Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes
Normenkette
BetrVG § 103; BGB § 626
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 14.11.1990; Aktenzeichen 1 TaBV 22/90) |
ArbG Ludwigshafen (Beschluss vom 06.07.1990; Aktenzeichen 3 BV 20/90) |
ArbG Ludwigshafen (Beschluss vom 23.02.1990; Aktenzeichen 7 BV 44/89) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts RheinlandPfalz vom 14. November 1990 – 1 TaBV 22/90 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten um die Zustimmung des Beteiligten zu 2) (Betriebsrat) zur außerordentlichen Kündigung eines seiner Mitglieder, des Beteiligten zu 3). Nach dem Vortrag der Antragstellerin soll der Beteiligte zu 3) als überführt, zumindest jedoch als dringend verdächtig angesehen werden, eine veruntreuende Unterschlagung zu ihrem Nachteil begangen zu haben.
Die Antragstellerin beabsichtigt die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des seit dem 2. November 1960 bei ihr beschäftigten Beteiligten zu 3), der als gelernter Chemielaborant zuletzt als Erstfachmeister tätig war. Der am 22. Juni 1943 geborene Beteiligte zu 3) ist verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet. Erstmals 1978 wurde er in den Betriebsrat gewählt und 1981, 1984 und 1987 wiedergewählt. Seine erneute Kandidatur für die vom 13. bis 16. März 1990 durchgeführten Betriebsratswahlen scheiterte; am 11. April 1990 um 16.00 Uhr rückte er im Anschluß an die um 8.00 Uhr am selben Tag begonnene konstituierende Sitzung des neugewählten Betriebsrats nach, weil einer der gewählten Bewerber von der Wahl zurücktrat. Nach den Angaben des Beteiligten zu 2) tritt der neugewählte Betriebsrat der Antragstellerin in ständiger Übung spätestens seit 1972 einige Tage vor Ablauf der Amtszeit des bisherigen Betriebsrats zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.
Erstmals mit Schreiben vom 24. November 1989 begehrte die Antragstellerin wegen des von ihr behaupteten Vorfalls vom 17. November 1989 die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3). Im Anschluß an eine am 27. November 1989 durchgeführte zweite Anhörung des Beteiligten zu 3) nach Anhörung des Fremdfirmenangehörigen W R am 28. November 1989 veranlaßte die Antragstellerin die Kriminalpolizei Ludwigshafen zu einer daktyloskopischen Untersuchung. Nach deren Ergebnis konnten jedoch keine für den Nachweis oder die Widerlegung des von der Antragstellerin behaupteten Vorfalles verwertbaren Fingerabdrücke ermittelt werden. Auf ihre mit Schreiben vom 22. Dezember 1989 erneut begehrte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) reagierte der Beteiligte zu 2) nicht. In diesem Schreiben heißt es, man sehe sich „wegen der durch o.a. Beweismittel nachgewiesenen Täterschaft” des Beteiligten zu 3) außerstande zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Weiter heißt es, es werde vorsorglich darauf hingewiesen, „daß der geschilderte Sachverhalt zumindest aber den dringenden Verdacht begründet, daß Herr A gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen und das in ihn gesetzte Vertrauen mißbraucht hat, so daß uns die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch unter diesen Gesichtspunkten nicht mehr zumutbar ist”. Mit ihrem am 29. Dezember 1989 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereichten Antrag hat die Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats begehrt (– 7 BV 44/89 – Arbeitsgericht Ludwigshafen).
Am 11. April 1990, dem Tag der konstituierenden Sitzung des neugewählten Betriebsrats der Antragstellerin, leitete die Antragstellerin bei dem Beteiligten zu 2) ein Verfahren gem. § 102 BetrVG ein, um das Beschäftigungsverhältnis des nicht wiedergewählten Beteiligten zu 3) im Anschluß an diese Anhörung außerordentlich kündigen zu können. Nachdem der Beteiligte zu 3) am selben Tag in den neugewählten Betriebsrat nachgerückt war, bat die Antragstellerin den Beteiligten zu 2) am 12. April 1990 ein weiteres Mal um seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3). Der Beteiligte zu 2) äußerte sich nicht. Mit am 18. April 1990 eingegangenem Schriftsatz beantragte die Antragstellerin deshalb erneut die Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht (3 BV 20/90 Arbeitsgericht Ludwigshafen).
