986, hat die Klägerin "die Revision" begründet. Sie hat ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe die Revision zu Unrecht nicht zugelassen. Der Rechtsstreit habe grundsätzliche Bedeutung. Ferner weiche das angefochtene Urteil von dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. November 1979 (- 6 AZR 934/77 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) ab. In den anschließenden Ausführungen wirft die Klägerin dem Landesarbeitsgericht vor, es habe zu Unrecht einen von ihr angebotenen Beweis nicht erhoben und den Sachverhalt nicht im Sinn der Klage für ausreichend aufgeklärt erachtet. Sollte das Bundesarbeitsgericht der Ansicht sein, daß noch eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sei, müsse der von der Klägerin angebotene Beweis noch erhoben werden.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Be-
rufung der Beklagten gegen das Urteil des Ar-
beitsgerichts zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit an eine andere Kammer des
Landesarbeitsgerichts zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 554 a Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist.
1. Gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG findet die Revision statt, wenn sie im Urteil des Landesarbeitsgerichts oder im Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72 a Abs. 5 Satz 2 ArbGG zugelassen worden ist. Im vorliegenden Fall ist die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden. Auch der Fall der Zulassung der Revision durch das Bundesarbeitsgericht liegt nicht vor.
2. Die Nichtzulassung der Revision kann nach § 72 a ArbGG nur durch Nichtzulassungsbeschwerde erreicht werden. Von diesem Rechtsbehelf hat die Klägerin jedoch keinen Gebrauch gemacht. Das von ihr als Revision bezeichnete Rechtsmittel kann nicht als Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt werden.
Die Klägerin ist durch die von dem Berufungsgericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß gegen das Berufungsurteil kein Rechtsmittel, sondern lediglich gegen die Nichtzulassung der Revision die Nichtzulassungsbeschwerde als besonderer Rechtsbehelf stattfindet. Außerdem enthält die Vertretungsanzeige des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten den Hinweis, daß die Revision wohl als Nichtzulassungsbeschwerde anzusehen sei. Trotzdem hat die Klägerin in Kenntnis dieser Hinweise in dem Schriftsatz vom 8. Juli 1986 ausdrücklich erklärt, daß hiermit "die Revision" begründet werde. Sie hat ferner in ihren sachlichen Ausführungen nicht nur die Nichtzulassung der Revision, sondern auch die sachliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils gerügt und demgemäß neben der Zulassung der Revision auch die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt. Im Hinblick auf diese eindeutigen Erklärungen fehlt es an sachlichen Anhaltspunkten für die Annahme, die Klägerin wolle in Wirklichkeit von dem Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde Gebrauch machen und habe sich nur bei der Bezeichnung dieses Rechtsbehelfs im Ausdruck vergriffen.
3. Die Revision der Klägerin kann auch nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.
Zwar ist die Umdeutung eines unstatthaften in ein statthaftes Rechtsmittel grundsätzlich möglich (vgl. dazu BGH LM ZPO - Allgemeines Nr. 5). Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß die Prozeßerklärung den Formerfordernissen des statthaften Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs entspricht. Hieran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall, weil die Klägerin die Frist für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde versäumt hat.
Diese Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Berufungsurteils; sie beträgt zwei Monate und kann nicht verlängert werden (§ 72 a Abs. 3 Satz 1 ArbGG). Da im vorliegenden Fall das angefochtene Urteil dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 10. April 1986 zugestellt worden ist, war die Frist für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde am 10. Juni 1986 abgelaufen. Sie ist durch die gerichtliche Verfügung vom 11. Juni 1986 nicht verlängert worden. Diese Verfügung hat lediglich die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist zum Inhalt. Sie kann auch nicht als Verlängerung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt oder in eine solche umgedeutet werden, weil die Verlängerung dieser Frist nicht statthaft ist. Der Begründungsschriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 8. Juli 1986 ist somit nach Ablauf der Frist für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde bei Gericht eingegangen. Schon hieran scheitert eine Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde.
4. Die Revision der Klägerin war demnach mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.
Triebfürst Dr. Weller Dr. Olderog
Fundstellen