Entscheidungsstichwort (Thema)
Erledigung einer Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Ein Beschwerdeverfahren wegen der Nichtzulassung der Revision kann sich auch durch übereinstimmende Erklärung der Parteien „erledigen”. Das Beschwerdegericht hat dann über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 91a Abs. 1 ZPO zu entscheiden.
Normenkette
ArbGG § 72a; ZPO § 91a
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Oktober 2002 – 3 Sa 735/02 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz des Klägers.
Der Kläger war seit dem 1. Mai 1996 in einem Erotikgeschäft des Beklagten als Filialleiter beschäftigt. Der Beklagte installierte in dieser Filiale insgesamt fünf Videokameras.
Der Kläger war von Juni 2002 bis über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hinaus arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 30. September 2002 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30. November 2002 und lehnte die Weiterbeschäftigung des Klägers über den Kündigungstermin ab. In dem Kündigungsschutzverfahren beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein – 3 Ca 2967/02 – schlossen die Parteien am 30. Januar 2003 einen Vergleich. Danach endete das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2002. Über die Videoüberwachung enthält der Vergleich keine Regelungen.
Das Arbeitsgericht hat die vom Kläger erhobene Klage auf Unterlassung der Videoüberwachung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Über die Beschwerde ist trotz der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund des gerichtlichen Vergleichs noch zu entscheiden, da die Parteien keine Erledigungserklärung gem. § 91a ZPO abgegeben haben.
Eine Erledigung des Beschwerdeverfahrens auf Grund Erklärungen der Parteien gem. § 91a ZPO kommt allerdings grundsätzlich in Betracht. § 91a ZPO ist auch im Verfahren nach § 72a ArbGG anzuwenden, da auch hier eine Kostenentscheidung gem. § 97 ZPO zu ergehen hat. § 91a ZPO dient der Kostengerechtigkeit. Wird eine zunächst zulässige und begründete Klage gegenstandslos, soll der Kläger nicht gezwungen werden, sie mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 ZPO zurückzunehmen, um eine klageabweisende Entscheidung zu vermeiden. Eine angemessene Kostenentscheidung wird nur in Anwendung von § 91a ZPO ermöglicht. Dies muß auch für die Nichtzulassungsbeschwerde gelten (für das finanzgerichtliche Verfahren BFH 31. Juni 1972 – VII B 46/71 – insoweit nicht veröffentlicht; für das verwaltungsgerichtliche Verfahren BVerwG 28. August 1985 – 8 B 128.84 – insoweit nicht veröffentlicht). § 91a ZPO gilt für kontradiktorische Verfahren in denen eine Kostengrundentscheidung möglich ist (BGH 11. Januar 2001 – V ZB 40/99 – insoweit nicht veröffentlicht).
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
a) Nach § 72a Abs. 1 ArbGG ist die Revision auf Beschwerde der unterlegenen Partei ua. dann zuzulassen, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines der anderen in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Senat 6. Dezember 1994 – 9 AZN 337/94 – BAGE 78, 373). Eine rechtserhebliche Divergenz liegt vor, wenn das anzufechtende Urteil einen abstrakten, also allgemeinen und damit fallübergreifenden Rechtssatz zu einer bestimmten Rechtsfrage enthält, der von einem Rechtssatz abweicht, der in einer divergenzfähigen Entscheidung zu derselben Rechtsfrage aufgestellt worden ist. Macht die Beschwerde geltend, hinter einer einzelfallbezogenen Formulierung stehe in Wirklichkeit ein abstrakter Rechtssatz, muß sie diesen Rechtssatz selbst formulieren (Senat 14. Februar 2001 – 9 AZN 878/00 – AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 42 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 93).
b) Die vom Kläger behauptete Divergenz ist nicht gegeben.
Die Beschwerde meint, das Landesarbeitsgericht habe in der anzufechtenden Entscheidung den Rechtssatz aufgestellt, ein Rechtsschutzinteresse gegen die Abwehr von Angriffen in grundrechtlich geschützte Rechte bestehe nicht, wenn die Beeinträchtigung nicht mehr fortdauere. Dies sei hier der Fall, da der Kläger nicht beschäftigt werde.
Das ist unzutreffend. Das Landesarbeitsgericht hat, was die Beschwerde verkennt, diesen Rechtssatz weder ausdrücklich, noch verdeckt aufgestellt. Zwar kann ausnahmsweise ein Rechtssatz in scheinbar nur fallbezogenen Ausführungen enthalten sein (BAG 4. August 1981 – 3 AZN 107/81 – AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 9). Der verdeckte Rechtssatz muß sich jedoch aus der Begründung unmittelbar und so deutlich ergeben, daß zweifelsfrei ist, welchen Rechtssatz die Entscheidung aufgestellt hat (BAG 10. Juli 1984 – 2 AZN 337/84 – AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 15 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 44).
Das Landesarbeitsgericht hat nicht das Rechtsschutzinteresse für die Klage verneint. Es hat den Unterlassungsanspruch des Klägers vielmehr materiell abgelehnt, da die Überwachungsanlage wegen fehlender Beschäftigung des Klägers für unabsehbare Zeit nicht in seine Persönlichkeitsrechte eingreife.
Selbst wenn das Landesarbeitsgericht das Rechtsschutzinteresse für die Unterlassungsklage verneint hätte, ergebe sich keine Abweichung von der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 1997 (– 1 BvR 9/97 – BVerfGE 96, 288). Der Kläger entnimmt dieser herangezogenen Entscheidung den Rechtssatz, daß das Rechtsschutzinteresse in den Fällen, in denen ein besonders schwerwiegender Grundrechtseingriff gerügt werde, trotz Erledigung des ursprünglich mit der Verfassungsbeschwerde verfolgten Begehrens fortbestehe, wenn andernfalls die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe.
Der Kläger verkennt, daß das Bundesverfassungsgericht diesen Rechtssatz nur für die Verfassungsbeschwerde aufgestellt hat. Dagegen richtet sich die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses für das arbeitsgerichtliche Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung. Es dient der Prozeßwirtschaftlichkeit. Die Verfassungsbeschwerde erschöpft sich nicht im individuellen Grundrechtsschutz des Bürgers. Sie hat auch die Funktion, das objektive Verfassungsrecht zu wahren und seiner Auslegung und Fortbildung zu dienen (BVerfG 28. Juni 1972 – 1 BvR 105/63 und 275/68 – BVerfGE 33, 247). Sie dient damit anders als der Zivilprozeß über den Einzelfall hinaus der Klärung verfassungsrechtlicher Fragen (BVerfG 8. Januar 1959 – 1 BvR 396/55 – BVerfGE 9, 89, 94).
III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Krasshöfer, B. Lang, Fr. Holze
Fundstellen
Haufe-Index 1134511 |
BAGE 2004, 342 |
FA 2003, 309 |
AP, 0 |
AUR 2003, 358 |
www.judicialis.de 2003 |