In dem wegen des von der Antragstellerin behaupteten Vorfalls vom 17. November 1989 eingeleiteten Strafverfahren wurde der Beteiligte zu 3) durch Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen in Übereinstimmung mit dem Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft am 8. Oktober 1990 freigesprochen. Der Zeuge R hatte im Strafverfahren von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Zur Begründung ihrer Zustimmungsersetzungsanträge hat die Antragstellerin in beiden Verfahren im wesentlichen vorgetragen, der Beteiligte zu 3) habe am 17. November 1989 nach vorangegangener Absprache mit dem auf dem Betriebgelände tätigen Fremdfirmenangehörigen R drei in ihrem Eigentum stehende Schnellheizer im Wert von insgesamt 212,– DM in Zeitungspapier eingewickelt und auf drei Tragetaschen verteilt in seinem Büroraum abgestellt, damit R diese Taschen unbemerkt vom Werkschutz außerhalb des Werksgeländes verbringen konnte. Dies habe R auch getan. Er habe dafür einen der drei Schnellheizer erhalten sollen. Bei dem von dem Beteiligten zu 3) zur Verpackung verwendeten Papier habe es sich um Teile der Tageszeitung „Die Rheinpfalz”, Frankenthaler Ausgabe, vom 30. Oktober, 6. November, 9. November, 13. November und 16. November 1989 gehandelt.
Das Ergebnis der daktyloskopischen Untersuchung sei ihr erst am 15. Dezember 1989 mitgeteilt worden.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Zur Begründung hat der Beteiligte zu 3) im wesentlichen vorgetragen, er habe dem Zeugen Rüttger die seinerzeit nicht benötigten Schnellheizer nur vorübergehend zur Beheizung dreier auf dem Betriebsgelände stehender Container überlassen. Die Entfernung vom Betriebsgelände sei eigenmächtig und ohne sein Wissen erfolgt. Er habe am 17. November keine in Zeitpungspapier eingewickelten Gegenstände in seinem Büro zur Abholung bereitgestellt. Seine eigenen Ausgaben der „Rheinpfalz” von den entsprechenden Tagen seien durch die Wertstoffverwertung abgeholt worden. Im übrigen hat der Beteiligte zu 3) die Auffassung vertreten, die Antragstellerin habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB bei ihrem Zustimmungsersetzungsantrag nicht eingehalten.
In beiden Zustimmungsersetzungsverfahren hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen, im zweiten mit der Begründung, wegen der fortwirkenden Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats im ersten Zustimmungsersetzungsverfahren bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichteten Beschwerden der Antragstellerin nach Verbindung der beiden Verfahren zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat es dahinstehen lassen, ob das erste Zustimmungsersetzungsverfahren wegen vorübergehenden Ausscheidens des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat gegenstandslos geworden sei oder aber im zweiten Zustimmungsersetzungsverfahren kein Rechtsschutzinteresse bestehe, weil die Zustimmungsverweigerung des Beteiligten zu 2) vom Dezember 1989 fortwirke. Dem Beteiligten zu 3) stehe jedenfalls ab dem 11. April 1990 (wieder) der besondere Kündigungsschutz nach § 103 BetrVG zur Seite. Das Gericht habe daher in jedem Fall in einem der beiden Verfahren über die Begründetheit des Zustimmungsersetzungsantrages bei identischem Vorbringen der Beteiligten entscheiden müssen.
Die von der Antragstellerin beabsichtigte außerordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung aller Umstände nicht als Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB gerechtfertigt. Die Voraussetzungen einer Zustimmungsersetzung gem. § 103 BetrVG lägen nicht vor. Bei Überprüfung des Antrags auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats habe das Arbeitsgericht praktisch eine den Kündigungsschutzprozeß vorwegnehmende Entscheidung zu treffen; dies allerdings mit der Maßgabe, daß in dem Verfahren nach § 103 BetrVG auch solche Umstände zu berücksichtigen seien, welche erst im Laufe des Beschlußverfahrens bekannt würden. Maßgebend sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
Der von der Antragstellerin dem Beteiligten zu 3) gegenüber erhobene Vorwurf eines gemeinsam mit einem Fremdfirmenangehörigen begangenen Diebstahls von Gegenständen im Wert von insgesamt 212,– DM biete an sich ohne weiteres einen solchen Grund zur außerordentlichen Kündigung. Ausreichend sei insoweit auch eine Störung im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner durch die Entwendung einer geringwertigen im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Sache. Nach der auf das strafrichterliche Urteil sowie das Protokoll des Amtsgerichts Ludwigshafen über die Hauptverhandlung in der Strafsache gegen den Beteiligten zu 3) gestützten Überzeugung des Gerichts stehe jedoch nicht fest, daß der Beteiligte zu 3) tatsächlich die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe. Anhaltspunkte für eine sinnvolle weitere Beweiserhebung sehe das Gericht angesichts des Verzichts der Antragstellerin auf weiteres Vorbringen im Anschluß an das Bekanntwerden des Strafurteils sowie im Hinblick auf die Identität des gegen den Beteiligten zu 3) im Strafverfahren und dem arbeitsgerichtlichen Verfahren erhobenen Vorwurfs nicht, ohne daß dem strafrichterlichen Urteil eine bindende Präjudizwirkung im Hinblick auf den Ausgang des Zustimmungsersetzungsverfahrens zugemessen werde.
