Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 6; ArbGG § 48 n.F.; GVG § 17a n.F.
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 23.05.1996; Aktenzeichen 11 Ca 3222/96) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Heilbronn bestimmt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um Auskunfts- und Zahlungsansprüche aus beendetem Arbeitsverhältnis.
Der Kläger war bis September 1995 als Vertriebsbeauftragter für die Beklagte tätig. Sein Reise- und Verkaufsgebiet umfaßte den Postleitzahlenbereich 66 bis 69, 70 bis 79 und 88. Er übte seine Reisetätigkeit von seinem im Bezirk des Arbeitsgerichts Heilbronn gelegenen Wohnsitz her aus. Er erhob Klage zum Arbeitsgericht Heilbronn und begründete die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts. Die Beklagte rügte mit Schriftsatz vom 4. April 1996 die örtliche Zuständigkeit. Der Kläger bekräftigte mit Schriftsatz vom 15. April 1996 seine Auffassung, daß das Arbeitsgericht Heilbronn zuständig sei.
Nachdem der auf den 2. April 1996 anberaumte Gütetermin zunächst auf den 9. April und sodann auf den 30. April 1996 verlegt worden war, hob das Arbeitsgericht Heilbronn durch Beschluß vom 16. April 1996, der den Parteien am 18. April 1996 übersandt wurde, den Gütetermin auf und teilte mit, daß über die Zuständigkeit vorab durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Durch Kammerbeschluß vom 18. April 1996 erklärte sich das Arbeitsgericht Heilbronn für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Düsseldorf.
Nach Gewährung rechtlichen Gehörs hat sich das Arbeitsgericht Düsseldorf durch Kammerbeschluß vom 23. Mai 1996 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Zuständig ist das Arbeitsgericht Heilbronn. Dessen Verweisungsbeschluß bindet das Arbeitsgericht Düsseldorf nicht.
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Die Arbeitsgerichte Heilbronn und Düsseldorf haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, ersteres durch formell unanfechtbaren Beschluß vom 18. April 1996, letzteres durch Beschluß vom 23. Mai 1996, der als Rückverweisung anzusehen ist.
2.a) Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO; BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – AP Nr. 11 zu § 17 a GVG = EzA § 36 ZPO Nr. 18 = NZA 1994, 479 f.). Nur so kann der Zweck des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Das bedeutet: Es ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, dieser ist ausnahmsweise nicht bindend. In diesem Fall ist dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den zweiten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, (auch) dieser ist ausnahmsweise nicht bindend.
b) Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 – BAGE 70, 374 = AP Nr. 39 zu § 36 ZPO = EzA § 17 a GVG Nr. 1). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 –, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164). Letzteres ist aber nur dann anzunehmen, wenn der Beschluß für die Partei, der das rechtliche Gehör verweigert wurde, unanfechtbar ist. Denn der Mangel des rechtlichen Gehörs kann durch nachträgliche Anhörung in der Rechtsmittelinstanz geheilt werden. Die nicht angehörte Partei kann in diesem Fall auf die Einlegung des Rechtsmittels verwiesen werden (BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 –, a.a.O.).
3. Bei Anlegung dieses Maßstabs erweist sich der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Heilbronn als offensichtlich gesetzwidrig.
Das Arbeitsgericht Heilbronn hat dem Kläger vor Erlaß seines unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses rechtliches Gehör versagt.
Sein Verweisungsbeschluß ist eine Überraschungsentscheidung. Der Kläger konnte aufgrund der Ladung zum Gütetermin davon ausgehen, daß er zur örtlichen Zuständigkeit noch in der mündlichen Verhandlung Stellung nehmen konnte. Das Arbeitsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob über die Zuständigkeit mündlich verhandelt wird oder nicht. Auch wenn bereits Termin anberaumt ist, ist das Gericht nicht daran gehindert, den Termin aufzuheben und ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Dies ist den Parteien aber so rechtzeitig mitzuteilen, daß sie noch Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme haben. Das ist hier nicht geschehen. Der Gütetermin wurde erst durch Beschluß vom 16. April 1996 aufgehoben, der den Parteien am 18. April 1996 übersandt wurde. Bereits am selben Tag erging aber der Verweisungsbeschluß. Es kommt auch nicht darauf an, daß der Kläger bereits in der Klageschrift und dann erneut mit Schriftsatz vom 15. April 1996 zur örtlichen Zuständigkeit Stellung genommen hat. Entscheidend ist, daß er zumindest noch am 18. April 1996 davon ausgehen konnte, er könne seinen Standpunkt auch noch in der Güteverhandlung geltend machen.
Der Verweisungsbeschluß vom 18. April 1996 ist auch in der Sache unrichtig. Zuständig ist das Arbeitsgericht Heilbronn.
Der Senat hat mehrfach entschieden, daß im Hinblick auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) bei Arbeitsverhältnissen i.d.R. von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen ist und daß dies der Ort ist, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat (BAG Beschluß vom 12. März 1992 – 5 AS 10/91 –, n.v.; BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 –, a.a.O.; BAG Beschluß vom 30. März 1994 – 5 AS 6/94 –, n.v.). Auf die Frage, von wo aus das Arbeitsentgelt gezahlt wird und wo sich die Personalverwaltung befindet, kommt es regelmäßig nicht an. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Erfüllungsort für die Arbeitsleistung eines für die Bearbeitung eines größeren Bezirks angestellten Reisenden ist aber dessen Wohnsitz, wenn er von dort aus seine Reisetätigkeit ausübt. Dies gilt unabhängig davon, ob er täglich nach Hause zurückkehrt und in welchem Umfang er vom Betrieb Anweisungen für die Gestaltung seiner Tätigkeit erhält (BAG Urteil vom 12. Juni 1986 – 2 AZR 398/85 – AP Nr. 1 zu Art. 5 Brüsseler Abkommen). Der Umstand, daß das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist, ändert an der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Heilbronn nichts.
4. Da der erste Verweisungsbeschluß nicht bindet, war dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den zweiten Verweisungsbeschluß (die Rückverweisung) gelangt ist. Dies ist das Arbeitsgericht Heilbronn. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Heilbronn mit zutreffenden Erwägungen bejaht.
Unterschriften
Schliemann, Reinecke, Bröhl
Fundstellen