Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung wegen Musterprozess

 

Normenkette

ZPO § 148

 

Verfahrensgang

Thüringer LAG (Beschluss vom 26.06.1997; Aktenzeichen 2 Sa 247/96)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des beklagten Landes gegen den Beschluß des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 26. Juni 1997 – 2 Sa 247/96 – wird als unzulässig verworfen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 43.451,30 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Mit der Klage verlangt der Kläger vom beklagten Land die Zahlung einer berufsbezogenen Zuwendung seit 1. Januar 1992.

Der 1943 geborene Kläger war vom 1. August 1963 bis zum 31. Juli 1982 zuletzt an den Städtischen Bühnen Erfurt als Ballettänzer beschäftigt. Er gab diese Tätigkeit aus Altersgründen auf. Ab 1. August 1982 erhielt der Kläger eine berufsbezogene Zuwendung von den Städtischen Bühnen Erfurt in Höhe von monatlich 505,25 DM. Ende Dezember 1991 stellte die Stadt Erfurt als Trägerin der Städtischen Bühnen die Zahlung dieser berufsbezogenen Zuwendung ein.

Mit der am 14. Dezember 1992 beim Kreisgericht Erfurt erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Einstellung der Zahlungen. Er hat seine Forderungen sowohl gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, als auch gegen die Stadt Erfurt und das Land Thüringen gerichtlich geltend gemacht.

Durch Beschluß des Bundessozialgerichts vom 24. August 1994 wurde der Rechtsstreit des Klägers gegen das beklagte Land an das Arbeitsgericht Erfurt verwiesen.

Das Arbeitsgericht Erfurt hat die Klage durch Urteil vom 17. April 1996 abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Über die Berufung haben die Parteien am 19. Juni 1997 vor dem Berufungsgericht verhandelt. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat außerdem beantragt, das Verfahren ruhen zu lassen. Durch den am 26. Juni 1997 verkündeten Beschluß des Thüringer Landesarbeitsgerichts wurde der Rechtsstreit „nach § 148 ZPO bis zur Erledigung des Rechtsstreits 3 AZR 141/97 … ausgesetzt”. § 148 ZPO sei anzuwenden. Die Aussetzung sei die zweckmäßigste Verfahrensweise. So könne der Aufwand und die Gefahr unterschiedlicher Urteile vermieden werden. Die gegen diesen Beschluß eingelegte Gegenvorstellung des beklagten Landes blieb ohne Erfolg. Mit der Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht beantragt das beklagte Land, den Beschluß des Thüringer Landesarbeitsgerichts aufzuheben. Der Kläger tritt diesem Antrag entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde des beklagten Landes ist nicht statthaft.

1. Gegen Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts findet – außer den im Gesetz genannten Fällen – kein Rechtsmittel statt (§ 70 Satz 1 ArbGG).

2. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts unterliegt auch nicht wegen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit” der Beschwerde. Dabei kann der Senat offenlassen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches außerordentliches Rechtsmittel gegeben sein muß. Die Gründe, die das beklagte Land zur Annahme einer „greifbaren Gesetzeswidrigkeit” vorgetragen hat, liegen nicht vor.

  1. § 148 ZPO ist über seinen Wortlaut hinaus auf vergleichbare Fallgestaltungen entsprechend anwendbar (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Urteil vom 12. März 1996 – 3 AZR 993/94 – AP Nr. 1 zu § 24 TV Arb Bundespost = Heither, ES-BetrAVG 4200/8).
  2. Das beklagte Land erleidet durch die Aussetzung des Rechtsstreits keine Nachteile. Der Kläger hat keinen vollstreckbaren Titel.
  3. Die Aussetzung des Verfahrens ist vernünftig. Über die Rechtsfrage, wie sich die Regelung des Einigungsvertrages auf den Bestand der Forderung auf Zahlung berufsbezogener Zuwendungen an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen auswirkt, wird der Senat demnächst in dem im Beschluß genannten Verfahren 3 AZR 141/97 entscheiden. Die Aussetzung liegt im Interesse der Parteien. Die Entscheidung des Senats zu diesen Fragen kann Klarheit bringen. Rechtsmittel können vermieden werden. Schließlich sollte das beklagte Land mehr Rücksicht auf die Arbeitsbelastung seiner Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit nehmen. Die Einwendungen des beklagten Landes gegen ein kosten- und arbeitssparendes Verfahren sind nicht nachvollziehbar.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI951858

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