Soweit die Antragstellerin hilfsweise die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer von ihr beabsichtigten Verdachtskündigung begehre, folge auch daraus nicht die Begründetheit der Beschwerden. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände sei der Freispruch im Strafverfahren zur Überzeugung des Gerichts geeignet, dem ursprünglich möglicherweise bestehenden Verdacht die Bedeutung eines wichtigen Grundes zu nehmen.
Selbst wenn man aber den von der Antragstellerin behaupteten Sachverhalt als zutreffend unterstelle, rechtfertige die Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Entscheidung zugunsten des Beteiligten zu 3). Der Antragstellerin sei aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar. Maßgebliche Bedeutung gewinne dabei die 30-jährige Dauer der Beschäftigung und die der Antragstellerin gegenüber vom Beteiligten zu 3) offenbar erwiesene Loyalität. Auch nach den Behauptungen der Antragstellerin könne der Beteiligte zu 3) eine offenbar einmalige Verfehlung begangen haben und eine Wiederholungsgefahr nicht bestehen.
II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde sind im Ergebnis nicht begründet.
1. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, die das Vorliegen eines die Zustimmungsersetzung rechtfertigenden wichtigen Grundes verneint, unterliegt nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Bei der Frage, ob eine außerordentliche Kündigung durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt ist, geht es um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur darauf zu überprüfen, ob der Tatsachenrichter den Begriff des wichtigen Grundes als solchen richtig erkannt hat und ob bei der Interessenabwägung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles dahin überprüft worden sind, ob es dem Arbeitgeber unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Bewertung der für und gegen die Unzumutbarkeit sprechenden Umstände liegt im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Hält sich das Beschwerdegericht in diesem Rahmen, kann das Rechtsbeschwerdegericht die angegriffene Würdigung nicht durch eine eigene ersetzen, es sei denn, das Landesarbeitsgericht hätte Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verkannt, der Beschluß wäre in sich widersprüchlich oder es läge eine zulässige und begründete Verfahrensrüge vor (vgl. Beschlüsse des Senats vom 16. Mai 1991 – 2 ABR 83/90 –, n.v., zu II 2 a der Gründe; vom 21. März 1991 – 2 ABR 64/90 –, n.v., zu II 2 c der Gründe sowie BAGE 9, 263, 265 = AP Nr. 42 zu § 626 BGB, zu III 2 der Gründe).
Dieser eingeschränkten Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung stand.
2. Der Senat ist mangels Vorliegens wirksamer Verfahrensrügen an die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, dem Beteiligten zu 3) sei eine Beteiligung an der ihm vorgeworfenen Straftat nicht nachzuweisen, es bestehe auch kein dringender Verdacht einer solchen Beteiligung, gem. § 561 Abs. 2 ZPO i. Verb. mit § 92 Abs. 2, § 72 Abs. 5 ArbGG gebunden. Der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts steht nicht entgegen, daß das Beschlußverfahren vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 27. Januar 1977 – 2 ABR 77/76 – AP Nr. 7 zu § 103 BetrVG; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 93 Rz 4; Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 93 Rz 3).
a) Die Rechtsbeschwerde hat keine zulässige Rüge der Verletzung des § 286 ZPO erhoben. Gem. § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muß die Rechtsbeschwerdebegründung ergeben, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll. Für verfahrensrechtliche Normen entspricht dies § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO. Einem Verfahrensfehler ist daher nur bei einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge nachzugehen; der Untersuchungsgrundsatz ändert daran nichts (BAG Beschluß vom 24. Mai 1957 – 1 ABR 8/56 – AP Nr. 7 zu § 92 ArbGG 1953, zu II 1 der Gründe; Germelmann/ Matthes/Prütting, aaO, § 94 Rz 16; Grunsky, aaO, § 94 Rz 8).
