Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Präklusion durch früheren Kündigungsschutzrechtsstreit
Normenkette
GVG § 17a; ArbGG § 48 Abs. 1; KSchG § 4
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 06.07.1995; Aktenzeichen 9 Sa 493/93) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Juli 1995 – 9 Sa 493/93 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde zu tragen.
Tatbestand
I. Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 6. und 8. April 1992 nicht fristlos aufgelöst wurde, sondern bis zum 30. Juni 1992 fortbestanden hat; ferner begehrt er die Zahlung von Arbeitsentgelt. Die Beklagte hat die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gerügt. Widerklagend macht sie verschiedene Zahlungsansprüche geltend; weiter nimmt sie den Kläger auf Herausgabe eines PC's nebst Zubehör, eines Druckers sowie weiterer Büroartikel in Anspruch.
Die Parteien schlossen am 15. August 1990 einen „Kooperationsvertrag”, wonach der Kläger „als selbständiger Vermittler und Betreuer von Vermögensanlagen, vorzugsweise Versicherungsverträgen, ausschließlich für S. tätig sein” sollte. Ende 1990 kam es zu Verhandlungen über den Abschluß eines Arbeitsvertrages. Ein vorbereiteter „Prokuristenvertrag” wurde aber nicht unterzeichnet. Jedoch erhielt der Kläger ab Januar 1991 ein Bruttomonatsgehalt von 5.000,00 DM; die Beklagte führte Sozialversicherungsbeiträge ab.
Im Januar 1992 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Es erging am 28. Februar 1992 ein Versäumnisurteil, wodurch festgestellt wurde, „daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 11. November 1991, dem Kläger zugegangen am 9. Januar 1992, zum 31. Dezember 1991 geendet hat, sondern darüber hinaus ungekündigt zu den bisherigen Bedingungen fortbesteht”. Dieses Versäumnisurteil wurde rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 6. April 1992 kündigte die Beklagte „sämtliche etwa bestehenden Verhältnisse mit sofortiger Wirkung auf”. Mit weiterem Schreiben kündigte sie „vorsorglich ein zwischen uns bestehendes Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum 30.06.1992”.
Der Kläger hat Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Er hält den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben. Dies folge bereits aus dem rechtskräftig gewordenen Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 28. Februar 1992 in dem vorausgegangenen Rechtsstreit.
Demgegenüber hält die Beklagte den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht für gegeben, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Der Anstellungsvertrag mit dem Kläger sei lediglich pro forma erstellt worden; tatsächlich habe der Kläger als freier Makler gearbeitet. Er sei nicht in eine Organisation der Beklagten eingebunden gewesen. Vielmehr habe der Kläger im März 1991 sein Gewerbe als freier Versicherungsmakler selbst angemeldet. Die Vereinbarung, wonach der Kläger ab 1991 als Angestellter geführt werden solle, sei dem Wunsch des Klägers entsprungen, für ein Jahr eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit auszuüben.
Das Arbeitsgericht Koblenz entschied über die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorab, sondern in seinem Sachurteil vom 27. Januar 1993, mit dem es der Klage und der Widerklage jeweils zum Teil stattgab und sie zum Teil abwies. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien jeweils zulässig Berufung ein.
Das Landesarbeitsgericht erachtete durch seinen Beschluß vom 21. April 1994 vorab den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben, und zwar mit der Begründung, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sei durch das im Vorprozeß ergangene Versäumnisurteil rechtskräftig festgestellt. Auf die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten hob der Senat durch Beschluß vom 28. Februar 1995 den Beschluß des Landesarbeitsgerichts auf und verwies das Verfahren zur anderweiten Entscheidung über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs an das Landesarbeitsgericht zurück. Das Landesarbeitsgericht hat durch Beschluß vom 6. Juli 1995 erneut die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen bejaht. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen weiteren sofortigen Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die weitere sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Rechtweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben erachtet.
Streitgegenstand einer Kündigungsschutz klage nach § 4 Satz 1 KSchG ist die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis aus Anlaß einer ganz bestimmten Kündigung zu dem beabsichtigten Termin aufgelöst worden ist oder nicht. Mit der Rechtskraft des klagestattgebenden Urteils steht entgegen der Auffassung der Beklagten weiter fest, daß zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den streitenden Parteien bestanden hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteil vom 12. Juni 1986 – 2 AZR 426/85 – AP Nr. 17 zu § 4 KSchG 1969, m.w.N.). Dagegen ist nicht Streitgegenstand das Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, auf die das betreffende Urteil ergangen ist (BAG a.a.O.). Das hatte das Landesarbeitsgericht bei seinem Beschluß vom 21. April 1994 verkannt.
Für den Streitfall ergibt sich daraus folgendes: Aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Gießen vom 28. Februar 1992 steht entgegen der Auffassung der Beklagten rechtskräftig fest, daß am 9. Januar 1992 zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Beklagte kann also nicht mehr mit ihrem neuerlichen Vortrag gehört werden, „ein Arbeitsverhältnis habe (hat) zwischen den Parteien tatsächlich nie bestanden”. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, daß mit dem Versäumnisurteil nicht auch rechtskräftig über das Bestehen bestimmter Arbeitsbedingungen entschieden worden ist. Diese spielen aber für die Frage der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit keine Rolle.
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die Parteien das Arbeitsverhältnis nach dem (behaupteten) Zugang der ersten Kündigung, also dem 9. Januar 1992, aber noch vor Zugang der beiden Kündigungen vom 6. und 8. April 1992 vertraglich wirksam in ein Rechtsverhältnis anderer Art, z.B. in ein freies Mitarbeiterverhältnis umgewandelt haben. Denn es handelt sich dabei um einen rechtsvernichtenden Umstand.
Dieser Darlegungslast hat die Beklagte nicht genügt. Sie hat insoweit nur vorgetragen, nach dem 31. Dezember 1991 sei der Kläger für die Beklagte nicht mehr tätig gewesen. Darin liegt keine vertragliche Aufhebung oder Umwandlung des Arbeitsverhältnisses.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke
Fundstellen