Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf rechtliches Gehör. unrichtige Tatsachenfeststellung
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn das Landesarbeitsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen einer Partei nicht berücksichtigt. Das setzt voraus, dass besondere Umstände hinreichend deutlich machen, das Gericht habe den Vortrag der Partei nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen.
2. Kommt das Gericht bei der Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung, hat es das Vorbringen der Parteien nur fehlerhaft berücksichtigt. Solche Fehler begründen nicht die Zulassung der Revision nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. ArbGG wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt., § 72a Abs. 3 S. 2 Nr. 3 2. Alt.; ZPO § 313 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 15. Juli 2008 – 2 Sa 692/07 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 11.320,25 Euro festgesetzt.
Tatbestand
A. Die Parteien streiten über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags. Der im Mai 1952 geborene und nicht schwerbehinderte Kläger ist seit 1977 bei der Beklagten als Arbeitsvermittler beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) Anwendung. Nach dem TV ATZ steht die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für die Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen im Ermessen des Arbeitgebers.
Mit Schreiben vom 27. November 2006 beantragte der Kläger die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 30. Juni 2014. Das lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 8. Dezember 2006 ab.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör stützt (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt., § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. ArbGG).
Entscheidungsgründe
B. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt.
I. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen einer Partei nicht berücksichtigt. Ob das übergangene Vorbringen entscheidungserheblich ist, richtet sich nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und seinen rechtlichen Ausführungen. Es genügt, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das Berufungsgericht bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte (Senat 10. Mai 2005 – 9 AZN 195/05 – BAGE 114, 295, zu II 2 der Gründe). Es braucht nicht jedes Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu behandeln. Nach § 313 Abs. 3 ZPO enthalten die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Überlegungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Art. 103 Abs. 1 GG gibt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich vor der gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sie in Erwägung zu ziehen. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht genügt. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur anzunehmen, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falls ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist (st. Rspr., vgl. BVerfG 26. Juli 2005 – 1 BvR 85/04 – NJW 2005, 3345, zu II 2b aa, bb der Gründe; 8. Oktober 2003 – 2 BvR 949/02 – EzA GG Art. 103 Nr. 5, zu II 1a der Gründe).
II. Entgegen der Rüge des Beschwerdeführers sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, auch wenn das Landesarbeitsgericht eine Tatsache unrichtig dargestellt hat.
1. Die Beschwerde rügt die unrichtige Wiedergabe der von der Beklagten vorgelegten “E-Mail-INFO Personal vom 13.04.2006”.
2. Die bloße unrichtige Wiedergabe des Inhalts der E-Mail durch das Landesarbeitsgericht stellt noch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, die die Zulassung der Revision rechtfertigt. Die Feststellung und Würdigung von Tatsachen ist eine Aufgabe der Tatsachengerichte. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht schon jedes Mal dann verletzt, wenn ein Richter im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen zu einer unrichtigen Schlussfolgerung oder Wertung gelangt. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nur vor, wenn besondere Umstände hinreichend deutlich machen, dass der Richter den Vortrag der Partei nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht (BVerfG 23. Juni 1991 – 1 BvR 485/92 –, zu II 3 der Gründe). Art. 103 Abs. 1 GG schützt damit nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag einer Partei nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst (BAG 14. Juni 2006 – 5 AZN 73/06 – Rn. 9, ZUM-RD 2007, 506).
In den Entscheidungsgründen ist das Landesarbeitsgericht zu der im Verhältnis zum Tatbestand widersprüchlichen und in der Sache unrichtigen Schlussfolgerung gelangt, die “E-Mail-INFO Personal” lasse generell die Begründung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen (und damit auch im Blockmodell) nur bei Vorliegen einer Schwerbehinderung zu. Das allein stellt noch keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfG 19. Juli 1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267, zu B II 2 der Gründe).
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Düwell, Gallner, Krasshöfer, Hintloglou, Merte
Fundstellen