Insoweit gelten aber strenge förmliche Voraussetzungen. Für Prozeßrügen nach § 286 ZPO muß nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchen Punkten das Landesarbeitsgericht eine Beweisaufnahme zu Unrecht unterlassen hat, in welchen Schriftsätzen diese Beweismittel angegeben worden sind – mindestens bei umfangreichen Schriftsätzen unter Angabe von Blatt- und Seitenzahlen –, welche Zeugen hätten vernommen werden müssen und was deren Aussage ergeben hätte (so etwa BAG Urteil vom 7. Oktober 1987 – 5 AZR 116/86 – AP Nr. 15 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu V der Gründe; Senatsurteil vom 19. Oktober 1959 – 2 AZR 60/59 – AP Nr. 4 zu § 554 ZPO; Senatsbeschluß vom 21. März 1991 – 2 ABR 64/90 –, n.v., zu II 3 a der Gründe).
b) Dem wird die Rechtsbeschwerdebegründung nicht gerecht, wenn sie rügt, daß „- wie im Tatbestand der Beschwerdeentscheidung zutreffend ausgeführt – insoweit umfassende Indizien genannt und direkte Beweise angeboten” worden seien, daß den Beweisen hier „in keiner Weise nachgegangen” worden sei, daß „sämtliche Beweisantritte übergangen” worden seien, daß es an einer „sachgerechten und umfassenden Beweiserhebung” fehle oder daß nicht auszuschließen sei, „daß sich auf Grundlage des von der Antragstellerin vorgetragenen Sachverhalts bei der von Amts wegen vorzunehmenden Aufklärung zusätzliche, erschwerende Tatsachen herausstellen, die das Verhalten des Beteiligten zu 3) als besonders verwerflich erscheinen lassen”. Diese pauschalen Hinweise genügen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge nicht. Gerade im vorliegenden Fall hätte die Rechtsbeschwerde die übergangenen Beweisangebote im einzelnen benennen müssen, da es sich nicht nur um ein, sondern um eine Reihe von Angeboten handelte.
Die Rechtsbeschwerde hat vor allem auch nicht im einzelnen dargelegt, was die Aussage der eventuellen Zeugen ergeben hätte.
Hierzu bestand gerade hinsichtlich des Zeugen R umso mehr Anlaß, als dieser im Strafverfahren die Aussage verweigert hatte. Bereits die angefochtene Entscheidung hat zu Recht hervorgehoben, die Antragstellerin habe auf eine Stellungnahme zum Ausgang des Strafverfahrens verzichtet. Insoweit wäre es jedenfalls im Rahmen der Rechtsbeschwerde geboten gewesen, näher darzulegen, was vor diesem Hintergrund die Aussage etwa des Zeugen R und anderer möglicher Zeugen hätte ergeben sollen.
Eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Verfahrensrüge der Verletzung des § 286 ZPO liegt daher nicht vor.
c) Nicht begründet ist auch die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs. Die Rechtsbeschwerde erwähnt zwar Art. 103 GG, legt aber nicht näher dar, wieso das Landesarbeitsgericht diesen Grundsatz verletzt haben soll.
3. Ist der Senat mangels wirksamer Verfahrensrügen an die tatsächlichen Feststellungen zur Nichtbeteiligung des Beteiligten zu 3) an der ihm vorgeworfenen Straftat gebunden, rügt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg die Verletzung materiellen Rechts.
a) Eine außerordentliche Kündigung wegen erwiesener Tat scheidet nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aus.
b) Das Landesarbeitsgericht hat auch in einer im Rahmen der dem Rechtsbeschwerdegericht obliegenden nur eingeschränkten Prüfung nicht zu beanstandenden Weise die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung verneint.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Senatsurteil vom 24. März 1958 – 2 AZR 587/55 – AP Nr. 5 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; s. auch Senatsurteil vom 3. April 1986 – 2 AZR 324/85 – AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; Senatsbeschluß vom 21. März 1991 – 2 ABR 64/90 –, n.v., zu II 2 a der Gründe) kann nicht nur eine erwiesene strafbare Handlung oder eine erwiesene Vertragsverletzung eines Arbeitnehmers, sondern auch der Verdacht, eine strafbare Handlung oder Pflichtverletzung begangen zu haben, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Eine echte Verdachtskündigung liegt nur dann vor, wenn es gerade der Verdacht ist, welcher das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Verdachtskündigungen können nur unter besonderen Voraussetzungen durchgreifen, um der Gefahr vorzubeugen, daß sie einen Unschuldigen treffen (vgl. KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 153).
Dabei sind in den Fällen der Verdachtskündigung auch nachträglich bekanntgewordene oder entstandene Tatsachen zu berücksichtigen, wenn sie geeignet sind, eine zunächst vielleicht begründete Verdachtskündigung zu entkräften. Zu diesen Tatsachen zählen insbesondere Freisprüche, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese wegen „erwiesener Unschuld” erfolgten (vgl. BAGE 27, 113, 123 = AP Nr. 3 zu § 103 BetrVG, zu II 5 b der Gründe; BAGE 16, 72 = AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).
bb) Das Landesarbeitsgericht ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Gegen die Heranziehung des Freispruchs des Beteiligten zu 3) zur Würdigung des Verdachts bestehen hier umso weniger Bedenken, als maßgeblich für die Beurteilung eines Antrags nach § 103 BertrVG der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ist (BAGE 26, 219 = AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972; KR-Etzel, aaO, § 103 Rz 115). Letztlich geht es also nicht einmal um die Berücksichtigung einer erst nach Ausspruch der Kündigung bekanntgewordenen Tatsache.
4. Da es nach den bindenden Feststellungen des Beschwerdegerichts bereits am Nachweis der tatsächlichen Voraussetzungen eines wichtigen Grundes fehlt, kommt es auf die Richtigkeit der in der Hilfsbegründung vorgenommenen Interessenabwägung bei unterstellter Beteiligung des Beteiligten zu 3) nicht mehr an.
III. Soweit das Beschwerdegericht die Frage, ob das erste Zustimmungsersetzungsverfahren wegen vorübergehenden Ausscheidens des Beteiligten zu 3) aus dem Betriebsrat gegenstandslos ist oder aber im zweiten Verfahren kein Rechtsschutzinteresse besteht, weil die Zustimmungsverweigerung des Antragsgegners vom Dezember 1989 fortwirkt, hat dahinstehen lassen, ist das im Ergebnis unschädlich. Der Senat geht allerdings von einer Unzulässigkeit des zweiten Verfahrens aus, wie dies das Arbeitsgericht angenommen hatte.
1. Nach dem Vortrag des Beteiligten zu 2) in der mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht hat die konstituierende Sitzung des neuen Betriebsrats seit 1972 immer vor dem Ende der Amtszeit des alten Betriebsrats stattgefunden. Hierzu hat die Antragstellerin erklärt, eine Stellungnahme sei ihr nicht möglich, sie hat dies jedoch weder bestritten noch beantragt, ihr insoweit eine Erklärungsfrist einzuräumen. Danach konnte das Vorbringen des Betriebsrats aber als unstreitig angenommen werden.
2. Hiervon ausgehend gilt folgendes:
Der besondere Kündigungsschutz des § 103 BetrVG endet für Mitglieder des Betriebsrats mit der Amtszeit des Betriebsrats (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 103 Rz 7; KR-Etzel, aaO, § 103 BetrVG Rz 19; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl. Rz 980). Erfolgt die Wahl des Betriebsrats während der Amtsdauer des vorhergehenden Betriebsrats, so beginnt das Amt des neuen Betriebsrats erst mit dem Ablauf der Amtszeit des bisherigen Betriebsrats gem. § 21 Satz 2 2. Alternative BetrVG (s. dazu nur Fitting/- Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 21 Rz 10; Stahlhacke/Preis, aaO, Rz 978).
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze hatte nach dem unstreitigen Vortrag des Beteiligten zu 2) der Beteiligte zu 3) am 11. April 1990, dem Tag, an dem er in den neuen Betriebsrat nachrückte, noch den besonderen Kündigungsschutz nach § 103 BetrVG, da die Amtszeit des alten Betriebsrats noch nicht abgelaufen war. Zum Zeitpunkt des danach folgenden Endes der Amtszeit des alten und Beginn der Amtszeit des neuen Betriebsrats war er aber schon – nämlich seit dem 11. April 1990 – Mitglied des neuen Betriebsrats, so daß eine ununterbrochene Amtszeit für den Beteiligten zu 3) bestand. In diesen Fällen ist ein neuer Antrag auf Zustimmungsersetzung nicht mehr nötig, die Erklärung des Betriebsrats (Zustimmungsverweigerung) gilt vielmehr fort (so auch KR-Etzel, aaO, § 103 BetrVG Rz 133; Fitting/ Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 103 Rz 32). Dementsprechend war der zweite Antrag der Antragstellerin auf Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig in entsprechender Anwendung des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO (Grunsky, aaO, § 80 Rz 18).
Im Ergebnis hat das Landesarbeitsgericht daher beide Beschwerden zu Recht zurückgewiesen.
Unterschriften
Hillebrecht, Bitter, Dr. Rost, Brocksiepe, N. Holst
Fundstellen